20.06.2003

Wasserstoff statt Giftgas

Britischer Geheimdienst muß notgedrungen die Harmlosigkeit der irakischen "mobilen Giftgas-Labors" bestätigen

Die britische Regierung hat es mit Sicherheit von Anfang an gewußt, daß die "Beweise" der US-amerikanischen Regierung so "dick wie Bohnenstroh" waren. Die schülerhaften Grafiken von LkWs, die US-Außenminister Powell vor dem Weltsicherheitsrat Anfang Februar als Beweise für mobile Giftgas-Labors des irakischen Regimes präsentierte, waren für halbwegs skeptische Menschen schon damals nicht ernst zu nehmen. Doch auch wenn die britische Regierung jeglicher Skepsis entbehrte, konnte sie auf den faulen Zauber nicht hereinfallen: Großbritannien hatte dem Irak das System verkauft.

Die mobilen Labors dienten exakt dem Zweck, den die Iraker genannt hatten: Sie produzierten Wasserstoff für Ballons. Eine aktuell veröffentlichte Untersuchung, die auch von der britischen Regierung bestätigt werden mußte, kommt exakt zu diesem Ergebnis. Einer der beteiligten Biowaffen-Experten führte gegenüber der britischen Zeitung 'Observer' aus: "Dies sind keine mobilen Biowaffen-Labors. Man kann sie nicht zur Produktion von biologischen Waffen nutzen. Sie sehen noch nicht mal so aus. Sie sind genau das, was die Iraker gesagt haben, was sie sind - Einrichtungen für die Produktion von Wasserstoff zur Befüllung von Ballons."

Damit war nun die britische Regierung gezwungen, dem einzigen Argument, an das sich die Bush-Administration noch unerschütterlich klammert, zu widersprechen. Zwei LkW-Container waren der Weltöffentlichkeit bisher als einziger, kläglicher Beleg für die Theorie, der Irak habe über Massenvernichtungswaffen verfügt, präsentiert worden. Sowohl George W. Bush als auch Tony Blair hatten die zwei Container bislang als Beweise bezeichnet.

Als das irakische Regime Teile des mobilen Systems 1987 von der britischen Firma 'Marconi Command & Control' - wie die Zeitungen 'Observer' und 'Guardian' aktuell berichten - gekauft hatte, wurde die britische Regierung routinegemäß unterrichtet. Unter der damaligen Regierungs-Chefin Margaret Thatcher hatte britische Firmen reichliche und lukrative Geschäfte - und wie viele Staaten inclusive der USA auch Rüstungsgeschäfte - in den Irak getätigt. Zudem wurden diese Geschäfte mit Exportbürgschaften abgesichert und bestehende Gesetze zurechtgebogen, um sie zu ermöglichen. Auch die Geschäfte von Firma 'Marconi Command & Control' waren förderungswürdig, da gewinnträchtig.

All diese Informationen waren der Blair-Regierung zugänglich und zudem hatten bereits vor dem Februar US-amerikanische und britische Geheimdiensexperten öffentlich Zweifel an der Brauchbarkeit der mobilen Labors für die Produktion von B-Waffen geäußert. Sie wiesen auf das Fehlen sogenannter Dampfsterilisatoren hin, die zur Vermeidung von Verunreinigungen der Kampfstoffe zwischen den einzelnen Produktionsschritten unerläßlich sind.

Doch am 28. Mai hatte der CIA wiederum einen Bericht veröffentlicht, wonach es sich bei den Containern mit Sicherheit um Waffenlabore handele. Die irakische Erklärung wurde darin noch als "cover story" bezeichnet. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ausgerechnet die Blair-Regierung, die durch die Äußerungen von Wolfowitz in erhebliche innenpolitische Schwierigkeiten geraten war, gezwungen ist, die Theorie von den irakischen Massenvernichtungswaffen vollends ad absurdum zu führen. US-Vizeverteidigungsminister Wolfowitz hatte Ende Mai in einem Interview ausgeplaudert, daß das Argument "Massenvernichtungswaffen" aus politischen Gründen für einen Krieg gegen den Irak genutzt worden sei. Daraufhin bekannte sich Blair mit besonderer Verve in den Medien zu seiner Überzeugung, es würden mit Sicherheit doch noch Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden werden.

 

Harry Weber

 

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