E.on-Müller wies "Rot-Grün" nahezu gratis den Weg
Daß ein veritabler Manager nicht für Peanuts wie etwa ein übliches Ministergehalt arbeitet, mußte eigentlich jedem denkenden Menschen 1998 klar sein. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann beispielsweise bezieht ein Gehalt von über 9 Millionen Dollar pro Jahr (2003: 9,6 Millionen Dollar). Spitzenverdiener in Europa war 2003 mit 12,4 Millionen Dollar der Chef Pharma-Konzerns Novartis, Daniel Vasella. Und selbst ein so bescheidener Manager wie Wolfgang Urban, Chef des KarstadtQuelle-Konzerns verdient rund 1,6 Millionen Euro im Jahr.
Wenn das deutsche Volk so geizig ist, als Arbeitgeber selbst seinem Chef-Manager, dem Bundeskanzler, nur 603.256 Euro im Jahr zu bezahlen, ist es doch selbst schuld, wenn es nur zweitklassiges "Humankapital" auf dem Arbeitsmarkt angeboten bekommt... Und da hätte sich der parteilose frühere E.on-Manager Werner Müller, der 1998 mit dem Beginn der "rot-grünen" Koalition als Wirtschaftsminister ins Kabinett Schröder eintrat, mit lumpigen 324.847 Euro abspeisen lassen sollen?
Wenn nun aktuell zutage kommt, daß Werner Müller für seine Plackerei mit all den BerufspolitikerInnen ohne jeglichen wirtschaftlichen Sachverstand (außer jenen paar wenigen, die sich per Dotation mit "Nebenjobs" von ums Wohl der Allgemeinheit bemühten Konzernen dazu überreden ließen, in die Niederungen des Parlamentarismus hinabzusteigen), im letzten Jahr seiner Amtszeit vom Energie-Konzern E.on eine "Pension" von 8.000 Euro monatlich erhielt, muß das nicht wundern. Was von E.on taktvoll als "Pension" deklariert wird, müßte realistisch eher als Schmerzensgeld bezeichnet werden. Alles zusammengerechnet kam Werner Müller damit auf nicht einmal schlappe 425.000 Euro im Jahr. Seien wir ehrlich: Seine harte Arbeit, eine Bestandsgarantie für die deutschen Atomkraftwerke als Atom-Ausstieg zu verkaufen, hat er damit so gut wie gratis abgeliefert.
Wenn Werner Müller beteuert, daß es sich bei der Zahlung des geringfügigen, ja geradezu vernachlässigbaren Betrags von 8.000 Euro monatlich tatsächlich um Pensionsansprüche handelt, die er sich im Laufe von 18 Jahren ehrlicher Arbeit vor Beginn seiner Ministertätigkeit erworben habe, ist diese kleine Läßlichkeit lediglich staatsbürgerlichem Verantwortungsbewußtsein geschuldet. Er will damit sicher nur eine Neuauflage der unseligen Diskussion vermeiden, die sonst unvermeidlich wieder aufbrechen würde und doch nun 2001 so glücklich ad acta gelegt wurde: Eine Diskussion um die angeblichen Gefahren der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
Und tatsächlich hatte Werner Müller von 1973 an zuerst beim Energie-Konzern RWE und dann beim E.on-Vorgänger Veba gearbeitet. 1997 bekam er sogar bei Veba einen neuen 5-Jahres-Vertrag. Dann stieg er noch im Oktober 1997 aus - angeblich wegen einem Zerwürfnis mit der Geschäftsführung. Eine Vereinbarung zwischen E.on und Müller verwandelte die noch ausstehenden vier Gehälter bis zum Jahresende 2001 in ein Guthaben, aus dem - wie doch wohl nach jedem üblichen Tarifvertrag auch bei einem einfachen Hausmeister selbstverständlich, oder etwa nicht? - dann die Pensionszahlungen von 8.000 Euro monatlich fließen sollten.
