22.06.2003

Was macht den Kongo
plötzlich so interessant?

Was den Kongo schon seit Jahrzehnten äußerst interessant macht, sind seine enormen Bodenschätze: Diamanten, Uran, Gold, Kupfer und Kobalt, das für die Elektronik-Industrie und speziell die Handy-Produktion wichtige Coltan, erst kürzlich entdeckt: Erdölvorkommen. An Diamanten und Gold bietet der Kongo die bekannter Maßen größten Vorkommen weltweit. Kobalt stammte einst zu über 60 Prozent aus dem Kongo. Das große Land im Herzen Afrikas könnte eines der reichsten Länder der Erde sein; doch der Reichtum wurde ihm zum Verhängnis. Ein UN-Bericht zur illegalen Ausbeutung der Rohstoffe im Kongo stellt fest, daß das Ziel des Krieges im Kongo die Kontrolle und die Ausbeutung von fünf namentlich genannten Rohstoffen ist: Diamanten, Gold, Kupfer, Kobalt und Coltan.

Die Bodenschätze des Kongo

Während der vergangenen sechs Jahre führten die verschiedensten Mächte einen permanenten Krieg im Kongo, dem rund 3,3 Millionen Menschen zum Opfer fielen.1 Dennoch blieb der Kongo - und Afrika insgesamt - bis vor kurzem aus dem Blickfeld der Weltöffentlichkeit ausgeblendet. Weltweit agierende Konzerne, deren Profite auf der billigen Ausbeutung von Rohstoffen basieren, reagieren ungehalten, wenn allzuviel Licht auf die dunklen Quellen ihrer Prosperität fällt.

Auch die US-amerikanische Regierung weiß um die Sorgen der Konzerne. Hinzu kommt, daß viele Rohstoffe wie beispielsweise Coltan nicht nur für die zivile, sondern besonders für die militärische Produktion zu den "unverzichtbaren" Rohstoff zählt. Coltan - die Abkürzung von Colombo-Tantalit - enthält das seltene Metall Tantal. Dieses extrem hitze- und säurebeständige, einfach zu verarbeitende Edelmetall wird für die Produktion von Handys, Flugzeugmotoren, Airbags, Nachtsichtgeräten und Kondensatoren verwendet. Insbesondere in der Raumfahrttechnik und bei High-Tech-Waffen spielt der Stoff eine wichtige Rolle. Das Pentagon stuft Tantal als "strategischen Rohstoff" ein.

Wenn sich weder am seit Jahrzehnten bekannten Rohstoffreichtum, noch am permanenten Massenmord etwas geändert hat, muß etwas Neues hinzugetreten sein, das den Kongo nun plötzlich in den Fokus der europäischen Politik rückt.

Der US-Regierung, die gerade erst einen Krieg geführt hat, bei dem ein anderer strategischer Rohstoff keine unerhebliche Rolle spielte, bereitet der Irak noch ein wenig Verdauungsprobleme. Und zudem hat sie in Australien eine sicherere Coltan-Qelle aufgetan. Ein afrikanisches Sprichwort besagt: Wenn die Löwen gefressen haben, kommen die Hyänen. So scheint es für das zu Weltmachtgeltung strebende Europa unter französisch-deutscher Führung eine unwiederbringliche Gelegenheit, den Kongo in seine Kontrolle zu bringen.

Das aus christlichen Organisationen bestehende 'Netzwerk Afrika Deutschland' bemerkt hierzu in einem seiner jüngsten Rundbriefe: "Uganda und Ruanda (die beiden bedeutendsten der in die Kriege um den Kongo involvierten Nachbarstaaten, d. Verf.) - obwohl unter sich verfeindet - gelten als Verbündete der Vereinigten Staaten in Zentralafrika. Dies hat auch mit den großen Erdölvorkommen der Region zu tun, die vom Südsudan über Norduganda bis tief in den Osten des Kongo hineinreichen. Washington hat als einzige verbliebene Weltmacht ein großes Interesse daran, sich diese Ölvorkommen langfristig zu sichern. Vor allem Ugandas Präsident Museveni gilt dabei als Schlüsselfigur, auch im Kampf gegen das islamistische Regime im Sudan. (...) Die Welt ist aber im Augenblick so auf den Irak und den gesamten Nahen und Mittleren Osten fixiert, dass sie den Konflikt im Kongo kaum wahrnimmt."

