13.02.2005

Artikel

Ecuador
Gift-Krieg gegen Unbeteiligte

In ihrer Wochenend-Ausgabe berichtet die Süddeutsche Zeitung über einen Krieg und seine "Nebenwirkungen", der in den großen Medien nur selten Beachtung findet.

Die Journalistin Uschi Treffer berichtet aus Ecuador, aus einem kleinen Dorf im Grenzgebiet des Amazonas an der Grenze zu Kolumbien: San Fransisco II. Dieses Dorf liegt an der sogenannten Koka-Straße, einer Schotterpiste, die durch teils steiles hügeliges Waldgelände führt. Es liegt in einer gefährlichen Gegend, da sich dort SchmugglerInnen und Guerilla-KämpferInnen herumtreiben. Im benachbarten Kolumbien tobt der Drogen-Krieg.

Seit Jahrzehnten stammt rund 80 Prozent des weltweit verbreiteten Kokains aus Kolumbien. Das zerrissene Land ist in einem chaotischen Zustand. Nur Teile werden von einer von der US-Regierung kontrollierten Zentralregierung verwaltet, andere werden von einer angeblich linken Terror-Gruppe, der Farc (Fuerzas Armadas Revolucionarias Columbianas) gehalten, wieder andere von angeblich rechten Paramilitärs. Farc und Paramilitärs, vermutlich jedoch auch die formelle Regierung finanzieren sich und ihren Machtkampf hauptsächlich aus dem Kokaingeschäft.

Und ebenfalls bereits seit Jahrzehnten verdienen große Chemie-Konzerne daran, daß ohne jeden Erfolg regelmäßig große Gebiete von Flugzeugen aus mit Herbiziden eingesprüht werden. Dieser Gift-Einsatz soll angeblich dazu dienen, ähnlich wie in Vietnam das schützende Urwalddach über den Nachschubwegen der Guerilla zu entlauben und die Koka-Plantagen zu vernichten.

Verstärkt wurde dieser Einsatz im Jahr 2000, als der damalige US-Präsident Bill Clinton und sein kolumbianischer Kollege Andres Pastrana den umstrittenen Plan Colombia entwarfen. Für den Gift-Einsatz und militärische Hilfe stellte der US-Kongress im selben Jahr 1,3 Milliarden Dollar bereit. Der Plan läuft in diesem Jahr aus, aber US-Präsident George W. Bush will ihn unbeirrt weiterführen. Bereits im vergangenen November sagte Bush dem heutigen kolumbianischen Regierungs-Chef Alvaro Uribe bei einem Kurzbesuch weitere Hilfe für die nächsten Jahre zu.

Und so wird vermutlich auch in Zukunft weiter ungehindert Kokain die Welt überschwemmen und das kleine Dorf San Francisco II unter einem immer wiederkehrenden Gift-Regen zu leiden haben. "Hier sterben die Menschen, sie sterben einen langsamen Tod, und niemanden interessiert es", klagen die Kichua-Bauern auf dem Dorfplatz der deutschen Reporterin ihr Leid. Uschi Treffer berichtet von Flugzeugen, die auch über San Francisco II alle zwei bis drei Wochen ihre giftige Fracht entladen. Der Gift-Cocktail aus Herbiziden bestehe hauptsächlich aus Glifosat, das nicht nur Pflanzen und Tieren, sondern auch Menschen Krankheit und Tod bewirkt. Verkauft wird Glifosat mit dem Hinweis, daß Menschen damit nicht in Berührung kommen sollen. Es drohten sonst Reizungen von Haut und Augen, Übelkeit und Atemnot.