Nun finden gewisse Medien just ein Haar in der Suppe, in der sich Müller auskannte. Es sei "anrüchig", daß Müller als Wirtschaftsminister "ausgerechnet" auf dem gerade liberalisierten Strommarkt für die Gesetzgebung zuständig war und den ausschließlich im Sinne des Allgemeinwohls tätigen Energie-Konzernen die gröbsten Behinderungen aus dem Wege räumte. Dem bürokratischen Irrsinn einer "Regulierungsbehörde" widerstand der tapfere Wirtschafts- minister gar gegen größten Druck des schier allmächtigen EU-Apparates. Eine unverantwortliche Mitbenutzung der Stromnetze, die RWE, E.on, und die früheren Energieversorgungsunternehmen Veba, HEW, EWS, Badenwerk, Bayerwerk und wie sie alle hießen im Schweiße ihres Angesichts geknüpft hatten, durch unkundige Amateure, konnte Müller gerade noch im letzten Moment verhindern. Auch eine Zersplitterung des Gasmarktes wäre ums Haar geschehen, wäre nicht Werner Müller eingeschritten. Das sogenannte Erneuerbare-Energien-Gesetz bog er solange zurecht, bis die Gefahr beseitigt war, daß selbsternannte Heilsbringer der strahlenden Zukunft der Energie-Konzerne mit unscheinbarem Sonnenlicht, Nutzung unnützer Abwärme und ähnlichem Hokus-Pokus in die Quere kämen.
Und es wäre auch nicht zusammengewachsen, was zusammengehört, hätte Müller es zugelassen, als die Monopolkommission die Ehe zwischen Deutschlands größtem Energie-Konzern E.on und der Ruhrgas verhindern wollte. Müller setzte sich über all das heroisch hinweg und gab seinen Segen in Form einer Ministererlaubnis. Die böse Schwiegermutter Kartellamt ignorierte er und ließ sie mit ihrem sinnlosen Gekeife über "wettbwerbsfeindliche Mammutfusionen" einfach links liegen. Doch da erhob sich das linke deutsche Medienkartell und zieh ihn der "Befangenheit". Ja hätte er sich wie bei PolitikerInnen üblich nur um das kümmern sollen, wovon er keine Ahnung hat?
Doch Werner Müller fand auch in dieser Situation eine elegante Lösung, um den Schreihälsen den Wind aus den Segeln zu nehmen: Er überließ es, den Hochzeits-Segen, die sogenannte Sondererlaubnis, von seinem Staatssekretär Alfred Tacke sprechen zu lassen. Für solch treue Dienst wurde dieser dann Jahre darauf von Werner Müller zum Chef einer der größten RAG-Töchter erhoben. Dies war für Müller ein leichtes, da er nach seiner leidvollen, mühsamen und schlecht bezahlten Ministertätigkeit zum Chef der mächtigen RAG (Ruhrkohle AG) ernannt worden war. Der Kohle-Konzern gehört sicherlich nicht zufällig zu einem Drittel der E.on. Und damit wäre auch jenes häßliche Gerücht vom Zerwürfnis zwischen Werner Müller und E.on - ein Jahr vor dem Start von "Rot-Grün" - hinlänglich widerlegt.
Seine größte Leistung aber war es unstreitig, in einem wohl- abgestimmten Pas de deux mit Minister Trittin den undankbaren Part des Bösewichts zu übernehmen, der letztlich vom edlen (Vor-)Reiter des Klimas besiegt wird und einem ungeliebten Atom-Ausstieg zustimmen muß, mit dem die gesamte deutsche Energiewirtschaft in Fesseln gelegt wird. Fast hätten einzelne Vertreter der Energiewirtschaft die gesamte Aufführung ad absurdum geführt, als sie zu deren Finale gerührt applaudierten. Alles Nötige ward vollbracht und so schied Werner Müller im Oktober 2002 wohlverdient aus der "rot-grünen" Regierung aus.
Frank Bayer