Im Windschatten der Menschenrechtsverletzungen durch das diktatorische Regime Fidel Castros, holt die
US-Administration zu einer weiteren Stufe von Provokationen aus, um die angespannte Situation zu eskalieren.
In Betracht gezogen werden Einschränkungen von Finanztranfers, die von in der USA lebenden Kubanern an auf
der Insel lebende Familienmitglieder geleistet werden, und ein Stop der direkten Charter-Flüge, die überwiegend
von kubanischen Emigranten genutzt werden, um ihre Heimat zu besuchen. Diese Sanktionen zielen darauf ab,
die seit vierzig Jahren aufrechterhaltene Blockade gegen Kuba zu forcieren.
Die internationale Kampagne der US-Administration, Kuba wegen Menschenrechtsverletzungen zu isolieren, ist
allerdings ein Musterbeispiel widerlichster Heuchelei. Mehr als 600 Gefangene - einschließlich Jugendlicher - werden
ohne Rechtsgrundlage in Guantanamo auf Kuba festgehalten. Nicht etwa von Castro. George W. Bush war bereits vor
Antritt seiner US-Präsidentschaft ein 152-facher Mörder. 152 Menschen hätte er durch Begnadigung als Gouverneur
von Texas vor der Toderstrafe retten können. Die US-Administration ist verantwortlich für den Tod tausender irakischer
Zivilisten und Soldaten, die oft genug weder eine Chance zu desertieren noch überhaupt zu kämpfen hatten. Dieses
Regime des "Shock and Awe" wagt es, als Ankläger gegen das kubanische Regime aufzutreten, weil dieses 75
Dissidenten in einem summarischen Verfahren drakonisch bestrafte, während diese von der US-Seite gedeckt
werden, und weil es drei Entführer zum Tode verurteilte und ermordete. Diese hatten eine Fähre in ihre Macht
gebracht und die Passagiere mit dem Tode bedroht. Es war die erste Vollstreckung einer Todesstrafe in den letzten
drei Jahren. Das sei hier erwähnt, nicht etwa, um zu verharmlosen, sondern um die auch in den deutschen Medien
verrückten Dimensionen geradezurücken.
Zu den Dissidenten ist noch anzumerken, daß von außen nicht beurteilt werden kann, ob sie und falls ja, wieviele,
vom CIA bezahlt waren. Es wäre nicht das erste mal, das es gerade die Falschen trifft. Das umfangreiche, vom
kubanischen Außenminister der Weltöffentlichkeit präsentierte Material, läßt allenfalls darauf schließen, das die
oppositionellen Gruppen weitestgehend von "informellen Mitarbeitern" des kubanischen Regimes infiltriert sind. Eine
neutrale Überprüfung des Materials ist jedoch nicht möglich. Nicht in Zweifel gezogen sei hier allerdings, daß enorme
Dollar-Ströme nach Kuba fließen, um das Castro-Regime zu destabilisieren.
Beachtlich ist auch die Vorgeschichte dieser neuerlichen Eskalation. Die inhumanen und jeglichem Verständnis von
Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechenden Akte des kubanischen Regimes sind nichts desto Trotz mit keiner Form von
Selbstverteidigung welcher Art auch immer zu rechtfertigen. Linke, die sich gegen die Todesstrafe in der USA einsetzen,
machen sich unglaubwürdig, wenn sie diese in Kuba zu rechtfertigen suchen.
Die US-Administration hatte mit James Cason einen neuen Vertreter ihrer Interessen nach Kuba entsandt. Dieser
US-Diplomat veranstaltete Treffen mit kubanischen Dissidenten und lud im März Vertreter dieser Seite zu einer
Besprechung in seine Residenz, um die disparaten Gruppierungen zusammenzuschweißen und zukünftige
US-Statthalter aufzubauen. Cason verheimlichte auch nicht seine Treffen mit Organisationen der militanten
Exil-Kubaner in Florida, wie der CANF (Cuban American National Foundation), die für Mordpläne gegen Castro
bekannt sind.
