Kurze Korrespondenz
mit einer Landesvorsitzenden und einem Moderator zum Thema
angebliche Linke in einer angeblich grünen Partei, Exodus und Exitus

 

Hier der Überblick über die eMails vom Dezember 2003
in der zeitlichen Reihenfolge von oben nach unten -
Beim Anklicken des Namens wird der jeweilige Beitrag angezeigt

Vorlage war ein Beitrag auf der mailing-Liste [Gruene Linke] von
Hubertus Zdebel
Betreff: [Gruene Linke] Interview Markus Kurth und Kommentar in der heutigen TAZ-Ruhr

Sylvia Kotting-Uhl
Betreff: [Gruene Linke] Re: Interview Markus Kurth und Kommentar in der heutigen TAZ-Ruhr

Klaus Schramm
Betreff: [Gruene Linke] Ich wünschte...

Sylvia Kotting-Uhl
Betreff: Nicht ganz so wichtig

Klaus Schramm
Betreff: Die Linken sind schuld am Ende der Grünen ?

Ralf Henze
Betreff: Deine Mail an Sylvia

Sylvia Kotting-Uhl
Betreff: Alles richtig...

Klaus Schramm
Betreff: Exodus und Exitus

 

Hier folgen die Beiträge:

Hubertus Zdebel
19.12.2003   16:16
Betreff: [Gruene Linke] Interview Markus Kurth und Kommentar in der heutigen TAZ-Ruhr

Liebe Freundinnen und Freunde,

in der heutigen TAZ Ruhr ist ein interessantes Interview mit Markus zu
seinem heutigen Abstimmungsverhalten, seiner Arbeit im Bundestag und
seiner Sicht auf zumindest einen Teil der Linken bei den Grünen.

Das Interview hat es in sich, vor allem einige Passagen über die Linken
( "Wenn man hier mit einer roten Fahne rumläuft, erreicht man gar
nichts."; "Viele von uns Linken wollen immer mit dem Rammbock durch die
Gegend rennen, das ist doch Kokolores.").

Ich finde, dass Markus Äusserungen nicht unkommentiert stehen bleiben
sollten.

Mit der Agenda 2010 bricht Rot-Grün zentrale Wahlversprechungen, mit
denen SPD und wir zu den Bundestagswahlen angetreten sind, und baut
soziale Errungenschaften der Abhängig Beschäftigten und Sozial
Schwächeren ab, für die insbesondere die Arbeiterbewegung viele
Jahrzehnte erbittert gekämpft hat.

In einer solchen Situation erwarte zumindest ich von den "linken" Grünen
Abgeordneten, dass sie solche Bestrebungen ablehnen und im Zweifelsfall
mit Nein stimmen, auch wenn damit die Rot-Grüne Mehrheit im Bundestag
gefährdet ist. Was haben wir denn an Rot-Grün, wenn rot-grün
schwarz-gelbe Politik macht?

Markus und andere haben sich für die Politik des "Kleineren Übels"
entschieden. Kleinere Übel hat es aber in der Geschichte viele gegeben;
nicht zuletzt einem kleineren Übel verdankt unsere Partei ihre Gründung
und parlamentarische Präsenz. Was ist denn damit erreicht worden? Einige
kleine Verbesserungen, richtig. Aber in der großen Linie ist der
Systenwechsel zum Abbau des Sozialstaats in keinerlei Weise verhindert
worden. Natürlich konnte die Agenda 2010 von der Linken im Bundestag
nicht verhindert werden. Das ist klar. Aber die neue Qualität ist doch:
Die parlamentarische Grüne Linke hat mit ihrer Zustimmung zur Agenda
ihren Teil dazu beigetragen und damit letztlich versagt.

Markus' Äusserungen können auch als Kritik an den Linken aufgefasst
werden, die sich auf der Sonder BDK in Dresden in unterschiedlichen
Anträgen der Agenda 2010 und damit der Durchsetzung einer unsozialen
Politik zugunsten des Kapitals verweigert haben. Da war ja bekanntlich
von Markus nicht viel zu hören.

