19.03.2004

Artikel

Pogrome
gegen Serben im Kosovo

Belgrad will eigene Truppen zum Schutz der Minderheiten ins Kosovo schicken

Mindestens 22 Tote und über 500 Verletzte - das ist die vorläufige Bilanz der aktuellen albanischen Terroroffensive im Kosovo. Es ist der höchste Blutzoll, seit die NATO-Truppen die Provinz im Juni 1999 besetzt haben, um dort - angeblich - die Menschenrechte zu sichern. Die Übergriffe eskalierten am Mittwoch und weiter am gestrigen Donnerstag: So wurden alle Serben aus der Ortschaft Obilic vertrieben und ihre Häuser niedergebrannt. Anläßlich der Beerdigung zweier albanischer Jungen wurde für Donnerstag abend mit weiteren Pogromen gerechnet. Der serbische Verteidigungsminister Boris Tadic warnte, mehrere tausend Albaner in der Provinzhauptstadt Pristina und anderswo bereiteten sich auf Gewalttaten vor.

Am Anfang eines Pogroms steht immer eine Pogromlüge. So war es im Mittelalter, wenn der christliche Mob an den Juden Vergeltung üben wollte, weil diese angeblich Hostien geschändet oder Knaben ermordet hatten, und genauso war es auch jetzt gegenüber den Serben. Am Mittwoch mittag hatten sich etwa 3.000 Albaner in der Stadt Mitrovica zusammengerottet, um Rache für den Tod von zwei gestern beerdigten Knaben zu nehmen. Beide seien, so albanische Sender am Dienstag abend, von Serben in den eiskalten Fluß Ibar gehetzt worden und dann ertrunken. So konnte man es Donnerstag nachmittag auch immer noch in der ARD-Tagesschau hören. Dabei war das böse Gerücht schon 15 Stunden vorher dementiert worden, und zwar von Derek Chappel, dem Sprecher der UNO-Verwaltung im Kosovo, gegenüber der Belgrader Nachrichtenagentur Beta. Chappel bezog sich auf die Zeugenaussage eines dritten Albanerjungen, der ebenfalls in den Fluß gesprungen war, aber im Unterschied zu den beiden Ertrunkenen das gegenüber liegende Ufer erreicht hatte. Das Trio habe, so der Überlebende, auf eigene Faust gehandelt, Serben seien nicht beteiligt gewesen.

Die durch die albanischen Medien verbreitete Lüge vom Kindermord führte zu Pogromen im gesamten Kosovo. Im Unterschied zur Darstellung der meisten westlichen Medien, die von "Auseinander- setzungen zwischen Serben und Albanern" sprachen, gingen die Angriffe in jedem Fall von letzteren aus.

Die gefährlichste Situation hatte sich in Caglavica ergeben, wo mehrere tausend Albaner aus dem nahen Pristina einen Schutzkordon der UN-Polizei und der Kosovo-Besatzungstruppe KFOR gesprengt und anschließend die serbischen Häuser angezündet hatten. Erst als - um Stunden zu spät - schwerbewaffnete US-Marines eintrafen, konnten die Überlebenden evakuiert werden. Auch im Dorf Belo Polje wurden alle serbischen Häuser niedergebrannt, in Ljipljan gab es vier Todesopfer. Einzig in Mitrovica, wo die Mehrheit der im Kosovo gebliebenen Serben lebt, traf der Lynchmob auf Gegenwehr: Als die 3.000 Albaner unter Einsatz von Schußwaffen die UN-Checkpoints an der Ibar-Brücke überwunden hatten, wurden sie von Selbstverteidigungskräften am Eindringen in das serbische Viertel gehindert. Dabei wurden vier Albaner getötet und über 200 verletzt. Die anderen 18 Todesopfer der letzten beiden Tage sind Serben.

In einer ersten Stellungnahme gab Bischof Artemije von der serbisch-orthodoxen Kirche im Kosovo der KFOR die Schuld am Blutvergießen: "Diese Militärmission hat nicht für Frieden und Schutz gesorgt, sondern Mord, Brandschatzung und Kirchenzerstörung erlaubt. (...) Sie mögen sich als >Friedensstifter< (peace-keepers) oder >Nationengründer< (nation-builders) bezeichnen, aber die Geschichte wird sie einmal bei ihrem richtigen Namen nennen." Der serbische Premier Vojislav Kostunica kommentierte, der albanische Separatismus habe sein wahres "Terrorgesicht" gezeigt. Die Belgrader Regierung bot angesichts des Versagens der KFOR eigene Soldaten zum Schutz der serbischen Siedlungen im Kosovo an.

Eine serbische Schutztruppe im Kosovo stößt allerdings auf den entschiedenen Widerstand nicht nur der Albaner sondern auch der NATO. Diese wäre aber in der Resolution 1244 des Weltsicherheitsrats - der völkerrechtlichen Grundlage für die Arbeit von UN und NATO in der Provinz - ausdrücklich erlaubt.

Seit Stationerung von über 40.000 NATO-Soldaten im Juni 1999 wurden im Kosovo, einer Region von der Größe Hessens, 350.000 Serben und Roma vertrieben (weit über die Hälfte der nichtalbanischen Bevölkerung) und 2.500 ermordet, so der damalige serbische Premier Zoran Zivkovic im November 2003 in Berlin.

 

Jürgen Elsässer

 

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