Neben dem Verdauungsschlaf der Weltmacht spricht auch ein weiterer Grund dafür, daß es sich beim Kongo um eine günstige Gelegenheit handelt. Die lokalen Mächte haben sich in den jahrelangen Kämpfen gegenseitig so weit aufgerieben und ihre Finanzmittel zum Kauf von Waffen sind durch sinkende Weltmarktpreise für die Schätze des Kongo so weit geschrumpft, daß der Kongo als fette Beute fast ohne Gegenwehr - so die Hoffnung - in die Fänge der EU-"Friedens"-Krieger fallen dürfte.

Und noch ein dritter Aspekt spricht für eine aktuell günstige Gelegenheit, sich im Kongo zu engagieren. Frankreichs und Deutschlands Regierungschefs konnten sich in der Weltöffentlichkeit als Gegner des Irak-Kriegs und Friedensfürsten präsentieren. Und dies obwohl von Seiten der Friedensbewegung einige Fakten veröffentlicht wurden, die belegen, daß Frankreich und Deutschland, wenn auch verdeckt, entscheidende militärische Hilfe beim Irak-Krieg leisteten. Es bietet sich nun an, dieses Friedens-Image für einen Griff nach dem Kongo zu nutzen. Die französische und die deutsche Regierung dürfen hoffen, ihren Zugriff auf den Kongo als "Friedens-Einsatz" kommunizieren zu können. Wird insbesondere der Einsatz deutscher Truppen - zunächst dementiert, dann lediglich im benachbarten Uganda stationiert - behutsam ausgeweitet, ist es eine durchaus eine realistische Option, daß eine von den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg noch erschöpfte und demoralisierte Friedens- bewegung an einem peace-verblümten Kongo-Einsatz keinen Anstoß nimmt.

Dabei war bereits in den vergangenen Jahren, obwohl der breiten Öffentlichkeit verborgen, einiges über die Interessen internationaler und speziell deutscher Konzerne am Kongo durchgesickert. An die hundert Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sind erschienen, die am Beispiel Coltan die Verbindung zwischen den Industrienationen und dem Krieg im Kongo dargestellt haben. Und besonders die auf allen Stationen der Kette zwischen dem Kongo und Europa mitmischenden Deutschen waren allzu auffällig. Auch über die Rolle der deutschen Konzerne Bayer und Siemens wurde bereits mehrfach berichtet. Doch offensichtlich war andererseits das Interesse an diesem Thema angesichts steigender Aktienkurse am neuen Markt und immer besserer Telefone und Spielkonsolen zu Beginn des dritten Jahrtausends recht gering. Auch eine Kampagne von Menschenrechtsgruppen mit dem Slogan "Kein Blut für Handys" zeigte keine Wirkung.

So wissen selbst heute noch die wenigsten Menschen in den Industrieländern, daß ihr kleines und leichtes, billiges und leistungsstarkes Handy auf der Ausbeutung der Coltan-Minen im Kongo basiert und mit dem Erlös für den Stoff die Plünderungsfeldzüge der Besatzungsländer Ruanda und Uganda finanziert werden. 1999 lag der Weltmarkt-Preis für ein Kilogramm Coltan noch bei 30 Dollar, zwei Jahre später infolge des IT-Booms bereits bei 760 Dollar. Inzwischen ist der Preis wieder gesunken und statt Tantal wird in Zukunft vermutlich das Element Niob vermehrt eingesetzt. Vom Microchips- Produzenten Epcos, einer Siemens-Tochter, heißt es: "Mit Niob-Kondensatoren werden Werte erreichbar sein, die höchstkapazitative Tantal-Kondensatoren um den Faktor 2 bis 3 übertreffen". Die Lage des Kongo wird dies nicht lindern. Denn Niobium, auch Colombium genannt, ist der andere Bestandteil von Coltan.

