Mit Hilfe aufwendiger Rechenmodelle und Computer- simulationen konnte in einer neuen Studie der Wirk- mechanismus des
Golfstroms als Wärmepumpe Europas ein Stück weiter aufgeklärt werden. In der aktuellen Ausgabe des
Wissenschaftsmagazins 'nature' werden die Ergebnisse deutscher Forscher ausführlich dargestellt. Die instabile
Klimalage und der mögliche Kollaps des Golfstroms als Wärmepumpe Europas können nunmehr besser eingeschätzt
werden.
Gerrit Lohmann, Klimaforscher an der Uni Bremen, und sein Hamburger Kollege Gregor Knorr haben herausgefunden,
wie der Klimaumschwung am Ende der letzten Kaltzeit vor 15.000 Jahren in Gang kam. Die dabei gewonnenen Einsichten
lassen nun auch Schlußfolgerungen auf die gegenwärtigen Abläufe zu. Denn das Zusammenspiel zwischen Süd- und
Nordatlantik ist auch für das Verständnis des heutigen Klimawandels grundlegend.
Einer der ausschlaggebenden Faktoren beim letzten Klimawandel vor 15.000 Jahren war das Anschmelzen der
Meeres-Eisdecke am Südpol. Die gewaltigen Schmelz- wassermengen verstärkten jene Meeres-Strömungen, die
warmes und recht salziges Wasser bis in die äußersten nördlichen Breiten des Atlantiks transportieren. Der
Golfstrom setzt eine gigantische Wärmepumpe in Gang, deren energetische Leistung den gesamten antropogenen
globalen Energiehaushalt um Zehnerpotenzen übertrifft. Bisher waren die Vorgänge soweit aufgeklärt, daß es in der
Schußphase der letzten Eiszeit zuerst auf der Südhalbkugel wärmer wurde. "Mindestens ein Jahrtausend später,
das ergaben Untersuchungen an grönländischen Eiskernen, hat sich auch der hohe Norden erwärmt", so Lohmann.
"Auf dem Nordatlantik hat sich das Meereis zurückgezogen. Daraufhin sind die großen Inlandeise in Skandinavien,
Grönland und Nordamerika geschmolzen".
Das abschmelzende Meereis im Südpolarmeer bewirkt zweierlei: Zum einen ändern sich in Folge der verschiedenen
Salzkonzentrationen die Dichteverhältnisse der Wassermassen im Südozean. Dadurch wird eine Meeresströmung in
Gang gesetzt, die entlang der südamerikanischen Küste nach Norden in die Karibik fließt und beim Passieren
äquatorialer Breiten Wärme "auftankt". Zum zweiten verstärkt sich der warme und salzhaltige Agulhas-Strom, eine
Meeresströmung, die aus dem Indischen Ozean um das Kap der Guten Hoffnung in den Südatlantik und von dort
weiter Richtung Brasilien und Karibik strömt. Dieser Transportweg war während der Kaltzeit durch die vorgerückten
antarktischen Meereismassen blockiert. Dann erreichen Wärme- und Salzfrachten der beiden Meeres- strömungen
den hohen Norden. Dort ist nach etwa 1.000 Jahren ein kritischer Punkt erreicht. Das jetzt salzigere Nordatlantikwasser
wird, weil es die in den Tropen gespeicherte Wärme an die Atmosphäre abgibt und dadurch abkühlt, so schwer, daß es
in der Grönlandsee wie ein Wasserfall in die Tiefe fällt und nach Süden abfließt. Im Gegenzug wird an der Oberfläche
verstärkt warmes Wasser aus dem Süden "angesaugt". Die "Wärmepumpe" Golfstrom beschert dem hohen Norden
den Anbruch der Warmzeit. "Die Berechnungen zeigen, daß der Golfstrom vor circa 15.000 Jahren quasi auf einen
Schlag wieder ansprang. Das führte dazu, daß die Temperaturen im nordatlantischen Raum um mehr als 6 Grad Celsius
anstiegen", erklärt Lohmann.
"Viele Klimaforscher befassen sich derzeit mit der Frage, ob der Golfstrom als Wärmepumpe für unsere Breiten aufgrund
des vom Menschen verursachten Klimawandels und des dadurch verstärkten Schmelzwassereintrags zukünftig ins Stottern
gerät", meint Lohmann. "In der Klimaforschung ist es wichtig zu untersuchen, wo das Schwungrad des ozeanischen
Förderbandes sitzt und wie es funktioniert". Dabei spiele das Südpolarmeer eine Schlüsselrolle.
Ute Daniels