John Bolton vom US State Departement hatte letztes Jahr behauptet, Kuba betreibe ein B-Waffen-Programm (, während
diese Behauptung zwar im Hinblick auf die USA selbst bewiesen ist, sich jedoch
zumindest im Hinblick auf den Irak als Kriegs-Propaganda entpuppte). Das weckt berechtigte Ängste in Kuba - nicht nur
bei Castro - und stellt die Frage in den Raum, ob etwa Kuba als nächste Position auf der US-amerikanischen Wunschliste
nach "Regime-Wechsel" steht. So berührte kürzlich der US-Botschafter in der Dominikanischen Republik exakt diese
Frage: "Ich denke, das was im Irak geschehen ist, sendet an Kuba ein sehr positves Signal und ist ein sehr gutes
Beispiel." Ähnlich äußerte sich auch Jeb Bush, Governeur von Florida und Bruder des US-Präsidenten.
Die auf Provokation angelegte Kampagne Casons und die genannten Äußerungen erzielten bei der Castro-Administration
genau die gewünschte Wirkung. Eine gewollte Nebenwirkung liegt zudem darin, daß eine zunehmende Annäherung an
Kuba unter republikanischen Abgeordneten aus ländlichen Staaten, die der US-Agrarwirtschaft nahe stehen, untergraben
werden konnte. Diese Kräfte hatten auf eine Milderung der Handels-Sanktionen gegen Kuba hingearbeitet. Allein auf diesem
Hintergrund waren auch die Bemühungen des Ex-Präsidenten Carter für eine Lockerung des Kuba-Embargos zu verstehen.
Die einzige Chance Kubas läge allerdings gerade in der Isolation und dem Aufbau einer autarken Wirtschaft. Die
Abhängigkeit des Außenhandels (über 80 Prozent) bis zum Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums bedingte die
Abhängigkeit von diesem politischen System und den Erhalt der Diktatur einer kleinen bürokratischen Clique. Die
Abhängigkeit vom Tourismus bedingt nicht nur ein erschreckendes Ausmaß an Prostitution; im Zusammenwirken mit
einer Abhängigkeit von Agrar-Exporten wird sie nach dem unweigerlichen Zusammenbruch des Castro-Regimes in eine
Abhängigkeit von der USA nach dem Maßstab der übrigen mittel- und südamerikanischen Staaten führen. Folge davon
wird dann der Verlust der wenigen, aber nicht unbedeutenden Errungenschaften wie hohes Alphabetisierungsniveau
und kostenfreies allgemeines Gesundheitssystem sein, die allein dem Aufrechterhalten einer Illusion von Sozialismus
geschuldet sind.
In der US-Embargo-Politik liegt eine unermeßliche Chance: Alle bisherigen Versuche zum Aufbau einer nicht von
außen bestimmten Wirtschaft in Ländern der "Dritten Welt" werden durch die - notfalls von Seiten der Industrienationen
subventionierten - Dumpingpreise des Weltmarkts zunichte gemacht. Auch der Aufstieg der USA von einer englischen
Kolonie zur Weltmacht gelang allein durch die Abschirmung der eigenen Wirtschaft mit Hilfe von Schutz-Zöllen. Eine
im Aufbau begriffene Wirtschaft ist international nicht konkurrenzfähig. Die selbstgewählte Isolation hätte zudem den
Vorteil, daß das Einschleusen von CIA-Geldern unvergleichlich schwieriger würde. Eine Kontrolle von politisch freien
Gruppierungen, die eine Pflicht zur Offenlegung ihrer Finanzen erfüllen müßten, könnte dann auch nicht mehr mit der
Verhinderung US-amerikanischer Einmischung gerechtfertigt werden. Allein eine gewaltfreie und unerschrocken öffentlich
auftretende kubanische Opposition wäre in der Lage, diesen Weg einzuschlagen. Die Unterstützung einer solchen
Opposition - nicht durch finanzielle Mittel, sondern allein durch persönliche Mitarbeit und informelle Hilfe - wäre eine
echte internationale Solidarität mit dem kubanischen Volk.
Adriana Ascoli