Am 11.12. stellte das Deutsche Kinderhilfswerk
den Kinderreport Deutschland vor.
Die Medien vermeldeten: " ... erschrenkende Zahlen ... Deutschland extrem
kinderunfreundlich ..."
In früheren Zeiten wurden Kinder und Jugendliche ermahnt: "Begebt euch nicht in schlechte
Gesellschaft..." - heute ist guter Rat teuer, denn unsere gesamte Gesellschaft ist
schwer krank.
Wohin sollen sich unsere Kinder flüchten ?
Ganz zurecht steht im Report des Deutschen Kinderhilfs- werks: "Kinder sind Seismographen
unserer Gesellschaft". Dabei wird doch bereits so viel getan, damit sie nicht so sehr
ausschlagen: Mit hochverfeinerten Methoden der Psychologie wird ihnen in Familien,
Kindergärten und Schulen das Rückgrad entfernt und wenn das nicht hilft, werden die
"auffälligen" 30 Prozent mit Psychopharmaka zugeschüttet - zuvorderst mit einem,
dessen Markenname mit R beginnt und das fast alle kennen.
Ein Viertel aller Kinder wird wegen Allergien behandelt. Das Einstiegsalter für die
Drogen Nikotin und Alkohol sinkt immer mehr und nähert sich dem 10. Lebensjahr. Mehr
als 700 Kinder sterben jährlich an Unfällen und Vergiftungen. Ein Teil der Vergiftungen
ist auf Selbsttötung zurückzuführen und die statistischen Angaben über Suizid sind
durch die auch heute noch durchgängige Tabuisierung des Suizids mit Sicherheit noch
zu niedrig angesetzt. Nichts desto Trotz ist laut Statistik der Suizid nach dem
Unfalltod die zweit häufigste Todesursache in der Altersschicht bis 20 Jahre.
In Deutschland sterben zur Zeit täglich drei Kinder und Jugendliche durch Suizid.
Weitere 40 Kinder versuchen jeden Tag sich das Leben zu nehmen. Nach neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnissen des Bielefelder Kinder- und Jugendforschers
Klaus Hurrelmann hat sich die Situation unserer Kinder in den letzten Jahren
dramatisch verschlechtert.
Bereits 1897 untersuchte Emile Durkheim, einer der Begründer der modernen Soziologie,
in seiner auch heute noch bedeutsamen Arbeit "Der Selbstmord" den Zusammenhang zwischen
der gesellschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Suizidhäufigkeit. Durkheim
kommt zu dem Schluß, daß die Suizidhäufigkeit um so größer ist, je mehr die gemeinsamen
Werte in einer
Gesellschaft auseinanderfallen und an Bedeutung verlieren; demgegenüber fällt die
Suizidrate, wenn die Gesellschaft in hohem Maße gemeinsame Werte hat. Durkheim
schreibt: "Man darf nämlich nicht übersehen, daß auch das Kind sozialen Bedingungen
unterworfen ist, die es durchaus zum Selbstmord bestimmen können. Was diesen
Einfluß (...) kennzeichnet, ist die Tatsache, daß Selbstmorde von Kindern je
nach Milieu verschieden sind. Sie sind nirgends so zahlreich wie in den großen
Städten. Es ist doch so, daß das Leben in der Gesellschaft auch für das Kind früh
anfängt, wie die Frühreife des kleinen Städters zeigt. Er ist früher und vollständiger
der Zivilisation ausgesetzt und spürt früher und vollständiger ihre Wirkung. Daher
kommt es auch, daß in den zivilisierten Ländern die Zahl der Kinderselbstmorde mit
beklagenswerter Stetigkeit wächst" (Durkheim, 1897, S. 95f).
Während der letzten 20 Jahre wurde eine steigende Anzahl von Suizidfällen in den
meisten europäischen Ländern registriert. In den Jahren 1995 bis 1997 erfaßte das
Statistische Bundesamt jährlich über 12.000 Selbstmorde im Bundesgebiet. Es sterben
also 50 Prozent mehr Menschen durch Selbsttötung als durch Verkehrsunfälle. Die
Dunkelziffer der Suizidversuche liegt aber 15- bis 30mal höher als die Zahl der Suizide.
Das statistische Bundesamt nennt folgende Zahlen, die die Bedeutung der Selbstmordrate
erkennbar machen:
Verkehrsunfälle
8.168 (im Jahre 1997)
HIV-Infektionen
1.583 (im Jahre 1996)
Drogen
1.565 (im Jahre 1996)
Gewalttaten
1.357 (im Jahre 1996)
Nochmal zum Thema Psychopharmaka:
Daß sich die aufgezeigten Trends noch beschleunigen können, zeigt ein Blick in die USA,
deren Entwicklungen sich in den ihr nacheilenden Industriestaaten oft nur um wenige
Jahre zeitversetzt wiederholen. Bereits 1996 deckte ein preisgekrönter TV-Report auf,
daß die größte amerikanische Non-Profit-Organisation, die sich dem ADS-Symptom
beschäftigte und Informationskampagnen an Schulen, öffentlichen Veranstaltungen und in
den Medien betrieb im geheimen vom R...-Hersteller Ciba-Geigy (heute Novartis) in
Millionenhöhe gesponsert wurde. Es versteht sich von selbst, daß diese Organisation
R... als bestes Mittel gegen Hyperaktivität pries.
90 Prozent der gesamten R...-Produktion werden in den USA abgesetzt. Wurden 1988 noch
zwei Tonnen Tabletten verschrieben, so waren es 1997 bereits 14 Tonnen! Zu diesem
Zeitpunkt standen über sechs Millionen US-Schulkinder unter dem Einfluß von R....
Nochmals zum Thema Verkehrsunfälle:
Vor Jahren verbreitete das in Deutschland meistverkaufte Toilettenpapier, dessen
Markenname mit B beginnt, das merkwürdigerweise zwischen Zeitungen und Zeitschriften
verkauft wird und das kürzlich sein 50-jähriges Jubiläum feierte, Aufkleber in
Herzchen-Form mit der Aufschrift "Ein Herz für Kinder". Auf der anderen Seite
wirkt dieses Produkt, da es überflüssigerweise auch mit Bildchen und Schriftzeichen
verziert ist, bei einer enormen Anzahl von NutzerInnen anscheinend bewußtseinsverändernd,
denn statt zu sinken, steigen die Zulassungszahlen an Autos und die Verkehrsdichte
unvermindert, ja beschleunigt. Wie zum Hohn finden sich diese Aufkleber auffallend
häufig auf Autos und es stellt sich die Frage, ob damit eine neue Art von Wunderglauben
verbunden ist...
Ebenfalls um eine neue Art von Wunderglauben scheint es sich dabei zu handeln, daß
immer mehr Kinder morgens und mittags mit dem Auto zwischen Elternhaus und Kindergarten
oder Schule hin- und hergefahren werden. Damit sinkt nicht nur die Zukunftschance unserer
Kinder auf diesem Planeten, sondern (wie neueste Forschungen belegen) nachweislich auch
die "Verkehrstüchtigkeit" und damit Sicherheit dieser Kinder. Aber vielleicht speisen
sich diese modernen Rituale auch gar nicht aus einer emotionalen Verbundenheit zum
Kind, sondern dienen lediglich der Beschwichtigung des eigenen Gewissens ?
Harry Weber