Mehrere wissenschaftliche Studien zur Coltan-Ausbeutung im Kongo wurden in den vergangenen Jahren vorgelegt und in nahezu allen wurde ein Embargo für kongolesisches Coltan empfohlen. Uganda und Ruanda sollten den schwarzen Sand nicht mehr verkaufen dürfen, weil sie damit ihre Waffenkäufe finanzieren. Auch eine Untersuchungskommission der UN kam zu diesem Ergebnis und empfahl sogar darüber hinaus, daß auch keine Diamanten und Urwaldhölzer mehr aus dem Kongo, aus Ruanda und Uganda exportiert werden dürften. Bekannt ist beispielsweise, daß die Diamantenexporte Ruandas in den letzten Jahren sprunghaft stiegen, obwohl Ruanda keinerlei Diamantenvorkommen vorweisen kann. Und das Gold, das Uganda exportiert, stammt zu fast 100 Prozent aus dem Kongo. Auch die Einnahmen aus diesen Geschäften fließen weit überwiegend in Waffenkäufe - also in die Taschen der reichen Länder zurück und bewirken in Afrika nur Krieg, Elend und Hunger.

Ein Blick in die Geschichte des Kongo zeigt beispielhaft wie ein an Bodenschätzen reiches Land zum Spielball äußerer Mächte wurde. Als zu Beginn des Kolonialismus Afrika wie ein großes Stück Kuchen unter den europäischen Mächten aufteilt wurde, fiel der Kongo an König Leopold von Belgien. Unter dem Deckmantel der Zivilisierung (heute heißt dies "Verhinderung einer humanitären Katastrophe") war die belgische Herrschaft selbst im Vergleich zu den anderen grausamen europäischen Herrschaften extrem barbarisch. Die Beute bestand damals in der Hauptsache in Elfenbein und Gummi und bescherte Belgien unermeßlichen Reichtum. Dafür wurden allein in den ersten 30 Jahren belgischer Herrschaft im Kongo 15 Millionen Menschen ermordet.

Dem Kongo gelang es erst 1960 das belgische Kolonial-Regime wenigstens dem Namen nach zu beenden. Die "Zivilisation" zeigte sich nun darin, daß kaum noch eine Infrastruktur bestand. (Eine ähnliche Situation ist heute in Afghanistan zu bewundern.) Belgien hatte lediglich das zum Abtransport der Schätze unabdingbar Minimum an Verkehrswegen aufgebaut. 1960 besaßen im Kongo weniger als 30 Einheimische einen College-Abschluß. Es gab einen einzigen einheimischen Arzt, einen einzigen einheimischen Ingenieur. Und das Ende der Kolonial-Herrschaft bedeutete zunächst, daß große belgische Konzerne über Holdings die Kontrolle zu erhalten versuchten. Zusammen mit der US-amerikanischen Regierung (zunächst Eisenhower, dann - nicht weniger engagiert - Kennedy) versuchte die belgische Regierung ihren Einfluß im Hintergrund aufrecht zu halten.

Trotzdem gewann zu ihrem Mißvergnügen ein unabhängiger Kopf, der sich weder vom Westen noch von der UdSSR einspannen lassen wollte, die Wahl zum ersten Premierminister des Kongo. Patrice Lumumba, ein junger Autodidakt, wurde am 30. Juni 1960 im Alter von 36 Jahren Regierungs-Chef des neuen unabhängigen Staates. Er wollte die Bodenschätze - das Uran zum Bau der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki stammte aus dem Kongo - der Kontrolle der ausländischen Mächte entziehen. Aber seine Amtszeit dauerte nur zwei Monate. Es ist inzwischen einiges Material zu Tage gekommen, das belegt, daß Patrice Lumumba vom belgischen Geheimdienst und mit aktiver Unterstützung des CIA ermordet wurde.