Nun ja, ich laufe nach wie vor lieber (manchmal sogar gerne) mit einer
roten Fahne rum und gelte als Rammbock, auch wenn ich damit in der
Fraktion nichts oder nicht viel erreiche (Illusionen darüber, Christine
Scheel und andere inhaltlich überzeugen zu wollen, waren ja wohl schon
vorher nicht angebracht), als als Bettvorleger von Schröder und der
Wirtschaft zu enden.

Vielleicht brauchen wir mal eine Grundsatzdebatte darüber, was bei den
Grünen und auch sonst unter "Links" zu verstehen ist.

In der Anlage findet Ihr das Interview und einen passenden Kommentar aus
der gleichen Taz-Ruhr dazu.

Mit besten Grüssen

Hubertus Zdebel

 

Sylvia Kotting-Uhl
19.12.2003   23:34
Betreff: [Gruene Linke] Re: Interview Markus Kurth und Kommentar in der heutigen TAZ-Ruhr

Bevor ich mich über Interview-Antworten aufrege, schaue ich mir die
Fragen an und, sorry, die Fragen sind unfair und der Kommentar ist
blöde. Die Kommentatorin wirft Markus vor das Verhalten von anderen
Linken zu kritisieren und selbst nicht zu wissen, "wie er die
neoliberale Regierungsplattform noch verhindern kann". Und was tut
die Kommentatorin anderes?

Ich bin Markus, Jutta, Christian, Winne, Peter und auch Werner Schulz
- und auch den 6 SPD-Abgeordneten - dankbar, dass sie dem massiven
Druck die "Reform-Agenda" an allen Punkten mit einer
Koalitionsmehrheit zu beschließen standgehalten haben und sich kein
Ja zu den Zumutbarkeitsregeln für Langzeitarbeitslose haben abpressen
lassen. Es ist fast schade, dass die CDU nicht vollständig anwesend
war, und so die Koalition doch mehr Ja-Stimmen als die Opposition
zustande brachte. Es ist peinlich, wenn der Kanzler meint dadurch
Macht zu beweisen, dass die Regierungsfraktionen die Politik der
Opposition mehrheitlich beschließen. An diesem einen Punkt Nein zu
sagen war richtig - übrigens auch aus Respekt der eigenen Partei
gegenüber - auch wenn dadurch am Gesetz nichts geändet wird.
Ich wünschte mir, wir hätten ein paar mehr grüne Abgeordnete, die
nicht nur immer "in die Tischkante beißen", sondern ihre Stimme
entsprechend dem was sie für richtig halten abgeben.

Grüne Grüße
Sylvia Kotting-Uhl

 

Klaus Schramm
20.12.2003   8:35
Betreff: [Gruene Linke] Ich wünschte...

Sylvia Kotting-Uhl schrieb:

> Ich wünschte mir, wir hätten ein paar mehr grüne Abgeordnete, die
> nicht nur immer "in die Tischkante beißen", sondern ihre Stimme
> entsprechend dem was sie für richtig halten abgeben.

... äh ???
und wie lang ist das her ?

Hallo Sylvia!

Im Ernst: Es gibt noch ein paar Menschen, die sich daran erinnern können,
was diese "linken" MdBs schon so alles mit abgestimmt haben. Daß sie jetzt
wieder Identifikationsfiguren spielen dürfen, ist doch nur möglich,
weil die Mehrheit ohne sie gesichert ist. (Über Ströbele und Winne Hermann
könnte mensch vielleicht noch unschlüssig sein - allerdings besteht nach wie
vor ihre hauptsächliche Aufgabe darin, linke WählerInnen an "Rot-Grün" zu
binden.)

Ciao
  Klaus

 

Sylvia Kotting-Uhl
20.12.2003   13:26
Betreff: Nicht ganz so wichtig

Lieber Klaus,
das kann jeder sehen wie er will.
Mir sind in der Bewertung des Verhaltens von linken MdBs die
Ansichten von Leuten, die die Grünen verlassen und damit dazu
beigetragen haben, dass die Linken im Bundestag marginalisiert sind
und auch in der Partei nur noch eine Minderheit im Rücken haben,
allerdings nicht ganz so wichtig.
Grüße
Sylvia

 

Klaus Schramm
20.12.2003   16:55
Betreff: Die Linken sind schuld am Ende der Grünen ?

Liebste Sylvia !

