Heute behandelt der UN-Ausschuß für die Rechte des Kindes in Genf den sogenannten Zweit-Staaten-Bericht der
Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention. Schon bei der Vorlage des
Erst-Staatenberichts 1995 durch die Kohl-Regierung hatte der für die Einhaltung und Überwachung der
Kinderrechtskonvention zuständige Ausschuß "große Sorge" über die Situation, Behandlung und rechtliche
Ausgrenzung von Flüchtlingskindern in Deutschland geäußert und die Anpassung des deutschen Ausländer- und
Asylrechts an die Bestimmungen der Konvention angemahnt.
Auch heute werden laut 'Pro Asyl' - unter der "rot-grünen" Bundesregierung - durch die Aufrechterhaltung des sogenannten
Ausländervorbehalts den Flüchtlingskindern elementare Rechte vorenthalten. Ihre Schutzbedürftigkeit wird mißachtet
und das Kindeswohl, Maxime der Kinderrechtskonvention, wird massiv verletzt. 'Pro Asyl'-Vorstandsmitglied Heiko
Kauffmann widerspricht der von "Rot-Grün" vertretenen Auffassung energisch, bei der Vorbehaltserklärung handele es
sich im wesentlichen um Erläuterungen, die Fehl- bzw. Überinterpretationen vermeiden sollten: "Die Vorbehaltserklärung
enthält keineswegs eine >>Klarstellung<< hinsichtlich der Auslegung des Übereinkommens, sondern im Klartext die
konkrete Verweigerung des Schutzes im Sinne des Abkommens gegenüber Flüchtlings- und Migrantenkindern - durch
willkürliche Außerkraftsetzung des Gleichbehandlungsgebots und Diskriminierungsverbots". Insofern sei diese Erklärung
unzulässig, da sie diametral den Inhalten und Zielsetzungen der Kinderrechtskonvention zuwiderlaufe (Art. 51 Abs. 2
Kinderrechtskonvention).
Unterstützung erfährt die Position von 'Pro Asyl' durch eine aktuelle Stellungnahme des Berliner Völkerrechtlers
Professor Dr. Christian Tomuschat. In seiner Stellungnahme für 'Pro Asyl' führt er aus, daß ein solcher Vorbehalt
gegen das Übereinkommen für die Rechte des Kindes, "der gegen das Herzstück des menschenrechtlichen
Schutzsystems gerichtet ist, in dem er eine Scheidelinie zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen
aufrichtet, unter Art. 19 Abs. c) (des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge) fällt. Er ist damit
unwirksam..."
Tomuschats Schlußfolgerung lautet, "daß die gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen abgegebene
Erklärung nicht in der Lage war, die durch das Zustimmungsgesetz bewirkte Rechtsfolge, daß nämlich der Inhalt des
Übereinkommens über die Rechte des Kindes zum Bestandteil des deutschen Rechts [wurde], zu ändern. Die
Erklärung [...] sollte aber dennoch im Interesse der Rechtsklarheit zurückgezogen werden."
'Pro Asyl' appelliert an die Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Parteien, ihren Anspruch auf eine
menschenrechts- und völkerrechtsfreundliche Politik in Deutschland im Umgang mit Flüchtlingskindern endlich unter
Beweis zu stellen und den mehrfachen Forderungen des Bundestages und des Petitionsausschusses zur Rücknahme
der Vorbehaltserklärung und zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention endlich nachzukommen.
Leidvolle Erfahrungen betroffener Flüchtlingskinder untermauern die Notwendigkeit zur Rücknahme der
Vorbehaltserklärung: 16- und 17-jährige Flüchtlinge gelten in der deutschen Praxis als ausländerrechtlich handlungsfähig
und "asylmündig". Häufig werden sie bei medizinischen Untersuchungen zur Altersfeststellung entwürdigend behandelt.
Gesichtspunkte des Kindeswohls werden durch inadäquate Betreuung, Unterkunft in Sammelunterkünften,
Abschiebungshaft und Abschiebungen außer Acht gelassen.
'Pro Asyl' verweist auf den Koalitionsvertrag vom 16.10.2002, in dem es heißt (S. 75): "Wir messen der weltweiten
Durchsetzung von Menschenrechten zentrale Bedeutung zu. Internationale Friedenssicherung kann nur mit Schutz
und Umsetzung von Menschenrechten erfolgreich sein. Menschenrechtliche Grundnormen sind unantastbar und
dürfen unter keinen Umständen außer Kraft gesetzt werden. - Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, daß
anstehende Konventionen und Zusatzprotokolle im Menschenrechtsbereich ratifiziert sowie bestehende Vorbehalte
zurückgenommen werden. Dies gilt auch für die Kinderrechtskonvention."
Deutlicher kann kaum die Kluft zwischen Worten und Taten der gegenwärtigen Bundesregierung sichtbar werden.
Harry Weber