Wer im Frühsommer das Dorf Lacoma bei Cottbus besucht, kann die Bekanntschaft eines inzwischen fast
ausgestorbenen Tierchens machen: der Rotbauchunke. Allerdings zunächst nur eine akustische Bekanntschaft.
Wer weiß denn überhaupt noch, auf welchen Lustlaut das böse Wort vom "Unken" zurückgeht (es wurde einmal wieder
geunkt, die Arbeitslosenzahlen würden weiter ansteigen...1).
Im Frühsommer ist Paarungszeit und da
unken die Rotbauchunken aus voller Kehle. Ansonsten sind Unken, sowohl die noch nicht ganz so seltenen
Gelbbauch- wie auch die Rotbauchunken, nur schwer zu entdecken. Denn sie lieben kleine, schlammige Pfützen
und flache Gewässer und sind im Gegensatz zu den meisten einheimischen Frosch- und Krötenarten am liebsten
den ganzen Tag unter der Wasseroberfläche. Wer genau hinsieht, entdeckt allerdings gelegentlich ein Augen-Paar,
das mit lustigen herz-förmigen Pupillen aus den Wasser herausragt. Die Tarnung ist zudem durch eine dem
vorgefundenen Untergrund angepaßte braune Oberseite perfektioniert.
Einmal entdeckt, kann eine Unke jedoch sogar den Storch in die Flucht schlagen. Sie dreht sich blitzartig auf
den Rücken und präsentiert ihre rot-schwarz oder gelb-schwarz gezeichnete Unterseite, eine Farbkombination,
die im gesamten Tierreich als unbedingtes Warnsignal verstanden wird. Doch leider versteht der Energie-Multi
'Vattenfall' diese Sprache nicht...
Die Gegend um Lacoma ist eines der letzten größeren Vorkommen der schon lange auf der Roten Liste verzeichneten
und zudem akut vom Aussterben bedrohten Rotbauchunke. Sicher handelt es sich um das größte Rotbauchunken-Biotop
in Brandenburg und vermutlich auch in ganz Deutschland.
Während die meisten Populationen bis auf wenige Tiere geschrumpft und zudem durch landwirtschaftliche, industrielle
und Siedlungsflächen isoliert und von Straßen durchschnitten sind, lebt bei Lacoma auf engem Raum neben der
Rotbauchunke zudem noch der Laubfrosch (der angeblichen Wetterprophet, den mensch früher in Marmeladegläser
sperrte), der Moorfrosch und etliche grüne Verwandte, die seltene Knoblauchkröte und die Wechselkröte - insgesamt
fast alle einheimischen Amphibienarten.
Der Braunkohlebagger rückt an
Die LAUBAG (Lausitzer Braunkohle AG) , eine Tochter des Energie-Multis Vattenfall, will das gesamte Teichgebiet
"bergbaulich in Anspruch nehmen" - das heißt ratzeputz wegbaggern und im Kraftwerk Jänschwalde verheizen. Im Jahr
2005 soll die 65 Hektar große Fläche zerstört werden, was darüber hinaus auch die Austrocknung angrenzender
Bruchwälder und feuchter Weidenbusch-Gebiete zu Folge hätte.
Das sorbische2 Sprichwort "Gott schuf die Lausitz und der Teufel legte die Kohle darunter" meint die
LAUBAG mit dem Verweis auf (mal wieder) versprochenen Wohlstand und Arbeitsplätze zu widerlegen. Doch trotz
gestiegenem Kohleabsatz hat die LAUBAG im Geschäftsjahr 2001 über 35 Millionen Euro Verlust gemacht. Ähnlich
verlustreich wird das Kraftwerk Jänschwalde betrieben, das den Strom sogar billiger verkauft als die eigenen
Produktionskosten betragen.
Aufgrund der europäischen FFH (Fauna-Flora-Habitat)- Naturschutzrichtlinie müßte das Gebiet um Lacoma längst
als Natura-2000-Schutzgebiet ausgewiesen sein. Aber Gerüchten zufolge hält Atom-Minister Trittin die Rotbauchunke
für ein Relikt aus seiner kommunistischen Jugendzeit. Und auch die für den Naturschutz zuständigen Bundesländer
(ein Nationalpark käme allerdings ebenso in Betracht) nehmen es mit der in der FFH-Richtlinie vorgeschriebenen, rein
naturschutzfachlichen Gebietsauswahl nicht allzu genau. Ein von der 'Grünen Liga Brandenburg' beauftragtes Gutachten
des Büros 'Lahmayer ERM International' überprüfte die vom Land Brandenburg aufgestellten Kriterien und kam zum
Ergebnis, daß "die Aufnahme des Gebietes in die FFH-Vorschlagsliste unverzichtbar" sei. Doch das verhallte ungehört.