...wer wird denn gleich so giftig reagieren.
Die Linken sind Schuld am Ende der Grünen ? Nein, nicht die Partei
hat sich verändert, weil die Linken über Jahre hin ausgetreten
sind, sondern weil die Partei sich verändert hat, sind die Linken
ausgetreten.

Als ich 1990 nach 11 Jahren Aufbauarbeit eine Partei verließ, die
zufällig die gleiche Farbe für sich reklamierte wie die, in der Du
heute Mitglied bist, standen 90 Prozent deren Mitglieder weit links
von Positionen, die heute Leute vertreten, die sich für Linke in den
"Grünen" halten. Wenn Du 1990 eine Umfrage unter den Mitgliedern gemacht
hättest, ob sie sich vorstellen können, in einer Partei Mitglied zu sein,
die einen Atom-Ausstieg für einen Zeitpunkt befürwortet, an dem das
Uran mangels Verfügbarkeit unerschwinglich wird, hätten 99 Prozent
mit "Nein" geantwortet. Wenn Du 1990 eine Umfrage unter den Mitgliedern gemacht
hättest, ob sie sich vorstellen können, in einer Partei Mitglied zu sein,
die die erste Kriegsbeteiligung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg
mitverantwortet, hätten 99 Prozent mit "Nein" geantwortet. Wenn Du 1990
eine Umfrage unter den Mitgliedern gemacht hättest, ob sie sich vorstellen
können, in einer Partei Mitglied zu sein, die einen Sozialabbau mitverant-
wortet, der Deutschland hinter die zu Bismarcks Zeiten errungenen
Sozialstandards zurückwirft, hätten 99 Prozent mit "Nein" geantwortet.

Wenn Du heute all diese Menschen (die sich sicherlich im Laufe der Jahre
auch verändert haben - deshalb geb ich gerne zu, daß es sich jetzt
hierbei um ein "Gedankenexperiment" handelt) heute wieder zusammen-
bekämst in einer Partei, was würde wohl dann passieren? Diese Partei
würde mit Sicherheit verboten.

Aber vielleicht hast Du im Laufe der Jahre ja gar nicht bemerkt, daß Du
nicht mehr Mitglied bei den Grünen bist, sondern in einer Partei, die
nur noch dem Namen nach eine Ähnlichkeit mit dieser längst Verflossenen
aufweist?

Ciao und alles Gute
  Klaus

 

Ralf Henze
21.12.2003   11:07
Betreff: Deine Mail an Sylvia

Guten Morgen Klaus,

seit einiger Zeit nehme ich mir heraus, Mails zu moderieren. So habe
ich Deine letzte direkt an Sylvia weiter geleitet, statt über den
Verteiler, denn sie war an Sylvia gerichtet.
Sylvias Mail hätte genauso direkt an Dich gehen sollen, das ist
richtig.

Ich koordiniere die Grüne Linke ehrenamtlich und versuche diesen
Verteiler zusammen zu halten. Leute, die sich genervt abmelden, sind
für immer verloren und für mich bedeutet jede Abmeldung Arbeit.
Deshalb nehme ich mir auch gewisse redaktionelle Rechte heraus,
nämlich Leute auf "moderiert" zu setzen.

Wie Du selbst meitbekommst, betreffen die Mails Grüne Politik. Ich
akzeptiere, dass ein paar Ex-Grüne im Verteiler sind, solange sie die
Grünen Mitglieder nicht anmachen. Du bist überwiegend ruhig im
Verteiler, aber wenn Du Dich einmal meldest, dann geht es auch gegen
diejenigen, die noch drin sind. Das ist deren Entscheidung, genauso
wie es Deine war, auszutreten.

Anmache akzeptiere ich nicht, weshalb ich redaktionell eingreife.

Viele Grüße,

Ralf

 

Sylvia Kotting-Uhl
21.12.2003   12:23
Betreff: Alles richtig...

Lieber Klaus,

alles richtig was du da benennst (mit der Ausnahme, dass du dich mit
den Zuständen gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts nicht so ganz
auszukennen scheinst und auch nicht mit unserer Verfassung, wenn du
meinst eine Partei wie die Grünen 1990 würde heute verboten).
Klar ist es leichter - wenn auch vielleicht ein bisschen langweilig -
in einer Partei zu arbeiten, in der sich 99% einig sind, als ständig
aus einer Minderheit heraus zu agieren. Wir haben aber nunmal nicht
mehr 1990, sondern 2003 und außer den Grünen haben sich noch ein paar
andere Dinge verändert. Ich bin da wo ich bin jedenfalls lieber als
in einer Schmollecke, in der ich mich nach der Gründungszeit meiner
Partei zurücksehne.

