9.08.2003

Energie-Multi
gegen Lacoma
und Rotbauchunke

Wer im Frühsommer das Dorf Lacoma bei Cottbus besucht, kann die Bekanntschaft eines inzwischen fast ausgestorbenen Tierchens machen: der Rotbauchunke. Allerdings zunächst nur eine akustische Bekanntschaft. Wer weiß denn überhaupt noch, auf welchen Lustlaut das böse Wort vom "Unken" zurückgeht (es wurde einmal wieder geunkt, die Arbeitslosenzahlen würden weiter ansteigen...1).

Im Frühsommer ist Paarungszeit und da unken die Rotbauchunken aus voller Kehle. Ansonsten sind Unken, sowohl die noch nicht ganz so seltenen Gelbbauch- wie auch die Rotbauchunken, nur schwer zu entdecken. Denn sie lieben kleine, schlammige Pfützen und flache Gewässer und sind im Gegensatz zu den meisten einheimischen Frosch- und Krötenarten am liebsten den ganzen Tag unter der Wasseroberfläche. Wer genau hinsieht, entdeckt allerdings gelegentlich ein Augen-Paar, das mit lustigen herz-förmigen Pupillen aus den Wasser herausragt. Die Tarnung ist zudem durch eine dem vorgefundenen Untergrund angepaßte braune Oberseite perfektioniert.

Einmal entdeckt, kann eine Unke jedoch sogar den Storch in die Flucht schlagen. Sie dreht sich blitzartig auf den Rücken und präsentiert ihre rot-schwarz oder gelb-schwarz gezeichnete Unterseite, eine Farbkombination, die im gesamten Tierreich als unbedingtes Warnsignal verstanden wird. Doch leider versteht der Energie-Multi 'Vattenfall' diese Sprache nicht...

Die Gegend um Lacoma ist eines der letzten größeren Vorkommen der schon lange auf der Roten Liste verzeichneten und zudem akut vom Aussterben bedrohten Rotbauchunke. Sicher handelt es sich um das größte Rotbauchunken-Biotop in Brandenburg und vermutlich auch in ganz Deutschland. Während die meisten Populationen bis auf wenige Tiere geschrumpft und zudem durch landwirtschaftliche, industrielle und Siedlungsflächen isoliert und von Straßen durchschnitten sind, lebt bei Lacoma auf engem Raum neben der Rotbauchunke zudem noch der Laubfrosch (der angeblichen Wetterprophet, den mensch früher in Marmeladegläser sperrte), der Moorfrosch und etliche grüne Verwandte, die seltene Knoblauchkröte und die Wechselkröte - insgesamt fast alle einheimischen Amphibienarten.

Der Braunkohlebagger rückt an

Die LAUBAG (Lausitzer Braunkohle AG) , eine Tochter des Energie-Multis Vattenfall, will das gesamte Teichgebiet "bergbaulich in Anspruch nehmen" - das heißt ratzeputz wegbaggern und im Kraftwerk Jänschwalde verheizen. Im Jahr 2005 soll die 65 Hektar große Fläche zerstört werden, was darüber hinaus auch die Austrocknung angrenzender Bruchwälder und feuchter Weidenbusch-Gebiete zu Folge hätte.

Das sorbische2 Sprichwort "Gott schuf die Lausitz und der Teufel legte die Kohle darunter" meint die LAUBAG mit dem Verweis auf (mal wieder) versprochenen Wohlstand und Arbeitsplätze zu widerlegen. Doch trotz gestiegenem Kohleabsatz hat die LAUBAG im Geschäftsjahr 2001 über 35 Millionen Euro Verlust gemacht. Ähnlich verlustreich wird das Kraftwerk Jänschwalde betrieben, das den Strom sogar billiger verkauft als die eigenen Produktionskosten betragen.

