Keine reale Machtübergabe an die Marionetten-Regierung
Selbst in einigen der großen Tageszeitungen wurde das Wort "Machtübergabe" mit einem Hauch von Distanz gehandhabt und teils mit einem vorangestellten "nominell" versehen. Doch die Überschriften, TV-Meldungen und Kommentare suggerieren einen realen Gehalt der heutigen, von der US-Besatzungsmacht inszenierten soap opera. Und das brav vervielfältigte Bild von "Zivilverwalter" Paul Bremer, der winkend ins Flugzeug steigt, um "eilig" in die USA zurückzukehren, transportiert mehr als tausend Worte.
Doch Tatsache ist und bleibt:
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150.000 Besatzungs-Soldaten bleiben unvermindert im Irak stationiert, von der jüngsten UN-Resolution mit einem völkerrechtlichen Heiligenschein versehen
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diese bleiben - selbstverständlich - unter US-Kommando
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die Erdöl-Förderung wird zwar formell einem Ministerium der "Übergangsregierung" überantwortet - dieses aber (wie alle übrigen Ministerien) einem US-amerikanischen Inspekteur unterstellt. So können weiterhin mindesten 6 bis 7 Millionen Barrel (rund zwei Drittel der saudi-arabischen Fördermenge) pro Tag aus dem Irak in die USA abtransportiert werden.1 Der Irak verfügt mit geschätzten 112,5 Milliarden Barrel über die zweitgrößten Ölreserven der Welt.
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an der Spitze des US-Protektorats steht - als Nachfolger von Paul Bremer - ein Generalinspekteur. Dieser und sämtliche US-Inspekteure wurden von Bremer eingesetzt und bleiben bis Mitte 2009 im Amt. Damit ist die Bedeutung der für spätestens im Januar 2005 angesetzten "freien Wahlen" und der daraus hervorgehenden Regierung schon heute unzweifelhaft gleich Null.
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Nicht nur Militärs, sondern auch alle Zivilangehörigen der "multinationalen Truppe" genießen volle Immunität vor der irakischen Justiz. Zu allem Überfluß verlängerte Paul Bremer diese im Mai 2003 erlassene "Verfügung 17"2. Damit wird allerdings eine noch weitergehende Garantie auf Straffreiheit überdeckt. Ebenfalls im Mai 2003 unterzeichnete US-Präsident G. W. Bush die executive order 13303. Mit diesem Gesetz wird den beiden US-Ölkonzernen ExxonMobil (Esso) und ChevronTexaco absolute Straffreiheit im Zusammenhang mit der Förderung, dem Transport und dem Verkauf des irakischen Öls zugesichert.3
Es war also kein Zufall, daß nach einer seit 2001 anhaltenden Rezession in den USA ausgerechnet ab April 2003 ein Wirtschaftswachstum von 7 Prozent eingesetzt hat. Selbstverständlich profitieren nicht allein ExxonMobil und ChevronTexaco, sondern ebenso die im Irak engagierten US-Baukonzerne Bechtel und Halliburton - und nicht zuletzt die US-Rüstungskonzerne. Über billig an den US-Bürgern vorbei verschobenes Erdöl profitieren indirekt die Chemie-Konzerne, wobei ein Großteil des Erdöls zur Produktion von Kunstdüngern eingesetzt wird, und ebenso die Elekrizitätswerke, die in den USA längst ihr Schwergewicht weg von den AKWs und hin zu billigen Öl-Kraftwerken verlagert haben. Dank konstanter Kerosin-Preise sind die US-Fluggesellschaften immerhin vor dem permanent drohenden Bankrott bewahrt worden, während die US-Autoindustrie offenbar über eine schwache Position im Machtkartell der US-Konzerne verfügt: Denn die Benzinpreise stiegen in den USA - wenn auch auf für europäische Verhältnisse extrem niedrigem Niveau.
Doch dieser weltweit zu verzeichnende Preisanstieg ist allein darauf zurückzuführen, daß zu Zeiten Saddam Husseins je nach Lage des UN-Embargos immerhin zwischen 1,5 und 3,5 Millionen Barrel pro Tag an irakischem Öl auf den Weltmarkt kamen, während diese Menge unter dem Vorwand der Terroranschläge ebenfalls fast vollständig in die USA abfließt. Außerdem fehlen auf dem Weltmarkt die 1 bis 2 Millionen Barrel pro Tag, die Saddam Hussein trotz Embargo über Syrien verschieben konnte, was zusammen mit global betrachtet rückläufigen Fördermengen zu einer empfindlichen Verknappung führt. Aber solange die US-Regierung die Hand auf dem zweitgrößten Erdöl-Reservoir des Globus behält, muß sich die US-Konzerne wegen der steigenden Preise keine Sorgen machen. Und für 2009 haben sie sicherlich bereits das nächste As im Ärmel.
Adriana Ascoli
Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
Benzinpreise, Ölförderung und Krieg (15.05.04)
2 Diese Verfügung und eine ganze Reihe weiterer Dekrete sichern - wie Andreas Zumach in einem ebenfalls heute veröffentlichten Artikel in der Badischen Zeitung ("Die USA regieren bis 2009 mit") ausführlich darlegt - sämtliche Interessen der USA im Irak. Offenbar mag sich die US-Regierung nicht noch einmal allein auf die Willfährigkeit einer eingesetzten Marionetten-Regierung verlassen. Nach den schlechten Erfahrungen mit dem ebenfalls zunächst als Marionette im Irak eingesetzten Saddam Hussein, haben sie auf diese Weise eine gewissen Sicherheits-Redundanz eingebaut.
3 Siehe auch unseren Artikel
Die Befreiung der Öl-Konzerne (12.08.03)