Schwache Beteiligung bei baden-wüttembergischem Ostermarsch in Ulm
Die größte Beteiligung bei den diesjährigen Ostermärschen der Friedensbewegung in Deutschland fand der Marsch gegen das "Bombodrom" in Brandenburg. Rund 12.000 Menschen protestierten gegen die weitere militärische Nutzung des 14.000 Hektar großen Geländes. Die Luftwaffe will dort Bombenabwürfe und Tiefflug üben. Die Proteste gehen nun bereits ins vierzehnte Jahr. Selbst Ministerpräsident Platzeck ließ den DemonstrantInnen "Respekt und Anerkennung für Ausdauer und zähes Streiten gegen das so genannte Bombodrom" ausrichten.
In Sachsen-Anhalt forderten rund 250 DemontrantInnen den Abzug der Bundeswehr aus einem Naturpark und dessen touristische Nutzung. Die Forderungen lauteten "Abrüstung statt Sozialabbau" und "Für Frieden, Abrüstung und Demokratie - Atomwaffen abschaffen."
Rund 150 Menschen demonstrierten im sächsischen Zwickau gegen Rüstung und Sozialabbau. "Sozialer Frieden ist genauso wichtig wie Frieden im eigentlichen Sinne", sagte Organisator Andre Ackermann. Dem Aufruf des Rostocker Friedensbündnisses folgten nur 50 TeilnehmerInnen. Unter dem Motto "Keine neuen Kriege - Schritte zur Abrüstung" demonstrierten sie auch gegen eine "Umrüstung der Bundeswehr zur weltweiten Angriffsfähigkeit". Wegen mangelnder Teilnahme wurden Demonstrationen in Augsburg und Erlangen abgesagt. In München demonstrierten rund 400 Menschen unter dem Motto "Nein zum Krieg gegen den Iran".
Die baden-württembergische Friedensbewegung hatte zu einem zentralen Ostermarsch in Ulm aufgerufen. Mit der Wahl Ulms sollte an den dort geborenen Pazifisten1 Albert Einstein und an die Geschwister Scholl erinnert werden. Auch bei dem mit nur 500 bis 1000 TeilnehmerInnen mäßig erfolgreichen Ostermarsch in Ulm stand die Forderung "Abrüstung statt Sozialabbau" im Zentrum.
Die FriedensaktivistInnen in Ulm hatten alles sehr gut vorbereitet. So wurden die überwiegend mit dem Zug anreisenden DemonstrantInnen am Ulmer Bahnhof in Empfang genommen und mit Sonderfahrkarten für die Straßenbahn ausgestattet. Ziel war die Wihelmsburg Kaserne, wo die erste Kundgebung stattfand. Es handelt sich dabei um den Sitz des Bundeswehr-Kommandos Operative Führung Einsatzkräfte.
"Die Kommandozentrale steht für Auslandseinsätze", sagte der Sprecher des veranstaltenden Friedensnetzwerkes Baden-Württemberg, Dieter Lachenmayer. Für die Friedensbewegung sei diese Einheit ähnlich wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw Ausdruck einer "aggressiven, vorwiegend auf militärische Mittel" gestützten Außenpolitik. "Eine solche Politik widerspricht dem Grundgesetz. Sie muß eingestellt und diese Bundeswehreinheiten müssen wieder aufgelöst werden", forderte Lachenmayer.
Der Europa-Abgeordnete und Mitbegründer des Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tübingen, Tobias Pflüger, wies auf die Verbindung zu den NATO-Strukturen hin. Einsatz-Zentren wie die Wihelmsburg Kaserne dienten der Lenkung der EU-Truppen. Ziel sei die weltweite Kontrolle rohstoffreicher Regionen. Das Militär diene ganz offensichtlich nicht humanitären Zielen, die immer wieder vorgeschoben werden, sondern Wirtschaftsinteressen. Wie der deutsche Militärminister Jung selbst schon unvorsichtiger Weise geäußert habe, gehe es beispielsweise um "strategische Rohstoffe."
Als weiteren Einsatz-Zweck der offenbar immer deutlicher einer europäischen Führung unterstellten "Einsatzkräfte" nannte Pflüger die Kontrolle von Flüchtlingsströmen.
Mit Blick auf die aktuellen internationalen Verwicklungen um die iranischen Atompläne wies Tobias Pflüger darauf hin, daß die sogenannte friedliche noch nirgendwo von der militärischen Nutzung der Atomenergie zu trennen war. Angesichts des Ausbaus der Urananreicherungsanlage in Gronau und dem Einsatz waffenfähigen Urans im Kernforschungszentrum Garching bezeichnete Pflüger die Haltung der der deutschen Bundesregierung als "heuchlerisch."
Nach der Auftaktkundgebung zogen die OstermarschiererInnen vors Ulmer Münster, wo die Hauptkundgebung stattfand. Eine außergewöhnlich gute Rede hielt die stellvertretende baden-württembergische DGB-Landesvorsitzende Leni Breymaier.
