28.03.2003

Die vergessenen Kriege

Ohne eine - rein definitorische - Unterscheidung zwischen Kriegen, Bürgerkriegen und sonstigen kriegsähnlichen Konflikten lag die Gesamtzahl aller solcher Konflikte weltweit in den letzten Jahren bei 40 - 50. "Vergessene Kriege" bedeutet dabei, daß dieser permanente Kriegszustand der menschlichen "Zivilisation" auf diesem Planeten entweder von den großen Medien "vergessen wird" - es wird beispielsweise in europäischen Medien überhaupt kaum noch über Afrika berichtet - oder, daß nur beim Ausbruch bewaffneter Kämpfe kurze Zeit sensationell aufgemachte Nachrichten eine Art Schock-Lähmung bewirken, die zu einem Verdrängen und in Folge dessen dem Vergessen führen. Die 'Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung' (AKUF) an der Uni Hamburg hat eine Statistik für die Jahre seit 1945 erstellt und in folgender Grafik aufbereitet:

Anzahl der Kriege weltweit

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung

Selbst der in der ersten Jahreshälfte 2001 geführte Krieg in Mazedonien, der die Öffentlichkeit lange Zeit vor anderen außenpolitischen Themen beschäftigt hatte, geriet in Vergessenheit. Mit dem Krieg in Mazedonien und dem Afghanistan-Krieg waren 2001 zwei neue Kriege zu verzeichnen. Hingegen konnten glücklicherweise sechs Kriege des Vorjahres aus der Liste gestrichen werden. Von 1945 bis zum Ende des Kalten Krieges wies die Statistik trotz leichter Schwankungen einen relativ kontinuierlichen Anstieg bis zum Höchststand von 55 kriegsähnlichen bewaffneten Konflikten auf. Bis 1997 sank diese Zahl bis auf 28 - als um fast die Hälfte.

Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) nennt für das Jahr 2002 konkret Kriege in 12 Ländern: Rußland (Tschetschenien-Krieg), Sudan, Uganda, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Angola, Elfenbeinküste, Liberia, Kolumbien, Nepal, Afghanistan, und Israel/Palästina. Der Krieg in Angola ist zwar beendet, hingegen Konflikte in Somalia und der Zentralafrikanischen Republik eskaliert. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um innerstaatliche Konflikte. Die Zahl der Getöteten lag allein bei den Kriegen im Kongo bei 2,5 Millionen und im Sudan bei 2 Millionen.

Beachtlich ist, daß im Gegensatz zu landläufigen Vorurteilen territoriale Konflikte in den wenigsten Fällen zu bewaffneten Kämpfen führen. Das HIIK schreibt hierzu: "Die im Jahr 2002 laufenden politischen Auseinandersetzungen werden am häufigsten um die Konfliktgüter nationale Macht, Territorium und Autonomie geführt. Dabei werden fast alle Territorialkonflikte ohne den Einsatz von Gewalt ausgetragen. Im Gegensatz zu Territorialkonflikten sind Konflikte um innerstaatliche Macht (...) oder um Autonomie (...) sehr gewaltintensiv." Und in der Regen konnte die UNO dort auch wenig ausrichten.

Vergessen sind auch weitgehend die Kriege der USA. Überlagert wurde die Erinnerung vielleicht durch die immerwährende Hervorhebung des Vietnamkriegs. Auch ein noch relativ junger und angeblich "grüner" Oberbürgermeister in Freiburg erinnerte sich bei einer Podiumsdiskussion nicht an die Kriege der USA zwischen Vietnam-Krieg und Kosovo-Krieg 1999, den er als gerechtfertigt ansah, und meinte, die USA habe sich seit den 70er Jahren grundlegend gewandelt.

Die Kriege der USA weltweit

Quelle: UPI, Heidelberg

Ein Grund für das Vergessen mag auch sein, die Welt in einem rosa Licht sehen zu können und sich einer Kritik an den Mächtigen soweit als möglich zu enthalten. Denn eines ist klar: Das Ende der Blockkonfrontation hat weder Krieg zum Verschwinden gebracht, noch in nennenswertem Umfang zu Abrüstung oder gar der Abschaffung der Atomwaffen geführt. Solange Kapitalismus die globale Wirtschaftsordnung ist, wird es weiter Krieg geben. Es wäre Zeit, darüber nachzudenken, wie eine Wirtschaftsform in demokratischer Weise aufgebaut werden kann, um diesen Globus gerechter und friedlicher zu machen.

 

Klaus Schramm

 

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