19.01.2005

Bundestagsabgeordneter Volmer
als Lobbyist enttarnt

Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt und "grüne" Bundestagsabgeordnete Ludger Volmer wird in der aktuellen Ausgabe des 'stern' als Lobbyist enttarnt. Als sogenannter Türöffner betätige sich der "Spitzenpolitiker", Miteigentümer und Berater der Firma 'Synthesis Applied Networking Business Service GmbH' mit Sitz in Bad Honnef für Unternehmen bei Auslands-Kontakten. Der diesjährige Leipziger Medienpreisträger und 'stern'-Journalist Hans-Martin Tillack fand heraus, daß sich Volmer bei firmenfinanzierten Reisen für die vor vier Jahren privatisierte 'Deutsche Bundesdruckerei' nach Vietnam und Südafrika um Großaufträge verdient machte. "Die Bundesdruckerei zahlte an Synthesis und eine weitere Firma namens Synergie insgesamt 400.000 Euro," so Tillack. Merkwürdiger Weise ist die Firma Synthesis weder im Telefonbuch noch im Internet zu finden.

Als Miteigentümer der Volmer-Firma wird der Leipziger Geschäftsmann Roland Poser geoutet, gegen den die sächsische Anti-Korruptions-Einheit 'INES' wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Untreue ermittelt. Ein Ende des Verfahrens um Leipziger CDU-Spenden sowie eine Millionenprovision für das neue Stadion sei nicht absehbar, erklärte die Staatsanwaltschaft am 18. Januar. Der frühere Stadtkämmerer Peter Kaminski war durch diese Affären Anfang 2004 schwer belastet worden. Kaminski hatte über seine Verbindungen zu Poser gelogen und wurde inzwischen abgewählt.

Volmer bestätigte mittlerweile seinen "Nebenjob". Dabei rechtfertigte er die firmenfinanzierten Reisen jedoch damit, diese nicht mit seinem Abgeordnetenmandat Mandat verknüpft zu haben: "Ich kann allerdings nirgendwo verheimlichen, daß ich Staatsminister a. D. bin." Zugleich behauptete Volmer, er habe die Beratungsfirma Synthesis "vor etwa einem Jahr mit drei Mitgesellschaftern gegründet". Dies wird allerdings bereits von der 'LVZ' nach Recherchen als falsch bezeichnet. Die Zeitung fand heraus, daß Synthesis im Mai 2003 aus der Poser-Firma 'MoneyChecker' hervorgegangen sei. Diese Firma sollte ein Prüfgerät für Euro-Scheine vermarkten. Der Leipziger Geschäftsmann Roland Poser war bis März 2004 Geschäftsführer bei Synthesis. Laut Recherche der 'LVZ' wurde die Firma erst zu diesem Zeitpunkt nach Bad Honnef verlegt.

Roland Poser stellt es nun so dar, daß er Volmer lediglich bei fünf Veranstaltungen getroffen habe. Die Kontakte seien vielmehr über den "Grünen"-Politiker Burkhard Hoffmeister aus Bad Honnef gelaufen. "Dieser war schon immer Geschäftsführer der Firma Synergie und ist heute alleiniger Geschäftsführer bei Synthesis," so Poser. Allerdings ist inzwischen offenkundig, daß Hoffmeister, dessen Frau, Poser und Volmer je 25 Prozent an Synthesis halten. Volmer erklärte, im vergangenen Jahr mit Synthesis "weniger als 18.000 Euro verdient" zu haben. Gegenüber dem 'stern' rechtfertigte sich Volmer, er habe sich ein "zweites Standbein" neben der Politik aufbauen wollen. Laut 'spiegel' arbeitet Synthesis als Beratungsfirma fast ausschließlich für die 'Deutsche Bundesdruckerei', die im Ausland eifrig versuche, die hochmoderne deutsche Paß-Technik zu verkaufen. Und wie der 'spiegel' weiter recherchierte, unterschrieben die südafrikanischen Behörden schon wenige Tage nach Volmers dortiger Vorsprache einen lukrativen Vorvertrag für die Lieferung von neuen Pässen. Auf Nachfrage des 'spiegel' bestätigte eine Sprecherin der Druckerei auch, daß Volmer für die erfolgreiche Vermittlung ein Beraterhonorar erhalten habe, über dessen Höhe freilich Stillschweigen vereinbart worden sei. Auch der Umfang des Vertrags für die neuen Pässe wurde nicht beziffert.

Ähnlich gelagert war laut 'spiegel' offenbar auch der Trip nach Vietnam. Auch dort will die 'Deutsche Bundesdruckerei' Aufträge für neue Pässe an Land ziehen und auch dort war Volmer in geschäftlicher Mission. Über die konkreten Erfolge in Vietnam wollte sich die Druckerei laut 'spiegel' am heutigen Mittwoch nicht äußern. Eine Sprecherin bestätigte nur, daß die Firma wie in vielen anderen Staaten geschäftliche Interessen in dem asiatischen Land habe.

Nach der ehemaligen Bundessprecherin der "Grünen", Gunda Röstel, die im September 2000, nachdem der Atomkonsens unter Dach und Fach war, einen Managerposten bei der E.on-Tochter Gelsenwasser bekommen hatte, dem "grünen" Abgeordneten Cem Özdemir, der wegen "Miles and More" und einem Kredit vom obskuren Polit-Berater Hunzinger zurücktreten mußte, dem "Thailand-Opfer" Rezzo Schlauch und der baden-württembergischen "grünen" Landtagsabgeordneten Heike Dederer, die mit einer "Hunzinger-Affäre" ins Schlingern geraten war, können die "Grünen" ihren von vielen Medien dennoch lange gewährten "Saubermann-Status" nun kaum mehr aufrecht erhalten. Zur Kommentierung der aktuellen Volmer-Affäre waren bezeichnender Weise bisher weder die Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer noch beiden Fraktionschefinnen Krista Sager und Katrin Göring-Eckhart zu sprechen. Lediglich "Grünen"-PolitikerInnen "aus der zweiten Reihe" wie der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Jerzy Montag oder die "grüne" Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke ließen sich von Medien-VertreterInnen bislang zu - allerdings unverbindlichen - Statements bewegen.

Dies mag allerdings auch daran liegen, daß sich der allzu wendige Volmer innerhalb der "grünen" Prominenz keiner großen Beliebtheit erfreut. Der bereits in den 90er Jahren nur dem Schein nach linke Ludger Volmer riet noch 1995 dem damals in der Partei allzu offensiv gegen "unrealistische Gewaltfreiheit" werbenden Joseph Fischer, sich eine Knarre anzuschaffen und nach Sarajevo zu marschieren. 1997 rief er gar zum Wahlboykott auf, weil er voraussah, daß Fischer einen Krieg in Jugoslawien unterstützen werde. Doch schon ein Jahr darauf hatte er all das schleunigst wieder vergessen: "Zu Fischers klugen Schachzügen (...) zählte auch, daß er Ludger Volmer, der bis dahin zu seinen linken Gegenspielern bei den Grünen zählte, als Staatsminister in die Pflicht nahm - und zum Schweigen brachte", schreib Fischers Hofbiografin Sibylle Krause-Burger ('Joschka Fischer. Die Biographie', Stuttgart, DVA, 1999, S. 238). 1998 verbeugte er sich in Washington vor Bill Clinton und schüttelte diesem die Hand, was ihm dem die Titulierung als "politischer Gartenzwerg" von Johannes Agnoli einbrachte. Doch bekanntlich sind solche Eigenschaften in der heutigen Politik eher nützlich als schädlich.

 

Adriana Ascoli

 

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