25.08.2007

Kabinettsklausur
in Schloß Meseberg

Ein Gipfel an Klima-Heuchelei

Symptomatisch für die "schwarz-rote" Kabinettsklausur in Schloß Meseberg war die kleine Episode mit dem Wasserstoff-Bus zu Beginn. Was sonst kaum an die Öffentlichkeit gerät, weil die Angst, es sich mit RegierungsvertreterInnen zu verscherzen, in der Regel zu groß ist, kam zutage, weil "Umwelt"-Minister Gabriel allzu dumm und zugleich arrogant agierte.

Professor Adolf Müller-Hellmann hatte sich wohl im Vertrauen auf endlich ernstgemeinte Klima-Versprechungenen eine hübsche publikumswirksame Aktion ausgedacht. Als Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen bot er Sigmar Gabriel - sicherlich hätte auch das gesamte Kabinett Platz gefunden - einen klimafreundlich mit Wasserstoff angetriebenen Linienbus der Berliner Verkehrsbetriebe zur Fahrt nach Schloß Meseberg an. Gabriel war auch zunächst einverstanden, sagte sein Kommen jedoch wenige Minuten vor der Abfahrt ab. Müller-Hellmann machte seinem Ärger öffentlich Luft: "Das ist eine Frechheit." Schließlich hatte er für die Aktion seinen Urlaub unterbrochen. Die Begründung der Absage war um so dümmer, zumal Gabriel die PR-Aktion zuvor intern hätte abklären müssen: "Herr Gabriel kann aus Rücksicht auf die Kabinettskollegen nicht mit dem Bus fahren", beschied der Sprecher des Ministers.

Der tatsächliche Hintergrund der Affaire dürfte weniger darin zu suchen sein, daß die übrigen Kabinetts-KollegInnen lieber mit den Dienstlimousinen nach Schloß Meseberg reisten - "was tut man nicht alles für gute PR" - sondern in dem peinlichen Umstand, daß auf diese Weise die überdimensionierten Limousinen des Bundes-Fuhrparks ins Scheinwerferlicht hätten geraten können. Das hatte Gabriel wohl nicht bedacht - und so wurde er von Kanzlerin Merkel im letzten Moment hochstpersönlich zurückgepfiffen.

Kaum eines der leeren Versprechen der letzten Jahre und Jahrzehnte ist noch in der Öffentlichkeit präsent und läßt sich in ein griffiges Bild übersetzen. Um so deutlicher wird der Gegensatz zwischen Schein und Sein in Anbetracht der spritschluckenden Luxuskarossen. Schon zu Zeiten von "Rot-Grün" war dies so peinlich, daß das Thema in den Mainstream-Medien über Jahre tunlichst vermieden wurde. 2004 lag der durchschnittliche Verbrauch der Regierungs-Dienstfahrzeuge mit Benzinmotoren bei 11,8 Liter pro 100 Kilometer. Doch ebenso wie "Rot-Grün" gegenüber der Vorgängerregierung unter Kohl mit Protz noch zugelegt hatte, steigerte "Schwarz-Rot" in allen Ministerien die Motorenleistung und damit den Spritverbrauch auf durchschnittlich 12,6 Liter pro 100 Kilometer (2006). Auch das Bundes-"Umwelt"-Ministerium machte da keine Ausnahme - ganz im Gegenteil. Sowohl Kraftstoffverbrauch (plus 0,71 Prozent) als auch Motorenleistung (plus 1,28 Prozent) nahmen im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr weiter zu. Der Dienstwagen von "Umwelt"-Minister Gabriel ist mit einem Kohlendioxid-Ausstoß von 249 Gramm pro Kilometer alles andere als ein Klimaschutz-Weltmeister.

Nachdem nun - wie nicht anders zu erwarten - nach der Kabinettsklausur in Schloß Meseberg erneut ein Katalog von Klima-Maßnahmen verkündet wurde, ist die Kritik aus den Reihen der Umweltverbände recht merkwürdig. Da mahnt beispielsweise Greenpeace in einer aktuellen Pressemitteilung an, die "schwarz-rote" Bundesregierung müsse "konsequentere Maßnahmen durchzusetzen, damit das Ziel erreicht wird". Dabei hat die Bundesregierung - ebenso wie ihre Vorgängerin - nicht eben wenig, sondern viel getan - und dies konsequent: Als einer der Hauptverursacher des Klimawandels wurde der Straßenverkehr - wie gewohnt - mit Subventionen verwöhnt, während die klimafreundliche Bahn im Vergleich dazu auf Diät gesetzt bleibt.1

So ist es auch kein Zufall, daß ausgerechnet der Chef des Energie-Konzerns und AKW-Betreibers Vattenfalls, Lars Göran Josefsson, klimapolitischer Berater von Bundeskanzlerin Merkel ist. Wie kaum ein anderer der vier den deutschen Strommarkt beherrschenden Oligopolisten - neben dem dem in Schweden residierenden Vattenfall-Konzern sind dies RWE, E.on und EnBW - steht Vattenfall für die extrem klimaschädliche Braunkohle, für die Planung neuer Steinkohlekraftwerke und für das Festhalten an Atomkraftwerken. Ist es da verwunderlich, wenn bis zum Jahr 2012 in Deutschland der Bau von 26 Kohlekraftwerken geplant ist, die jährlich 140 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen werden?