Die BewohnerInnen von San Francisco II haben weder mit Guerillas noch mit Drogen etwas zu tun, doch das schützt sie nicht vor dem Gift-Regen. Bei einer Rundfahrt durch die Felder zeige eine der Bauerinnen, Delia Prieto, der deutschen Journalistin die Folgen des Gift-Regens: Von den Banaenstauden sind nur noch vertrocknete Blätter und schwarze krumpelige Früchte übrig. Sie zieht Maniok aus der Erde. Die Wurzel zerbröselt ihr in der Hand. "Mais, Kaffee, Maniok, Banane, alles tot", sagt die Bäuerin. "Viele bauen hier überhaupt nichts mehr an, denn sie wissen ja nicht, wann die Flieger das nächste Mal auftauchen."

Nicht nur die Pflanzen sterben, auch die Tiere. "Von meinen 15 Katzen blieb mir nicht eine", erzählt Delia Prieto. Auch Hunde, Hühner, Schweine und Kühe starben. Was überlebt hat, läßt sich nicht verkaufen. So wurde den Bauern im Grenzstreifen durch die regelmäßigen Besprühungen aus der Luft die Lebensgrundlage entzogen.

Aber das ist nicht alles. Die 52-jährige Bäuerin Victoria Ribadenaira zeigt auf die schwarzen Flecken auf ihrem Bauch, sie leidet unter Kopfschmerzen, Fieber und Erbrechen. Der Arzt diagnostizierte eine akute Vergiftung. Aber wer sollte den verordneten Blutaustausch bezahlen? Bauer Julio Diez nimmt seinen Hut ab. Der Hinterkopf ist voll von daumengroßen Geschwüren. Kein Medikament hat geholfen. Jose Macario Bones Körper ist von Hautausschlägen übersät. Seine Frau behandelt sie mit Öl, das verschafft etwas Linderung. Segundo Rocendo Andrade holt das Foto seines Sohns aus der Hütte. Der Neunjährige starb im vergangenen Jahr innerhalb von drei Monaten. Allein in San Fransicso II starben in Folge der Herbizid-Besprühungen acht Kinder.

Was die Bauern erzählen, hat der spanische Arzt Alfredo Maldonado für die ecuadorianische Umweltinitiative 'Accion Ecologica' und für Menschenrechtsgruppen wissenschaftlich untersucht. Sein Ergebnis: Während der Besprühungen leiden die EinwohnerInnen unter akuten Vergiftungserscheinungen. Langfristige Folgen sind eine zerstörte Erde und kontaminiertes Wasser, Magen-, Darm-, Nerven- und Hautkrankheiten, Abgänge in der Schwangerschaft, Zerstörung der roten Blutkörperchen, Krebs, Mißbildungen, genetische Schäden.

Der Tropenmediziner hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen in langen Berichten zusammengefaßt. Er glaubt, wie viele im Land, hier gehe es vor allem um die Interessen der USA. Die Strategie zur Drogenbekämpfung sei aber längst gescheitert, sagt er. Auf Hilfe der Regierung brauchen die Bauern in San Fransisco II nicht zu hoffen. Präsident Lucio Gutierrez ließ zwar eine Kommission zur Untersuchung der Gesundheitsschäden einrichten. Aber an deren Glaubwürdigkeit zweifeln sogar seine eigenen Abgeordneten, und im Zweifelsfall ist ihm der Applaus aus Washington oder Bogota wichtiger als die Bevölkerung.

Auch Ecuador erhält immer wieder Brosamen aus dem Milliardenbudget der USA für den Plan Colombia, dafür patrouillieren einige tausend ecuadorianische Soldaten im Grenzstreifen zu Kolumbien. Wer kann, geht deshalb weg von dort. In der Region wurden in den vergangenen Jahren 25 Schulen geschlossen. Eduardo Olmedo Aviles ist geblieben. Er hat keine Verwandten anderswo, die ihn aufnehmen könnten. Und er sieht nicht ein, warum er gehen sollte: "Ich bin schließlich Ecuadorianer. Ich habe ein Recht auf ein würdiges Leben in meinem Land."

 

Solveig Brendel
nach einem Bericht von Uschi Treffer

 

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