Nach Lumumbas Tod installierte der CIA 1965 den Diktator Mobutu Sese Seko, der 32 Jahre lang an der Macht bleiben konnte. Mobutu, der USA stets zu treuen Diensten, taufte das Land in 'Zaire' um, ließ unzählige Menschen ermorden und hortete ein Vermögen von zuletzt 5 Milliarden Dollar.2 Dies war nicht zu einem geringen Teil der Lohn der USA für Mobutus Kampf gegen von der UdSSR unterstützte "Kommunisten" während der Zeit des Kalten Krieges. Denn in Afrika war dieser Krieg keineswegs kalt; ein Adjektiv, das lediglich den fehlenden direkten militärischen Kampf im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg illustrieren sollte. USA und UdSSR lieferten sich überall in Afrika (und nicht nur dort) Stellvertreter-Kriege - und verdienten gut daran.

Als Ende der 80er Jahre der Stern der UdSSR zu sinken begann und diese schließlich 1991 zusammenbrach, wendeten sich die "sozialistischen", der UdSSR hörigen Regimes dem "freien Markt" und dem Neoliberalismus zu. Diese Entwicklung wurde kräftig mit Hilfe des IWF (Internationaler Währungsfond) und anderer institutioneller Instrumente gefördert. Das korrupte Mobutu-Regime hatte seinen Zweck erfüllt und war nunmehr zu teuer geworden. Dieses Regime hatte für eine Führungsschicht von rund tausend Familien das Land bis aufs Letzte ausgepreßt. In den letzten 10 Jahren des Mobutu-Regimes floß kaum noch Geld in die Infrastruktur. Der Urwald überwucherte die Straßen. Die Kanalisation und Wasserversorgung der Städte brach genauso zusammen wie die Stromversorgung und das Telefonnetz. Kliniken bekamen keine Medikamente mehr, Schulen keine Mittel. Starke Einbrüche erlitt die Wirtschaft des Kongo durch zwei Plünderungswellen 1991 und 1993.

Nach dem Motto "Der Moor hat seine Schuldigkeit getan - der Moor kann gehn", wurde Mobutu 1997 einer von Ruanda aus gestützten Rebellenbewegung unter Führung Laurent Kabilas zum Fraß vorgeworfen. Kabila war über illegale Diamanten-Geschäfte zum regionalen War-Lord aufgestiegen. Über ihn waren Diamanten billiger zu haben und seine Nachfrage auf dem internationalen Waffenmarkt stellte die Mobutus weit in den Schatten.

Als daraufhin der (später so genannte) "Erste Weltkrieg Afrikas" begonnen wurde und sich Armeen, Söldnerheere und Milizen aus Angola, Sambia, Namibia, Simbabwe, Uganda und Ruanda mit Kabilas Regime um die fette Beute stritten, nahm die Weltöffentlichkeit davon praktisch keine Notiz. Der Kongo zerfiel und gleicht in weiten Teilen einem Flickenteppich. In wechselnden Gebieten versuchen ungezählte Milizen zusammen mit ausländischen Auftraggebern so viel Land und Bodenschätze wie möglich zu erobern. Die Zahl der Getöteten lag allein beim Krieg im Kongo innerhalb der letzten 6 Jahre bei 3,3 Millionen und im Sudan bei 2 Millionen.

Auch nachdem im Jahr 2001 Laurent Kabila einem Mordanschlag zum Opfer fiel und sein Sohn Joseph Kabila seine Rolle übernahm, ging das Schlachten unvermindert weiter. Es setzte sich fort bis zu den Massakern in Ituri, von denen nun plötzlich so viel berichtet wird.

