Hoffnung für die UreinwohnerInnen der Kalahari?
Mit der Verleihung des Alternativen Nobelpreises an die Organisation 'First People of the Kalahari' ist es nun auch den Mainstream-Medien nicht mehr möglich, den Zusammenhang zwischen dem Diamanten-Abbau in der Kalahari und der Vertreibung der dort seit Zehntausenden von Jahren lebenden Ethnie zu leugnen. Bei den 'First People of the Kalahari', also den ersten Menschen der Kalahari, handelt es sich um die "Buschmänner" - in ihrer eigenen Sprache: !Kung oder San oder auch als Gana und Gwi-Völker bezeichnet. Über Jahre hin wurde allenfalls verharmlosend von "Umsiedlungsaktionen" gegen diese UreinwohnerInnen berichtet und in solchen Artikeln zugleich bestenfalls "vermutete" Diamantenvorkommen erwähnt - während in anderen Artikeln der reiche Ertrag der Diamanten-Minen in der Kalahari gefeiert wurde, ohne über die !Kung auch nur einen Nebensatz zu verschwenden.1
Der unter mehreren Organisationen und Einzelpersonen aufgeteilte Alternative Nobelpreis der schwedischen Right-Livelihood-Stiftung, der mit insgesamt 2 Millionen Kronen (213.000 Euro) dotiert ist, wurde neben anderen auch Roy Sesana als Gründer der 'First People of the Kalahari' zuerkannt. Roy Sesana - in seiner eigenen Sprache: Tobee Tcori - ist in Botswana Gerichtsverfahren ausgesetzt und ihm droht eine Gefängnisstrafe. So verleiht die Publizität des international renommierten Preises den von der Jury bewußt ausgewählten Persönlichkeiten zugleich einen gewissen Schutz vor politischer Verfolgung.
Der Menschenrechts- und Umweltschutz-Aktivist Roy Sesana und die Organisation 'First People of the Kalahari' kämpfen um das Recht, auf das Land in der Kalahari, das sie als Jäger- und Sammler nie geschädigt haben, zurückkehren und dort weiter nach ihren eigenen Vorstellungen leben zu dürfen. Dort haben sie sich selbst versorgen können und nachweislich weitaus gesünder gelebt als durchschnittliche BewohnerInnen der Industrieländer. Sie wurden von ihrem Land mit Gewalt vertrieben, weil sie der Ausbeutung der Diamantenvorkommen im Wege sind. Sowohl der botswanische Staat als auch der Diamanten-Multi de Beers profitieren bei einer Milliarden-Ausbeute, während die !Kung in miserablen Lagern festgehalten werden, wo sie in großer Zahl dem Alkoholismus und AIDS anheim fallen. Auf den Wirtschaftsseiten der Mainstream-Medien ist seit langem zu lesen, daß sich die wertvollsten Quadratmeter Grundbesitz in Afrika in der Kalahari in Botswana befinden. Kipplaster in der Größe zweistöckiger Häuser und mit Reifen von drei Metern Durchmesser transportieren mit jeder Fuhre 240 Tonnen Gestein aus einem bis zu 200 Meter tiefen Tagebau. Eine einzelne Mine beansprucht dabei die Fläche von 50 Fußballfeldern. Allein in der Mine Jawaneng werden Jahr für Jahr Diamanten im Wert von über einer Milliarde Dollar gefördert.
Der in Molapo geborene und schätzungsweise über 70 Jahre alte Roy Sesana zählte 1991 er zu den MitgründerInnen der 'First People of Kalahari'. Sie erlangte besonderen Einfluß, als die botswanische Regierung 1997 und 2002 Umsiedlungen erzwang, ohne auch nur minimale Menschenrechts-Konventionen zu achten. Seitdem werden die AktivistInnen von Staatsseite überwacht, zahlreiche Mitglieder wurden mißhandelt, getötet oder sind inhaftiert.
Der Oberste Gerichtshof von Botswana beschäftigt sich seit Juli 2004 mit einer Klage von 243 Angehörigen der !Kung wegen deren Vertreibungen. Sie führen eine Art Musterprozeß gegen den Staat, der große Bedeutung für viele indigene Ethnien weltweit erlangt hat. Die Bedingungen, unter denen das Gerichtsverfahren stattfindet - in einer abgelegenen Region im Westen von Bostwana, ohne Telefon, ohne Nachrichtenverbindungen - und die absolute Geringschätzung des Regimes gegenüber dem Rechtsanspruch und den Grundrechten der !Kung lassen keine optimistischen Erwartungen zu. Dennoch hat das Verfahren einen Teil dazu beigetragen, die extreme Situation, in der sich die Überlebenden der !Kung befinden, öffentlich zu machen. Der Prozeß wurde bereits mehrmals vertagt und wird nach neuesten Informationen nicht vor Februar 2006 weiter verhandelt werden.
Ausdrücklich wird in der Begründung der Preis-Jury der "resolute Widerstand gegen die Vertreibung vom Land ihrer Vorfahren und für ihr Festhalten an dem Recht, ihren traditionellen Lebensstil beizubehalten" anerkannt. Erst fünf Tage vor der Bekanntgabe des diesjährigen Alternativen Nobelpreises wurden AnführerInnen von 'First People of the Kalahari' verhaftet und mißhandelt. Eine Gruppe von 28 !Kung-Angehörigen war mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen und Einzelne daraus verhaftet worden. Die Gruppe hatte lediglich versucht, Nahrungsmittel und Wasser zu ihren Verwandten ins Innere der Kalahari zu bringen, aus der sie immer wieder vertrieben werden. Die Verhafteten wurden brutal geschlagen, auch nachdem sie bereits mit Handschellen gefesselt waren.