Und Lacoma ist nicht nur für Amphibien unverzichtbar. Auch seltene Vögel haben hier eines ihrer letzten Rückzugsgebiete
gefunden. Hier brütet die Zwergrohrdommel und die Schellente, hier ernähren sich Seeadler, Schwarzstörche, zahlreiche
Limikolen und seltene Entenarten, hier rasten Tausende nordische Gänse. Der NABU hat das Gebiet deshalb als
bedeutendes Vogelschutzgebiet (IBA) gemeldet, das ebenfalls europäischen Schutz genießen müßte.
Mehr als 25.000 Menschen aus 78 Orten der Lausitz wurden in den letzten Jahrzehnten von der Braunkohleindustrie
umgesiedelt. Allein der Tagebau Cottbus-Nord zerstörte lange vor Lacoma die Dörfer Tranitz, Groß und Klein Lieskow im
Siedlungsgebiet der sorbischen nationalen Minderheit. Die Abbaupläne für Lacoma fußen auf dem regionalen
Braunkohleplan, der 1994 für den Tagebau Cottbus-Nord in Kraft gesetzt wurde. Aufgrund einer erfolgreichen
Verfassungsklage zum Nachbar-Tagebau Jänschwalde - Stichwort: Horno - muß dieser Plan nun überarbeitet und
noch einmal verabschiedet werden. Die Landesplanungsbehörde versucht bisher zu verschleiern, dasß damit eine
neue Abwägung aller Planinhalte ansteht. Es geht eben nicht nur um eine Aktualisierung des Planes.
Die Naturschutzverbände wie der NABU und die Grüne Liga sehen im Verfahren die Chance, die Planung von 1994
zu korrigieren und die "Natura-2000-Würdigkeit" von Lacoma durchzusetzen. Es besteht also noch Hoffnung auf
einen dauerhaften Erhalt und Schutz des Gebietes.
Doch zeitgleich läuft bereits das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren zur Beseitigung der Teiche. Damit soll
vor allem der jahrelange Streit über Art, Umfang, Sinn oder Unsinn von Ausgleich und Ersatz für Lacoma beendet
werden. Die Haltung der Umweltverbände ist klar: Lacoma ist weder versetzbar noch ersetzbar. Es geht nicht nur um
drei geschützte Amphibienarten, sondern um ein Jahrhunderte lang gereiftes Ökosystem, das vom Kleinkrebs bis zum
Totholzkäfer mehr als 150 Rote-Liste-Arten beherbergt.
Der beste Schutz für die bedrohten Menschen und Tiere von Lacoma ist jedoch Öffentlichkeit. Der Skandal muß
bundesweit bekannt werden. Und so veranstalteten die Dorfbewohner im Juni wieder ein großes Fest. Gegenüber
den Lacoma-Festen der letzten Jahre brach es sämtliche Rekorde, was die Besucherzahl und positive Reaktionen
angeht. (Nähere Informationen siehe: www.lacoma.de)
Aber denoch besteht der Vattenfall-Konzern weiterhin auf dem Abriß Lacomas im Oktober. Sollte Vattenfall seine
Pläne nicht ändern, ist für September eine bundesweite Mobilisierung angesagt, um das Dorf notfalls durch
Sitzblockaden schützen zu können.
Adriana Ascoli
Anmerkung:
1 Ebenso dümmlich ist die Redewendung "eine Kröte schlucken müssen", die wie der
Gebrauch des Wortes "unken" negative Assoziationen in den Köpfen zementiert. Von Nahem betrachtet sind Unken
oder auch goldäugige Kröten mindestens so "süß" wie Hamster oder Meerschweinchen.
2 Die Sorben sind eine nationale Minderheit mit eigener Sprache. Günter Grass hat ihnen
in seinem berühmten Roman 'Die Blechtrommel' ein Denkmal gesetzt.