1994 ereignete sich der Genozid in Ruanda, der rund eine Million Menschenleben forderte. Weder die USA (damaliger US-Präsident war Bill Clinton, der in Somalia im Jahr zuvor aus angeblich humanitären Gründen eingegriffen hatte), noch Frankreich interessierten sich dafür. Zwei Monate dauerte das Guinessbuch-Rekord-verdächtige Massenmorden durch die Regierung der Hutus (eine der Ethnien in Ruanda), eine Regierung, die lange Zeit von Frankreich protegiert worden war. Die Opfer gehörten weit überwiegend der Ethnie der Tutsi an. Dann kam eine Tutsi-geführte Regierung in Ruanda an die Macht. Bei dieser nun hatte die bisherige Hegemonialmacht Nummer 1 in dieser Region, Frankreich, erwartungsgemäß keinen Einfluß mehr. Diese Gelegenheit nutzte die USA und verstärkte ihren Einfluß - auf Kosten Frankreichs. Nebenbei protegierten sie Ugandas "starken Mann", Präsident Yoweri Museveni. 1998 besuchte Clinton höchstperönlich Museveni - als Zwischenstation einer Sechs-Länder-Tour durch Afrika. Clintons 'Africa Growth and Opportunity Act' (Gesetz über Wachstum und Chancen für Afrika) wurde damals als neue Ära amerikanischer Hilfestellung für den Kontinent gefeiert. Das Gesetz ist jedoch nichts anderes als ein Abkommen ganz im NAFTA-Stil, das US-Konzernen zu mehr Dominanz in der Region verhelfen soll.

Doch zurück zu 1994. Die neue Tutsi-geführte ruandische Regierung fand schnell ein neues Ziel: sie marschierte in den Ost-Kongo ein, um den Rebellen Kabila zu unterstützen. Angebliches Ziel war, eine Pufferzone zwischen Hutu-Flüchtlingen und ruandischem Territorium einzurichten. Uganda und Ruanda hatten zunächst gemeinsame strategische Interessen im Ost-Kongo. Dennoch konnten die Regierungen der beiden Länder gegeneinander ausgespielt werden. Über Uganda - und entsprechende Provisionen - lief die Bewaffnung der UPC der Hema. Über Ruanda - und entsprechende Provisionen - lief die Bewaffnung der Milizen der Lendu. Dann verkehrten sich die Seiten, was sich jeweils nach dem Meistbietenden richtet -- und Uganda unterstützte die Lendu-Truppen gegen die UPC. Ruanda beziehungsweise die von der ruandischen Regierung bezahlten Milizen hatten zeitweise eine Fläche im Kongo unter ihrer Kontrolle, die dem 27-fachen Ruandas entsprach und damit Zugriff auf rund 70 Prozent der Coltan-Reserven.

Die berüchtigte Waffen- und Goldhändlerin Aziza Gulamali, eine indischstämmige Kongolesin, organisierte den Export des Coltan; ihr Name wurde international bekannt durch Waffen- und Goldschiebereien und eine Geldwäscheaffaire in Belgien. Ein anderer Profiteur war James Kaberebe, der Generalstabchef der ruandischen Armee. Die Vereinten Nationen stellten in einem Bericht zur Ausbeutung des Kongo fest, daß kriminelle "Elite-Netzwerke", die sich aus Soldaten, Politikern und Geschäftsleuten zusammensetzen, das Land systematisch ausschlachten. Ruandas Staatspräsident Kagame und sein verfeindeter ugandischer Konterpart Yoweri Museveni werden gar als "Paten" dieser illegalen Ausbeutung bezeichnet. Nicht zuletzt, weil Musevenis Halbbruder Salim Saleh mit am meisten an der Gold-, Edelholz- und Diamantenplünderung rund um Bunia verdient und auch der ugandische Armeechef James Kazini einen Teil kassiert. Allein durch den Verkauf des Coltans floß laut UN-Bericht innerhalb von 18 Monaten mindestens eine Viertelmilliarde Dollar in die ruandische Kriegskasse. Die Fluglinien Sabena und Swissair haben jahrelang den wertvollen schwarzen Sand von Kigali nach Europa geflogen. Ebenso werden im UN-Bericht Dutzende westlicher Konzerne namentlich benannt, die als Kriegs-Herren hinter den War-Lords am Kongo-Krieg und von der Plünderung der Bodenschätze profitierten: 21 Unternehmen aus Belgien, 12 aus Großbritannien, acht aus der USA und fünf aus Deutschland.

