Geburtswehen eines europäischen Kriegschiffbau-Konzerns
Mit dem europäischen Rüstungs-Konzern EADS hat sich in den vergangenen Jahren ein "global player" entwickelt, der vornehmlich auf dem internationalen Markt für "Güter" im Bereich der Luftwaffe um Anteile kämpft. An EADS ist auch weiterhin - entgegen anderslautender Meldungen der vergangenen Monate - DaimlerChrysler beteiligt. Im Zeichen der Globalisierung entsteht nun im Bereich des Kriegsschiffbaus ein weiterer gesamteuropäischer Konzern. Wie bei allen Fusionen versuchen sich die beteiligten Konzerne zuvor eine möglichst vorteilhafte Ausgangsposition zu verschaffen. Auch hierbei dienen die nationalen Regierungen als Agenturen.
Dies erinnert an die Situation vor dem Ersten Weltkrieg als es bei der Konkurrenz zwischen den britischen und deutschen Kriegschiff-Werften einen Wettlauf gab, der auf deutscher Seite propagandistisch durch den Flottenverein, einem Interessenverband der deutschen Werften und Stahlindustrie, vorangetrieben wurde. Durch massive kreditfinanzierte staatliche Aufträge gewann Deutschland den Wettlauf um die größte europäische Flotte gegen Großbritannien. All die darin vergeudete Mittel, die den Menschen in Europa ansonsten zu einem paradiesisches Leben hätte verhelfen können, wurden dann nach 1914 in wenigen Jahren mit Mann und Maus in den Meeren versenkt. So wie bei allen bisherigen historischen Beispielen von Aufrüstung, wird es auch diesmal notwendig zum Krieg führen, wenn es der Menschheit nicht erstmals gelingt, den Wahnsinn rechtzeitig zu stoppen.1
Im Unterschied zur Situation vor den beiden Weltkriegen sind die treibenden Kräfte jedoch längst über den nationalstaatlichen Rahmen hinaus gewachsen oder - wie im vorliegenden Fall - eben im Begriff, darüber hinaus zu wachsen. EADS beispielsweise ist ein "waschechter" europäischer Konzern, der es vermag, die nationalen Regierungen gegeneinander auszuspielen. Da die französischen Rüstungs-Konzerne im Wettlauf um eine "maritime EADS" zur Zeit die Nase vorne haben, drängen sie auf eine möglichst baldige Fusion. Wie bei jeder Fusion wird nur ein Teil des Managements der beteiligten Konzerne seinen Job behalten.
Als Agent der deutschen Kriegsschiff-Werften bremst allerdings zur Zeit die deutsche "rot-grüne" Bundesregierung die Entwicklung. Der deutsche Kriegsschiffbau wird derzeit unter Führung von ThyssenKrupp konzentriert, um im Oktober mit einem neuen deutschen Werften-Gigant in die "europäische Endrunde" zu gehen. Hierzu wird ein neuer Verbund zwischen den ThyssenKrupp-Werften Nordseewerke und Blohm & Voss sowie der Kieler Werft HDW geschmiedet. "Rot-Grün" hofft, so ist in den einschlägigen Wirtschaftszeitungen zu verfolgen2, daß sich das deutsche Management beim Zusammenschluß mit den französischen Konzernen behaupten wird.
Der Geschäftsführer des Ausschusses Verteidigungswirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie erklärte, damit erhöhten sich die Chancen für eine "stärkere nationale Stellung in Hinblick auf die geplante Kooperation der europäischen Rüstungsindustrie insgesamt". Das entspricht exakt den "rot-grünen" Plänen: Wirtschaftsminister Clement sagte, durch den Zusammenschluß werde die deutsche Position im weiteren Konzentrationsprozeß der Werftindustrie in Europa gestärkt. Und der SPD-Verteidigungsexperte Bartels formulierte offen den deutschen Anspruch auf die Hegemonie im Kriegsschiffbau: "Die neue Holding kann nun auch den Blick auf europäische Lösungen richten und hier eine Führungsrolle beanspruchen." Ob sich so nun plötzlich wieder der Primat der Politik realisieren läßt oder ob "Rot-Grün" hier nicht lediglich hinter Großmachtsphantasien die eigene Rolle als Agentur wirtschaftlichen Interessen rationalisiert, die längst dem nationalen Korsett entwachsen sind, wird die Zukunft zeigen. Die Anti-These zur hier dargelegten Position besagt, Deutschland werde auf dem Weg über die europäische Integration durch die ihm als zentrale und stärkste europäische Macht innewohnende Dynamik und statt durch Eroberung durch "Fusion" den Status einer Weltmacht erreichen. Der weitere Gang der Geschichte wird zeigen, ob bei einer zukünftigen EU-Regierung nationale Zugehörigkeiten eine Rolle spielen werden und ob das Zentrum der Macht bei dieser EU-Regierung oder in den Führungsetagen der Konzerne liegen wird.