In Hamburg beispielsweise will Vattenfall ein Steinkohlekraftwerk mit einer Leistung von rund 1.600 Megawatt bauen. Ein weiteres Beispiel: Die örtlichen Stadtwerke wollen am Standort Lausward im Düsseldorfer Hafen ein neues 400-Megawatt-Steinkohlekraftwerk bauen. Die importierte Steinkohle, die in diesem Kraftwerk verheizt werden soll, müßte zudem um den halben Erdball transportiert werden. Die Errichtung des Kraftwerkes würde die klimaschädliche Stromerzeugung für mehr als 40 Jahre festschreiben. Hintergrund ist, daß EnBW kürzlich die Mehrheit an den Düsseldorfer Stadtwerken erworben hat.

Rund 67 Prozent der Deutschen hatten sich kürzlich in einer Forsa-Umfrage gegen die Errichtung neuer Kohlekraftwerke ausgesprochen. Aus Unzufriedenheit mit der Politik ihres Energieversorgers wechseln immer mehr Menschen zu einem anderen Anbieter. Der Wechsel zu einem Ökostromanbieter dauert nur fünf Minuten und ist völlig unkompliziert.2

Doch die von der Bundesregierung zu verantwortende Übergangsregelung zum zukünftigen Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten ist ursächlich dafür, daß die vier Oligopolisten bis zum Stichjahr 2012 die genannten 26 neuen Kohlekraftwerke bauen wollen. Im Vergleich zu dem allein hierdurch provozierten gigantischen Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen stehen die nun in Schloß Meseberg angekündigten Reduzierungsmaßnahmen - so sie denn je ernsthaft umgesetzt würden - in keinem Verhältnis.

Um die angekündigten Maßnahmen in den nächsten Jahren mit den realen Taten der Bundesregierung vergleichen zu können, seien sie hier dokumentiert. Sigmar Gabriel hebt als die vier wichtigsten Teile des Maßnahmen-Katalogs hervor:

1. Massiver Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien entsprechend den Vorgaben des Bundesumweltministeriums. Beim Strom aus erneuerbaren Energien wurde ein Ausbauziel von 25 - 30 Prozent bis 2020 genannt. Gleichfalls soll bis 2020 der Anteil der erneuerbaren Energien am Wärmebedarf auf 14 Prozent gesteigert werden. "Abgerundet" werden sollen die Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien durch ein Biogaseinspeisegesetz. Damit soll erreicht werden, daß in Zukunft Biogas "verstärkt" als Kraftstoff und in Kraftwerken eingesetzt werden kann.

2. Massiver Ausbau der umweltfreundliche und besonders effiziente Erzeugung von Strom und Wärme in KWK-Anlagen (KWK = Kraft-Wärme-Kopplung, beispielsweise in Blockheizkraftwerken, deren Bau in den letzten zehn Jahren massiv behindert wurde). Mit einer Novellierung eines Gesetzes soll Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis zum Jahr 2020 auf 25 Prozent verdoppelt werden. Unterlegt werden soll dies durch ein durchschnittliches Fördervolumen von 750 Millionen Euro. (Ein Zeitraum wird nicht genannt) Auch der Ausbau der Nah- und Fernwärme soll mit einem Investitionszuschuß von bis zu 20 Prozent und einem Volumen von 150 Millionen Euro in die Förderung einbezogen werden.

3. In "Riesenschritten" sollen die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden erhöht werden. (Wer dies bezahlen soll, wird verschwiegen.) In "einem ersten Schritt" sollen die energetischen Anforderungen an Gebäude im kommenden Jahr (2008) um 30 Prozent erhöht werden, in einem zweiten Schritt bis 2012 nochmals um die gleiche Größenordnung. (Dies wäre zwar wunderschön, wird aber weder von privaten HausbesitzerInnen, noch von öffentlichen Bauträgern ohne entsprechende Finanzmittel sicherlich nicht realisiert.) Bei Altbauten sollen für EigentümerInnen energetische Mindeststandards für Gebäude festlegt werden, die seine Instandhaltungspflicht konkretisieren. (Auch hier macht die Bundesregierung Versprechungen auf Kosten anderer.) Im Übrigen soll das "erfolgreiche" Gebäudesanierungsprogramm fortgeführt und "nach Möglichkeit" finanziell aufgestockt werden.

4. Die Bundesregierung kündigt an, die Mittel für den Klimaschutz "drastisch" zu erhöhen. Für das Haushaltsjahr 2008 stünden für die Klimapolitik im Bundeshaushalt insgesamt 2,6 Milliarden Euro (einschließlich "bis zu 400 Millionen Euro" aus der Veräußerung von Emissionszertifikaten) zur Verfügung. Dies seien 1,8 Milliarden Euro mehr als im Haushalt 2005 und entspreche somit einer Steigerungsrate von rund 200 Prozent.

Wie auf die heutige "schwarz-rote" Bundesregierung maßgeschneidert, paßt folgendes Zitat:

"You can fool some people all the time, you can even fool all the people some time, but you can't fool all the people all the time."
- übersetzt:
"Ihr könnt einige Leute für alle Zeit zum Narren halten, ihr könnt sogar alle Leute einige Zeit zum Narren halten, aber ihr könnt nicht alle Leute für alle Zeit zum Narren halten."
(Abraham Lincoln, 1865)

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

      Verkehr verursacht 80 Milliarden Euro an externen Kosten
      Staat subventioniert Straßenverkehr und fördert Klimakatastrophe
      (8.05.07)

      Ökosteuer wirkungslos
      Heuchelei beeindruckend (16.04.07)

2 Siehe den Aufruf:

      Atom-Ausstieg selber machen!

 

neuronales Netzwerk