In den Handel mit kongolesischem Coltan sind mindestens drei deutsche Firmen verwickelt: Die Hamburger 'Barter Trade Handels- und Seafood GmbH' (BHTS), die in der Hauptsache aus dem von Uganda beherrschten Nordosten Kongos Coltan bezog und dabei nach eigenen Angaben "wahnsinnig" verdiente, die süddeutsche Firma Masingiro von Karl-Heinz Albers und die Firma H.C. Starck. Im Kongo ist es ein offenes Geheimnis, daß auch die BASF-Tocher 'Kraft' zu den deutschen Abnehmern von Coltan gehört. Karl-Heinz Albers war früher Geologe beim Metalurg-Konzern und handelt nun unter anderem mit Coltan aus dem Kongo. Die nächsten Glieder in der Kette sind schon größer: Albers verkauft an alle drei der weltweiten Hauptabnehmer, die Cabot Inc. in der USA, Ninxia in China und H.C. Starck in Deutschland. An jeder Stelle der Kette, die von den Kriegsregionen des Kongo bis zu den großen Elektronik-Konzernen führt, sind also auch Deutsche zu finden.

Vor allem die Firma H.C. Starck aus Goslar, eine 100-prozentige Tochter des Bayer-Konzerns, stand mehrmals im Zentrum der Kritik, stritt jedoch immer wieder eine Beteiligung ab und erklärte zuletzt, seit September 2001 kein Coltan mehr aus kongolesischen Minen zu beziehen.

Auch gegenüber dem Journalisten Klaus Werner, Autor des 'Schwarzbuch Markenfirmen', verweigerte H.C. Starck jede Information über die Herkunft des weiterverarbeiteten Coltan. Um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, wandte Klaus Werner die Wallraff-Methode an: Er schlüpfte in die Haut eines Coltan-Händlers aus dem Kongo und legte sich eine falsche Identität zu. Nach einem Angebot an H.C. Starck per Email kam umgehend die Antwort: "Wir sind generell interessiert am Kauf allen Tantalit- Rohmaterials. Lassen sie uns bitte eine Analyse, eine Probe und ihre Preis-Vorstellung zukommen. Nachdem wir diese Informationen bekommen haben, werden sie schnell unsere Antwort erhalten." Um der möglichen Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit zu entgehen, trat H.C. Starck/Thailand als Kauf-Interessent auf. Nach Recherchen der 'Washington Post' wurde auch 2002 etwa die Hälfte des kongolesischen Coltan von der Firma H.C. Starck weiterverarbeitet. Ein im Oktober 2002 veröffentlichter Bericht von UN-Experten bekräftigt den Vorwurf, daß die Firma H.C. Starck weiterhin Coltan aus dem Kongo bezieht. Zu den wichtigsten Kunden von H.C. Starck gehört die Siemens-Tochter Epcos, die auf die Produktion von Microchips spezialisiert ist.

Nicht allein, daß die Gier der Industrienationen nach billigen Rohstoffen die Hauptursache der Kriege in Afrika darstellt, auch beim Abbau wird weder auf Menschen noch Umwelt Rücksicht genommen. Bauern werden zu Coltan-Minenarbeitern und von den War-Lords unter militärischer Aufsicht für Hungerlöhne in marode Bergwerke getrieben. Erst im Januar starben 33 Bergleute bei einem Grubenunglück. Die Hügel um die Stadt Mumba im Osten des Kongo sind mit Stollen und kleinen Bergwerken übersät. Aus kaum befestigten Löchern wird der schwarze Sand in Plastiktüten ans Tageslicht geholt und von schwerbewaffneten Männern weggeschafft. Hunderte von Arbeitern wurden in den vergangenen Jahren in einstürzenden Stollen begraben.

