Noch speisen die Gletscher des Himalaya sieben der größten Flüsse Asiens. Doch die globale Klimaveränderung hat längst auch zu einem dramatischen Abschmelzen der Himalaya-Gletscher geführt. Dies wird zum einen vermehrt gigantische Überschwemmungen wie in den letzten Monaten in China1 zur Folge haben, zum anderen aber auch katastrophale Dürren. Hunderte Millionen Menschen in den betroffenen Ländern sind von einem "stillen Tsunami" bedroht.
Neue wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, daß die globale Klimaveränderung im Himalaya inzwischen tiefgreifendere Folgen zeitigt als in anderen Weltregionen. Fast 95 Prozent aller Gletscher im Himalaya schmelzen ab - und zwar laut neuesten Messungen schneller als die Gletscher anderer Gebirge.2 Dies wird nach Ansicht von ExpertInnen nicht nur für Bhutan, Nepal und Tibet katastrophale Folgen zeitigen, sondern auch für die anliegenden Länder.
Der Himalaya mit seinen vierzehn Achttausender-Gipfeln erstreckt sich über eine Länge von rund 2.500 Kilometern, ist zwischen 150 bis 400 Kilometer breit und bedeckt eine Gesamtfläche von rund 600.000 Quadratkilometern.
Nicht allein in den Riesenreichen Indien und China mit jeweils mehr als einer Milliarde EinwohnerInnen hängen Millionen von Menschen vom Trinkwasser aus den Gletschern des Himalaya ab. Abgesehen vom Polareis stellen sie das größte Trinkwasser-Reservoir der Welt dar.
Bereits im Jahr 2001 warnte der Weltklimarat, daß bei einer globalen Klimaerwärmung um nur 1,45 Grad bis zum Jahr 2100 die meisten Himalaya-Gletscher auf chinesischen Territorium verschwunden wären. Alarmierend war die Analyse der Internationale Kommission für Schnee und Eis (ICSI) in einer Studie von 2005: Wenn die Himalaya-Gletscher weiter im gegenwärtigen Tempo abtauten, würden viele bereits im Jahre 2035 verschwunden sein. Allein der indische Gangotri-Gletscher gehe inzwischen jedes Jahr um 30 Meter zurück.
Das Abschmelzen der Himalaya-Gletscher führt unmittelbar zu zu Fluten, Lawinen und Erdrutschen. Besorgt beobachten Experten, dass sich seit einigen Jahren viele Gletscherseen rasant füllen. So staut sich das abgeschmolzene Eis zwischen Gletscherschnauzen und Moränenwällen auf. Bricht einer dieser natürlichen Stauseen, ergießen sich in kürzester Zeit gewaltige Wassermassen in die Flüsse und in die Täler. Das Wasser könnte ganze Dörfer wegreißen.
Anschauungsmaterial lieferte im September 2002 ein Felssturz im Kaukasus. Dort waren zwei Millionen Tonnen Gestein abgestürzt und fielen auf den Kolka-Gletscher. Der Gletscher brach daraufhin vom Hauptkamm des Kaukasus ab und begann eine Höllenfahrt in die russische Teilrepublik Nordossetien. Die Lawine aus Eismassen, Schlamm und Geröll tötete dort 33 Menschen und verwandelte ein ganzes Tal in eine Mondlandschaft.
Besonders gefährdet sind Nepal und Bhutan. In Bhutan sollen sich mehr als 2.600 Gletscherseen gebildet haben und in Nepal 2.300. In Bhutan kam es 1994 zu einem Gletscherseebruch, als Wasser und Geröll die Stadt Lunana unter sich begruben und zerstörten. Als Folge der globalen Erwärmung sind in Bhutan laut offiziellen Zahlen bereits 24 Gletscherseen gefährlich hoch angeschwollen. In Nepal sieht es ähnlich aus. ExpertInnen äußerten die Befürchtung, daß solche Gletscherseen bereits in den nächsten Jahren brechen könnten.
Nach und nach werden beim jetzigen Trend die Gletscher so weit abschmelzen, daß in den umliegenden Ländern verheerende Dürreperioden ausbrechen. Ohne den Nachschub von Schmelzwasser drohen viele Flüsse zu Rinnsalen zu verkommen oder ganz auszutrocknen. Besonders gefährdet sind die sieben großen Flüsse Asiens - der heilige Ganges in Indien, der Brahmaputra, der Huang He und der Jangtse in China, der Indus, der Mekong in Vietnam und der Salween.
Diese Flüsse stellen die Lebensadern für unwiederbringliche Pflanzen- und Tier-Lebensräume und für über zwei Milliarden Menschen dar. Ihre Bedeutung für die Bewässerung der Felder und so für die Nahrungsmittelversorgung sind kaum abzuschätzen. Der Verlust des Eises würde beispielsweise dem Ganges von Juli bis September zwei Drittel seiner Wasserzufuhr rauben - und dies hätte Wassermangel für 500 Millionen Inder und 37 Prozent von Indiens bewässertem Land zur Folge.
Fluten und Dürren sind jedoch nicht die einzigen Folgen. Das Abschmelzen der Himalaya-Gletscher greift empfindlich in das gesamte Wechselspiel der Natur ein. Nicht nur viele Pflanzen- und Tierarten könnten aussterben. Die Erosion des Himalaya würde rapide zunehmen. Auch der Monsun3, die jährliche Regenzeit, die den Bauern das begehrte Wasser für die Felder beschert, verändert sich bereits einschneidend.
Schon heute streiten verschiedene indische Bundesstaaten erbittert um die knappen Wasser-Reserven. So ist beispielsweise der Stadtstaat Delhi bei der Wasserversorgung von den Nachbar-Bundesstaaten abhängig. Der Konflikt um das "blaue Gold" dürfte sich in den nächsten Jahren massiv verschärfen.4
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch unseren Artikel:
Jahrhundertüberschwemmungen in China
Wetter-Chaos weltweit (12.07.07)
2 Siehe hierzu auch unseren Artikel:
Alpen zerbröseln
Klimakatastrophe rückt näher (5.10.06)
3 Siehe hierzu auch unseren Artikel:
Klimakatastrophe und Monsune
Dürreperioden und sintflutartige Niederschläge wechseln sich ab
(2.12.06)
4 Siehe hierzu auch unseren Artikel:
Wasser, globale Umweltzerstörung und Klimakatastrophe (14.05.07)