Meine letzte mail ging übrigens nicht über den Verteiler, sondern an
dich und die 3 Leute, die sich zum selben Punkt auch geäußert hatten.
Hier irrt Ralf.

Ich wünsche dir ganz ungiftig schöne Weihnachtstage, wie immer du sie
verbringst.

Sylvia

 

Klaus Schramm
21.12.2003   15:20
Betreff: Exodus und Exitus

Hallo Sylvia, hallo Ralf !

Es ehrt Dich, Ralf, ja ungemein, daß Du meine Antwort an Sylvia, die Du als
"Anmache" bezeichnest, gentleman-like weg"moderierst". Ich wüßte allerdings
nicht, wodurch ich Sylvia oder andere Eurer Parteifreunde angemacht hätte.
Wohl eher ist Sylvias Vorwurf als "Anmache" zu verstehen, die Linken in den
Grünen - also auch ich - hätten durch ihren mal gehäuften, mal dahintröpfelnden
Exodus aus dieser Partei zu deren Exitus beigetragen.

Es scheint mir eher, daß Ihr meiner politischen Argumentation, daß jene,
die sich heute als Linke bezeichnen in einer Partei, die als "grün" firmiert,
nur dazu beitragen, diese verheerende Politik besser zu verkaufen, nichts
entgegen setzen könnt oder wollt. Okay, okay, nicht ganz: Zu den drei von
mir angeschnittenen Themen, Atom-Ausstieg, Krieg und Sozialabbau, kam von
Dir, Sylvia, der Einwand, ich würde mich mit "den Zuständen gegen Ende des
vorletzten Jahrhunderts nicht so ganz auskennen". Das müßtest Du mir
allerdings näher erläutern.

Noch drei kurze Anmerkungen:

Meine Argumentation, die sich auf gemeinsame Positionen in den Grünen von 1990
bezog, war keineswegs eine rückwärtsgewandte Utopie mit dem Idealbild,
in "einer Partei zu arbeiten, in der sich 99% einig sind". Da hast Du mich,
Sylvia, wohl falsch verstanden. Die Grünen waren damals sicherlich sehr
heterogen. Umso bedeutsamer ist es aber doch, daß der damalige Grundkonsens in
den von mir benannten drei Themen - wohl von Euch unbestritten? - meilenweit
von dem entfernt ist, was die Partei vertritt, in der Ihr Mitglied
seid.

Das mit der "Schmollecke" könnte nun wiederum ich als Anmache verstehen -
wenn ich das auf mich bezöge.
Ich bin allerdings der Auffassung, daß ich mit der Mitarbeit bei
NETZWERK REGENBOGEN zumindest ein bißchen etwas in die positive
Richtung bewegen kann, während Ihr durch Eure Parteiarbeit nichts
erkennbar an einer beschleunigten negativen Entwicklung bremsen könnt.

Dein Verfassungsglaube, Sylvia, scheint wohl unerschütterlich zu sein.
Immerhin steht da - wie ein Fels in der Brandung - immer noch drin, daß
die Bundeswehr nur zur Landesverteidigung eingesetzt werden dürfe...

Und, Ralf, als ich mich das letzte mal auf Eurer Mailing-Liste zu
Wort meldete, ging es um die Bitte, eine Unterschriften-Aktion zu
unterstützen, die - so vermutete ich - eigentlich auch Eurer
politischen Intention entsprechen müßte. Zudem ist Kritik an
Euch nicht "gegen" Euch gerichtet und Du, Ralf, scheinst den
Unterschied zwischen Kritik und Anmache nicht zu kennen. Oder
aber Du erachtest die Mitglieder Eurer Mailing-Liste für so
mimosenhaft, daß sie sich bei den - wie Du ja selbst einräumst -
seltenen kritischen Beiträgen meinerseits "genervt abmelden" und
"für immer verloren" sind?

Erholsame Feiertage wünsche ich Euch ebenso.
Ciao
  Klaus

 

Geistes-Blitz-Werk