Der Vorfall trug sich in New Xade am Rande der Kalahari zu. In diesem kleinen, weit abgelegenen Ort zeigt sich der Konflikt beispielhaft. Rund 2.500 Angehörige der !Kung wurden aus einem Gebiet von der Größe der Schweiz zwangsweise nach New Xade umgesiedelt. Staatsvertreter aus der Hauptstadt Gaborone behaupten, die !Kung könnten sich außerhalb der Kalahari besser in die Gesellschaft integrieren. Roy Sesane und seine Leute hingegen sind überzeugt, daß es Gaborone und dem mit der Regierung über ein Jointventure verbundenen Diamanten-Multi de Beers ausschließlich um die Ausbeutung der Diamanten-Vorkommen in der Kalahari geht. Zuletzt wurden 2002 aus dem zum Wildpark erklärten Kalahari-Gebiet rund 2.200 Angehörige der !Kung vertrieben, nachdem ihnen zunächst Wasser und Strom abgestellt und medizinische Betreuung verweigert wurde.
Eine BBC-Reportage berichtete von Krankheiten, Gewalttätigkeit und Alkoholismus in den Lagern. Roy Sesana sagt, die !Kung verlören ihre traditionelle Lebensweise: "Bevor wir umgesiedelt wurden, erreichten unsere Leute ein hohes Lebensalter. Nun gibt es neue Krankheiten und die Zahl der Toten in den Flüchtlingslagern ist hoch". Er versucht, alle Mittel und Wege zu nutzen, und schrieb auch einen Brief an US-Präsident G. W. Bush. Vergangenes Jahr brachte Sesana sein Anliegen selbst dem Kongreß in Washington vor. Damals sprach die botswanische Botschaft dem drahtigen Ureinwohner mit einer Vorliebe für selbst gedrehte Zigaretten ab, alle !Kung zu vertreten. Er solle doch froh sein, daß seine Stammesangehörigen nun Wasser, Gesundheitsversorgung und Schulbildung bekämen, die aus den Diamanten-Einnahmen Botswanas finanziert würden. Sesana dagegen erklärt: "Es gibt keine Entwicklungsprojekte für uns - nur einen Plan, unsere Kultur zu vernichten und das Land für Diamantenschürfer zu räumen, insbesondere für das Unternehmen de Beers". Weltweites Aufsehen hatte Roy Sesana auch bei Reisen nach Großbritannien und zum 'Permanenten Forum indigener Völker' der Vereinten Nationen in New York erregt: "Wir werden als Bürger zweiter Klasse behandelt. Wir sind nicht wie andere Menschen, die über alle ihre Bürgerrechte und über ihr Recht auf eine eigene Sprache verfügen. Unsere Sprache wird in den Schulen nicht unterrichtet - das ist unmenschlich und entwürdigend. Es gibt für uns keine Zukunft, wenn sich dies nicht ändert."
Botswana wird in den Mainstream-Medien gerne als Musterland Afrikas dargestellt, in dem seit seiner Unabhängigkeit 1966 immer demokratische Verhältnisse geherrscht hätten. Die Wirtschaft boomt dank des Diamanten-Abbaus, doch zugleich ist die AIDS-Rate in Botswana eine der höchsten in Afrika. Dies paßt ebenso wenig zur die angebliche "Erfolgsgeschichte" Botswanas wie die unbeugsamen !Kung, die lieber autonom und in ihrer Heimat leben wollen.
Als "schallende Ohrfeige für die Regierung Botswanas und ihre diskriminierende Ureinwohner-Politik" hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Verleihung des Alternativen Nobelpreises an Roy Sesana und die 'First People of the Kalahari' bezeichnet. "Für Botswanas Regierung kommt die Auszeichnung dieses Staatsfeindes Nummer eins äußerst ungelegen", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Wir hoffen, daß Botswanas Behörden die Ureinwohner nicht länger kriminalisieren und daß sie in ihre Heimat zurückkehren können." Weit über Botswana hinaus sei die Auszeichnung darüber hinaus wichtig, weil sie auf den Überlebenskampf der indigenen Völker weltweit aufmerksam mache. So würden auch ihre enormen Anstrengungen gewürdigt, sich in Organisationen zusammenzuschließen, um ein Ende ihrer Diskriminierung zu fordern. Der Aufbau von Selbsthilfeorganisationen seit Beginn der 90er Jahre sei beispielhaft und ohne Sesanas Engagement undenkbar gewesen.
Klaus Schramm
Anmerkung:
1 So war beispielsweise noch am 2. Juni 2005 in der 'Badischen Zeitung' ein Artikel von Johannes Dieterich erschienen unter der Überschrift "Aids ist ein Problem, aber sonst ist Botswana ein Musterland". Dieterich berichtete darin breit über den Diamantenabbau in der Kalahari, ohne Umweltgesichtspunkte auch nur zu streifen. Über die !Kung und den Völkermord an dieser Ethnie war kein Wort in diesem Artikel zu finden. Siehe hierzu auch:
'Badische Zeitung schaut weg bei Völkermord'(3.06.05)