Und zur Fleisch-Versorgung der Minen - beispielsweise der Coltan-Minen inmitten des Kahuzi-Biega-Nationalparks - werden die Bestände an Elefanten und seltenen Tiefland-Gorillas dezimiert. Von den ehemals rund 3.600 Elefanten des Kahuzi-Biega-Nationalparks ist nach Berichten von Artenschützern kein einziger mehr am Leben. Die Vernichtung der Regenwälder durch Raubbau an Edelhölzern ist hinlänglich bekannt. Auch in diese Geschäfte sind immer wieder deutsche Firmen verwickelt.

Anfang 2003 kam ein Friedensabkommen zustande, Ruanda zog seine regulären Armeen ab, Uganda zog sich aus der Ituri-Provinz zurück und die Folge war - ein Ansteigen der Gewalt. Uganda hatte die rohstoffreiche Provinz Ituri fünf Jahre lang besetzt gehalten. Die neueste Entwicklung ist nun, daß in Ituri weiterhin bewaffneten Kämpfen zwischen mehreren rivalisierenden Milizen toben. Nun plötzlich wird weltweit darüber berichtet. Angeblich gibt es Fälle von Kanibalismus. Über Kindersoldaten und Massaker wird berichtet als sei dies eine Neuigkeit und nicht seit Jahren alltägliche afrikanische "Normalität".

Wie bestellt sah sich nun Ende Mai der Weltsicherheitsrat veranlaßt, "Friedens"-Truppen in die Stadt Bunia zu entsenden. In den westlichen Medien wurde Bunia in den Wochen zuvor das "Epizentrum" des Mordens bezeichnet. Solche Metaphern erinnern an Erdbeben und damit Naturkatastrophen, während die tatsächlichen Ursachen im Dunkeln bleiben.

Bereits im Mai befanden sich 700 UN-Soldaten in Bunia. Sie blieben in ihrem Gebäude und "beobachteten" die Morde an schätzungsweise einigen hundert Menschen ohne einzugreifen. Für die UN-"Friedens"-Kräfte war dies sicher eine erschreckende Beobachtung - doch im Vergleich zu den Greueln der letzten Jahre keineswegs spektakulär. Der Vorfall erinnert stark an Ruanda 1994 als sich UN-"Friedens"-Kräfte während der gesamten Massaker in Kigali aufhielten und an Bosnien, an Srebreniza. Jedesmal hatte es zuvor Warnungen an die UN gegeben, daß Massaker bevorstünden und jedesmal hatte die UN die Warnungen ignoriert. Der Verdacht drängt sich auf, daß UN-"Friedens"-Kräfte lediglich als Zeugen vorgeschickt werden, um sie gleichzeitig als unfähig hinstellen und einen "robusten" Einsatz begründen zu können.

In der nun plötzlich breit angelegten internationalen Berichterstattung wird teils unterschwellig, meist jedoch ganz offen das Bild irrationaler Stammesfehden gezeichnet. Die geschichtliche Entwicklung und die klar zutage tretenden wirtschaftlichen Interessen bleiben ausgeblendet. Bis heute ist Afrika der Schauplatz von Stellvertreter-Kriegen - angefangen mit der Kolonialzeit über Zeit der Konfrontation zwischen USA und UdSSR bis zur heutigen - ein wenig unübersichtlicher gewordenen - Konstellation aus Stellvertreterkriegen verschiedener Konzerne. Die verschiedenen Ethnien und deren Streitigkeiten, die oft noch durch die nach Kolonialinteressen zugeschnittenen Staatsgebilde bedingt sind, werden lediglich benutzt. Gemeinsames Interesse aller auswärtigen Mächte war und ist ein möglichst billiger Zugriff auf die Rohstoffe Afrikas. Und dies ist optimal gewährleistet, solange Krieg herrscht. Und ein nicht ungewollter Nebeneffekt besteht darin, daß die internationale Waffen-Industrie nicht zu darben braucht.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

1 laut einer Studie des 'International Rescue Committee'

2 Zugleich hatte Zaire / Kongo 1997 beim Sturz Mobutus
      9 Milliarden Dollar Auslandsschulden.

 

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