Aufgrund der europäischen FFH (Fauna-Flora-Habitat)- Naturschutzrichtlinie müßte das Gebiet um Lacoma längst als Natura-2000-Schutzgebiet ausgewiesen sein. Aber Gerüchten zufolge hält Atom-Minister Trittin die Rotbauchunke für ein Relikt aus seiner kommunistischen Jugendzeit. Und auch die für den Naturschutz zuständigen Bundesländer (ein Nationalpark käme allerdings ebenso in Betracht) nehmen es mit der in der FFH-Richtlinie vorgeschriebenen, rein naturschutzfachlichen Gebietsauswahl nicht allzu genau. Ein von der 'Grünen Liga Brandenburg' beauftragtes Gutachten des Büros 'Lahmayer ERM International' überprüfte die vom Land Brandenburg aufgestellten Kriterien und kam zum Ergebnis, daß "die Aufnahme des Gebietes in die FFH-Vorschlagsliste unverzichtbar" sei. Doch das verhallte ungehört.

Und Lacoma ist nicht nur für Amphibien unverzichtbar. Auch seltene Vögel haben hier eines ihrer letzten Rückzugsgebiete gefunden. Hier brütet die Zwergrohrdommel und die Schellente, hier ernähren sich Seeadler, Schwarzstörche, zahlreiche Limikolen und seltene Entenarten, hier rasten Tausende nordische Gänse. Der NABU hat das Gebiet deshalb als bedeutendes Vogelschutzgebiet (IBA) gemeldet, das ebenfalls europäischen Schutz genießen müßte.

Mehr als 25.000 Menschen aus 78 Orten der Lausitz wurden in den letzten Jahrzehnten von der Braunkohleindustrie umgesiedelt. Allein der Tagebau Cottbus-Nord zerstörte lange vor Lacoma die Dörfer Tranitz, Groß und Klein Lieskow im Siedlungsgebiet der sorbischen nationalen Minderheit. Die Abbaupläne für Lacoma fußen auf dem regionalen Braunkohleplan, der 1994 für den Tagebau Cottbus-Nord in Kraft gesetzt wurde. Aufgrund einer erfolgreichen Verfassungsklage zum Nachbar-Tagebau Jänschwalde - Stichwort: Horno - muß dieser Plan nun überarbeitet und noch einmal verabschiedet werden. Die Landesplanungsbehörde versucht bisher zu verschleiern, dasß damit eine neue Abwägung aller Planinhalte ansteht. Es geht eben nicht nur um eine Aktualisierung des Planes. Die Naturschutzverbände wie der NABU und die Grüne Liga sehen im Verfahren die Chance, die Planung von 1994 zu korrigieren und die "Natura-2000-Würdigkeit" von Lacoma durchzusetzen. Es besteht also noch Hoffnung auf einen dauerhaften Erhalt und Schutz des Gebietes.

Doch zeitgleich läuft bereits das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren zur Beseitigung der Teiche. Damit soll vor allem der jahrelange Streit über Art, Umfang, Sinn oder Unsinn von Ausgleich und Ersatz für Lacoma beendet werden. Die Haltung der Umweltverbände ist klar: Lacoma ist weder versetzbar noch ersetzbar. Es geht nicht nur um drei geschützte Amphibienarten, sondern um ein Jahrhunderte lang gereiftes Ökosystem, das vom Kleinkrebs bis zum Totholzkäfer mehr als 150 Rote-Liste-Arten beherbergt.

Der beste Schutz für die bedrohten Menschen und Tiere von Lacoma ist jedoch Öffentlichkeit. Der Skandal muß bundesweit bekannt werden. Und so veranstalteten die Dorfbewohner im Juni wieder ein großes Fest. Gegenüber den Lacoma-Festen der letzten Jahre brach es sämtliche Rekorde, was die Besucherzahl und positive Reaktionen angeht. (Nähere Informationen siehe: www.lacoma.de)

Aber denoch besteht der Vattenfall-Konzern weiterhin auf dem Abriß Lacomas im Oktober. Sollte Vattenfall seine Pläne nicht ändern, ist für September eine bundesweite Mobilisierung angesagt, um das Dorf notfalls durch Sitzblockaden schützen zu können.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkung:
1 Ebenso dümmlich ist die Redewendung "eine Kröte schlucken müssen", die wie der Gebrauch des Wortes "unken" negative Assoziationen in den Köpfen zementiert. Von Nahem betrachtet sind Unken oder auch goldäugige Kröten mindestens so "süß" wie Hamster oder Meerschweinchen.
2 Die Sorben sind eine nationale Minderheit mit eigener Sprache. Günter Grass hat ihnen in seinem berühmten Roman 'Die Blechtrommel' ein Denkmal gesetzt.

 

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