Auf französischer Seite ist derweil ein ähnliches Spiel zu beobachten: Die französische Militärwerft DCN und der französisch-britische Rüstungskonzern Thales haben zunächst versucht, den deutschen Zusammenschluß durch eine Übernahme der deutschen U-Bootwerft HDW zu torpedieren. Nachdem dieser Versuch scheiterte, rücken nun die französischen Kriegschiff-Werften enger zusammen, um ihrerseits für die bevorstehende Fusion eine optimale Ausgangsposition zu erlangen. Hierzu werden mit Unterstützung der französischen Regierung in einem ersten Schritt die Kriegsschiffbau-Sparten von DCN und Thales fusioniert. Der französische Staat ist Eigentümer der DCN und mit 31 Prozent als Großaktionär bei Thales direkt beteiligt. Ein parlamentarischer Bericht begrüßt bereits den Zusammenschluß der französischen Akteure als "notwendige Voraussetzung" für eine weitergehende europäische Allianz, in der Paris die operative Führung beansprucht.
Weitere Beteiligte des geplanten "EADS der Meere" - genannt werden Finmeccanica und Fincantieri aus Italien und Izar aus Spanien - hätten sich der Dualhegemonie unterzuordnen, heißt es in den Medien. Ob sich an der Spitze des entstehenden Kriegschiff-Konzerns tatsächlich deutsche oder französische Manager durchsetzen werden, erscheint fraglich. Wie sich beispielsweise beim Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Josef Ackermann, zeigt, stört sich an dessen Schweizer Staatsbürgerschaft in den Chef-Etagen der europäischen Konzerne kein Mensch.
Die "rot-grüne" Bundesregierung unterstützt - aus welchen Interessen auch immer und in trauter Eintracht mit der "schwarz-gelben" Opposition - mit allen Kräften die deutsche Kriegsschiffbau-Konzerne in Pokerspiel um die Dominanz bei der Fusion. Dazu soll jetzt der milliardenschwere Auftrag für den Bau neuer Fregatten für die Bundesmarine vorgezogen werden. Dies sei eine "Anschubhilfe" für den deutschen Werften-Verbund und eine Stärkung der Position vor einem möglichen Zusammengehen mit französischen Werften, heißt es ausdrücklich. Aus diesem Anlaß blökte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Arnold im Reichstag als sei die Zeit seit dem 4. August 1914 stehengeblieben: "Die französischen Partner müssen lernen, daß die Deutschen ihre Interessen genauso engagiert wahrnehmen."
Ute Daniels
Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
'Der Leichnam stinkt seit 90 Jahren' (4.08.04)
2 Siehe auch
'Thales forciert Pläne für Schiffbaukonzern',
Financial Times Deutschland v. 8.07.2004
und
'"EADS der Meere" kommt voran', Handelsblatt v. 26.07.2004
'"Wir sind uns einig, wie eine maritime EADS aussehen soll"',
Handelsblatt v. 26.07.2004
'Marine-Industrie sieht Vorschläge einer
Partnerschaft mit Frankreich skeptisch /
Deutsche Werften wollen warten', Handelsblatt v. 27.07.2004
'Paris dringt auf Werften-Verbund', Die Welt v. 28.07.2004
'Internes Strategiepapier / Werftenfusion scheiterte nur knapp',
Handelsblatt v. 4.08.2004
'Vorgezogener Milliardenauftrag soll
deutschen Werftenverbund stärken', Handelsblatt v. 4.08.2004
Unter Verwendung von:
'Informationen zur Deutschen Außenpolitik'
(www.german-foreign-policy.com)