... und Genosse Finanzminister Eichel überlistet die Mathematik
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Die Werktätigen in unserer Republik haben auch in der Nacht
zum Dienstag mit spontanen Freudenkundgebungen auf die
Grundsatzrede des Genossen Vorsitzenden Franz Müntefering
reagiert. Überall versammelten sich die Proletarier nach dem
Gang zum Arbeitsamt vor den Fernsehgeräten der
Gaststätten, viele
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trugen Deutschlandfahnen und riefen "Tor"
bei den Treffern ihrer englischen und französischen
Klassenbrüder.
In einem Interview mit Radio Eriwan, das das
ZDF-Morgenmagazin am Dienstag ausstrahlte, bekräftige
Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter die Fortsetzung der
erfolgreichen Politik der Partei. Der Reformkurs sei nötig, um
sich an die Veränderungen anzupassen. Man müsse "die
alternde Gesellschaft in den Griff kriegen", sagte er - eine
Anspielung auf Rentner und andere Arbeitsverweigerer.
Zum Haushaltsentwurf vom Genossen Bundesfinanzminister
Hans Eichel meinte Benneter, der Etat für das Jahr 2005 sei
"nicht nur solide, er ist auch verfassungsgemäß". Tatsächlich:
Die Verfassung sieht vor, daß die Neuverschuldung die Summe
der Investitionen im Bundeshaushalt nicht übersteigen darf.
Dies ist dem Arbeiter- und Bauernsohn aus Hessen auch
dieses Mal durch die schöpferische Weiterentwicklung der
bürgerlichen Mathematik gelungen. Mit 22 Milliarden Euro bleibt
Eichels Kreditaufnahme um knapp eine Milliarde Euro unter den
vorgesehenen Investitionsausgaben. Weitere 18 Milliarden will
Eichel durch den Totalverkauf von Bundesvermögen - vor allem
der staatliche Anteile an Telekom, Post und einigen Flughäfen
- einnehmen. Käufer ist die ebenfalls im Bundesbesitz
befindliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die sich das
dazu nötige Kapital leihen muß. Am Ende tauchen die Schulden
der staatlichen KfW als Einnahmen im Staatshaushalt auf, hat
sich Minus in Plus verwandelt - wahrlich ein Umschlag von
Quantität in Qualität, ein Meisterstück des dialektischen
Materialismus.
Solche Leistungen sind nur denkbar vor dem Hintergrund der
kämpferischen Rede von Genossen Müntefering am Montag vor
dem Zentralkomitee. Unter anderem sagte er: "Wir sind
sicher: Die sozialdemokratische Idee ist die bestmögliche ..."
Zur Begründung führte er aus: "Die SPD ist sich nicht selbst
genug; ihr Zweck ist es zu regieren." In Abwandlung eines
Mottos des japanischen Philosophen Toyota ("Nichts ist
unmöglich") formulierte er: "Nichts ist von Dauer, alles muß in
jeder Zeit immer wieder neu erkämpft werden ..." Schließlich
warnte er die parteifeindlichen Elemente in den eigenen
Reihen und erinnerte an die Prinzipien des demokratischen
Zentralismus: "Wenn entschieden ist, muß Geschlossenheit im
Handeln selbstverständlich sein. Disziplin ist eine Tugend der
Demokratie."
Mit heiligem Schrecken hat das Großkapital die Ankündigung
des Genossen Vorsitzenden verfolgt, Spitzengewinne künftig
mit einem Satz von 50 Prozent zu besteuern. Der
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erteilte diesen
Plänen am Dienstag eine klare Absage. Aber Müntefering hatte
ohnedies eingeräumt, es gebe für das Vorhaben kein zeitliches
Ziel.
Jürgen Elsässer