16.01.2004

Nach wie vor
werden in Deutschland
Kinderrechte mit Füßen getreten

Heute behandelt der UN-Ausschuß für die Rechte des Kindes in Genf den sogenannten Zweit-Staaten-Bericht der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention. Schon bei der Vorlage des Erst-Staatenberichts 1995 durch die Kohl-Regierung hatte der für die Einhaltung und Überwachung der Kinderrechtskonvention zuständige Ausschuß "große Sorge" über die Situation, Behandlung und rechtliche Ausgrenzung von Flüchtlingskindern in Deutschland geäußert und die Anpassung des deutschen Ausländer- und Asylrechts an die Bestimmungen der Konvention angemahnt.

Auch heute werden laut 'Pro Asyl' - unter der "rot-grünen" Bundesregierung - durch die Aufrechterhaltung des sogenannten Ausländervorbehalts den Flüchtlingskindern elementare Rechte vorenthalten. Ihre Schutzbedürftigkeit wird mißachtet und das Kindeswohl, Maxime der Kinderrechtskonvention, wird massiv verletzt. 'Pro Asyl'-Vorstandsmitglied Heiko Kauffmann widerspricht der von "Rot-Grün" vertretenen Auffassung energisch, bei der Vorbehaltserklärung handele es sich im wesentlichen um Erläuterungen, die Fehl- bzw. Überinterpretationen vermeiden sollten: "Die Vorbehaltserklärung enthält keineswegs eine >>Klarstellung<< hinsichtlich der Auslegung des Übereinkommens, sondern im Klartext die konkrete Verweigerung des Schutzes im Sinne des Abkommens gegenüber Flüchtlings- und Migrantenkindern - durch willkürliche Außerkraftsetzung des Gleichbehandlungsgebots und Diskriminierungsverbots". Insofern sei diese Erklärung unzulässig, da sie diametral den Inhalten und Zielsetzungen der Kinderrechtskonvention zuwiderlaufe (Art. 51 Abs. 2 Kinderrechtskonvention).

Unterstützung erfährt die Position von 'Pro Asyl' durch eine aktuelle Stellungnahme des Berliner Völkerrechtlers Professor Dr. Christian Tomuschat. In seiner Stellungnahme für 'Pro Asyl' führt er aus, daß ein solcher Vorbehalt gegen das Übereinkommen für die Rechte des Kindes, "der gegen das Herzstück des menschenrechtlichen Schutzsystems gerichtet ist, in dem er eine Scheidelinie zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen aufrichtet, unter Art. 19 Abs. c) (des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge) fällt. Er ist damit unwirksam..."

Tomuschats Schlußfolgerung lautet, "daß die gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen abgegebene Erklärung nicht in der Lage war, die durch das Zustimmungsgesetz bewirkte Rechtsfolge, daß nämlich der Inhalt des Übereinkommens über die Rechte des Kindes zum Bestandteil des deutschen Rechts [wurde], zu ändern. Die Erklärung [...] sollte aber dennoch im Interesse der Rechtsklarheit zurückgezogen werden."

'Pro Asyl' appelliert an die Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Parteien, ihren Anspruch auf eine menschenrechts- und völkerrechtsfreundliche Politik in Deutschland im Umgang mit Flüchtlingskindern endlich unter Beweis zu stellen und den mehrfachen Forderungen des Bundestages und des Petitionsausschusses zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung und zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention endlich nachzukommen.

Leidvolle Erfahrungen betroffener Flüchtlingskinder untermauern die Notwendigkeit zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung: 16- und 17-jährige Flüchtlinge gelten in der deutschen Praxis als ausländerrechtlich handlungsfähig und "asylmündig". Häufig werden sie bei medizinischen Untersuchungen zur Altersfeststellung entwürdigend behandelt. Gesichtspunkte des Kindeswohls werden durch inadäquate Betreuung, Unterkunft in Sammelunterkünften, Abschiebungshaft und Abschiebungen außer Acht gelassen.

'Pro Asyl' verweist auf den Koalitionsvertrag vom 16.10.2002, in dem es heißt (S. 75): "Wir messen der weltweiten Durchsetzung von Menschenrechten zentrale Bedeutung zu. Internationale Friedenssicherung kann nur mit Schutz und Umsetzung von Menschenrechten erfolgreich sein. Menschenrechtliche Grundnormen sind unantastbar und dürfen unter keinen Umständen außer Kraft gesetzt werden. - Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, daß anstehende Konventionen und Zusatzprotokolle im Menschenrechtsbereich ratifiziert sowie bestehende Vorbehalte zurückgenommen werden. Dies gilt auch für die Kinderrechtskonvention."

Deutlicher kann kaum die Kluft zwischen Worten und Taten der gegenwärtigen Bundesregierung sichtbar werden.

 

Harry Weber

 

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