Zu: "Nur die zweite Geige", Beitrag von Jörg Buteweg, BZ-Thema Wahl 2002 (20.08.02)
und den darauf folgenden Leserbriefen vom 30.08..
Im Beitrag von Jörg Buteweg wurde mal wieder - auch unermüdliche Wiederholung macht
es nicht richtiger - behauptet, es gäbe kein Konzept für eine zukünftige Energiepolitik ohne
Atomstrom. Ein Leserbriefschreiber weist zurecht auf Studien renommierter Institute hin.
Es gibt paraktikable Möglichkeiten. Und die von den Stromkonzernen selbst als VDEW-Bericht
vorgelegten Zahlen beweisen: Wir haben in Deutschland derart hohe Überkapazitäten,
daß ein Abschalten sämtlicher 19 AKWs nicht mal auffallen würde. Und auch zu
Kohlekraftwerken
gibt es genügend Alternativen. Das beweist allein schon ein Blick über die deutschen
Grenzen in unsere Nachbarländer Dänemark und Holland. Dort trägt die umweltfreundliche
Kraft-Wärme-Kopplung bereits zu über 50 Prozent zur Stromgewinnung bei.
Doch der europäische Horizont der Badischen Zeitung ist trotz unserer bevorzugten Lage
im "Dreyeckland" zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz oft merkwürdig begrenzt.
Ein Blick nach Österreich, nach Italien oder nach Portugal beweist: Es geht völlig ohne
AKWs.
Und die Österreicher, Italiener und Portugiesen haben ihren Atomausstieg keinesfalls
Politikern zu verdanken. In Schweden hingegen gibt es seit langem einen
Atomausstiegsbeschluß
des Parlaments - und was ist bisher passiert? Ist dort das Vorbild für diese "rot-grüne"
Regierung zu suchen?
Kraft-Wärme-Kopplung wurde hierzulande von "Rot-Grün" per Gesetz blockiert, was den
energiepolitischen Sprecher des BUND, Prof. Klaus Traube zur Stellungnahme veranlaßte,
damit werde "lediglich die Vormachtstellung der großen Stromversorger abgesichert". Es
findet immer noch eine Gespensterdiskussion statt, ob der "Atomausstieg" durch einen
Regierungswechsel von
Schröder zu Stoiber gefährdet sei. Bisher fand kein Atomausstieg statt. Sämtliche 19
deutschen
AKWs sind weiterhin in Betrieb. Im Gegenteil: Der mit den Energiekonzernen vereinbarte
Atomkonsens ist eine Bestandsgarantie. Die ursprünglich von den Technikern für eine
Laufzeit von 25 Jahren konzipierten AKWs sollen jetzt durchschnittlich 35 Jahre lang
laufen dürfen. Die Kapazität der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau
wurde erhöht, Geld floß in Form von Forschunggeldern an die Atomindustrie, Uran ist
der einzige Energieträger der nach wie vor nicht besteuert ist...
Das EEG mit der im Vergleich zu den in Gegenrichtung geflossenen Geldmengen winzigen
Förderung von Solarstrom und Windkraft, stellt nichts anderes als ein Feigenblatt dar.
Mehr noch: Diese Art der Förderung ist Wasser auf die Mühlen der Atomindustrie,
die mal wieder mit Hilfe eigener oder naiver Leserbriefschreiber ihre für sich genommen
durchaus korrekten Zahlen unters Volk streuen kann, daß Strom aus regenerativer Energie-
gewinnung um ein vielfaches teuerer sei als beim gegenwärtigen Energiemix.
Doch dieses Argument ist fadenscheinig, denn es läßt beispielsweise die um ein Vielfaches
höher
als bei den regenerativen Energieträgern liegenden Forschungs- und Investitionskosten
außer Acht, die in den Jahren des Aufbaus der AKW-Technologie geflossen sind. Es
läßt weiter außer Acht, daß Atomstrom durch die Nichtbesteuerung von Uran heimlich
subventioniert wird. Und es läßt außer Acht, daß AKWs angesichts von Schäden wie
sie durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl entstanden sind nach wie vor völlig
unzureichend versichert sind...
Ein Leserbriefschreiber meint dazu, "Rot-Grün" habe wenigstens die richtigen Zeichen
gesetzt. Mit Hilfe der Medien hat diese Regierung den Eindruck erweckt, sie habe mit
aller Kraft aber gegen große Widerstände Schritte in die richtige Richtung getan. Wie
in vielen anderen Bereichen wurde auch im Energiebereich lediglich andersherum
geflaggt, aber mit voller Kraft weiter in die bisherige Richtung gefahren. In seinem
Leserbrief heißt es, wir dürften diese Regierung nicht bestrafen, in dem wir nicht
wählen oder gar Parteien wählen, "die erst gar keine ökologischen Taten versprechen".
Denn das sei politisch naiv und ökologisch verantwortungslos. Ich frage mich da:
Wer nach vier Jahren leerer Versprechen und einer realen Politik des geraden Gegenteils
nochmals "Rot-Grün" wählen will, wie oft muß sich dieser Mensch denn noch betrügen
lassen, bevor er etwas merkt? Ich empfehle Wahlboykott mit dem Einsenden der
Wahlbenachrichtigungs-Karte an Rechtsanwaltsbüros, wo sie als Stimmen für Atom-
Ausstieg und Frieden gezählt werden. Und schließe mich dem sehr vernünfigen letzten
(Halb-)Satz des gleichen Leserbriefs an: "...handeln müssen wir selbst."
Klaus Schramm, Ettenheim