Sie erinnerte an den Ausspruch Einsteins: "Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten!" Zudem wies sie auf die Aktualität die Aussage Einsteins hin, "es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden."
Breymaier verdeutlichte dies an konkreten Beispielen. "Ein neues U-Boot vom Typ 212A kostet 460 Millionen Euro - das entspricht den Jahresgehältern von 10.000 Altenpflegerinnen! Ein Eurofighter kostet 108 Millionen Euro - das sind die Jahresgehälter für 2.300 Erzieherinnen. Die 180 von der Bundeswehr bestellten Eurofighter kosten uns insgesamt 21 Milliarden Euro Steuergelder. Das entspricht zwar nur einem Prozent des von uns erarbeiteten Bruttoinlandsproduktes. Das ist aber genau die Summe, die im Bildungshaushalt fehlt, um Kindergärten auszubauen, Lehrer einzustellen, Ausbildungsplätze zu schaffen und Hochschulen ohne die unsozialen Studiengebühren vernünftig auszustatten."
"Was für eine solidarische Gesellschaft könnten wir bauen, wenn wir die Mittel, die für Rüstung verschwendet werden, für Kinderbetreuung, Bildung, Arbeitsplätze, Gesundheit und Ökologie ausgeben würden! Stattdessen wird der erzeugte gesellschaftliche Reichtum für Waffen und Kriege verschwendet. Welch ein Wahnsinn!", so Leni Breymaier.
Die stellvertretende baden-württembergische DGB-Vorsitzende zitierte ebenso aus dem internationalen Appell von Frauen gegen den Irak-Krieg zum diesjährigen internationalen Frauentag zitieren: "Wir haben genug von den grausamen Angriffen auf Zivilisten weltweit. Zu viele geliebte Menschen haben wir beerdigt, zu viele verstümmelte Leben gesehen - Versehrte an Körper und Seele. Es bereitet uns Horror zu sehen, wie kostbare Ressourcen auf den Krieg verwendet werden, während die Grundbedürfnisse von Familien - Nahrung, Wohnen, Bildung, Gesundheitsversorgung - vernachlässigt werden. Wir haben es satt, in ständiger Angst vor Gewalt zu leben. Wir haben es satt mit anzusehen, wie das Krebsgeschwür des Hasses und der Intoleranz in unsere Heime und Gemeinden hineinwuchert. Dies ist nicht die Art Welt, die wir uns für uns und unsere Kinder wünschen. Wir Frauen stehen auf - über alle Grenzen hinweg. Wir tragen Liebe im Herzen und Feuer im Bauch. Wir stehen vereint und fordern ein Ende des Blutvergießens und der Zerstörung."
Ein Skandal sei die weiter wachsende Schere zwischen Krieg und Rüstungsaufwendungen einerseits und den unzureichenden Mitteln für soziale Entwicklung andererseits. Die weltweiten Rüstungsausgaben seien im vergangenen Jahr auf mehr als eine Billion Dollar gestiegen und haben damit fast wieder das Rekordniveau aus dem Kalten Krieg erreicht, sagte Leni Breymaier. Mit nur einem Prozent der globalen Rüstungsausgaben könne der Welthunger besiegt werden.
"Wir brauchen endlich eine Politik, die dem Frieden und der Entwicklung dient, statt einer Politik, die unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung die Vormachtstellung der USA ausbauen und die Rohstoffinteressen der westlichen Industrieländer militärisch absichern will," forderte Breymaier.
Als Gastredner trat der Bundeswehrsoldat Florian Pfaff auf, der von seiner Verweigerung der Teilnahme am Irak-Krieg berichtete und mit welchen Methoden er von der Bundeswehrführung drangsaliert worden war. Die Informationen, die er unter großem persönlichem Risiko weitergab, waren sicherlich für etliche ZuhörerInnen am Rande der Kundgebung sehr aufschlußreich. Auch mit sehr guten musikalischen Beiträgen machte die Friedensbewegung auf dem Platz vor dem Ulmer Münster auf sich aufmerksam.
Ostermärsche fanden ebenfalls im baden-württembergischen Ellwangen (Ostalbkreis) und in Mannheim statt. In Mannheim richtete sich die Aktion von Friedensinitiativen auch gegen die dort stationierten US-Truppen, die nach Erkenntnissen der FriedensaktivistInnen von den Kurpfälzer Stützpunkten aus Kriegseinsätze durchführen.
Klaus Schramm
Anmerkungen
1Siehe hierzu auch unseren Beitrag:
'Die Akte E
The Einstein File' (24.12.02)
Siehe auch unseren Beitrag:
'Rüstungsexporte unter "Rot-Grün"
Rüstungsexportbericht 2004 erst jetzt vorgelegt' (1.02.06)