In mehr als 160 Städten gingen über 130.000
Menschen gegen Sozialabbau auf die Straße
Auch wenn die Massenmedien es anders darstellten: Es waren
keineswegs weniger Menschen als vor Wochenfrist, die am
Montag abend gegen die von der Bundesregierung betriebene
dreiste Umverteilung von unten nach oben auf die Straße
gingen. In rund 160 Städten gab es Demonstrationen, an
denen sich nach ATTAC-Angaben mindestens 130.000
Menschen beteiligten. Denn während in großen Städten wie
Berlin, Leipzig und Magdeburg die Teilnehmerzahl
zurückgegangen war, erhöhte sie sich in vielen kleineren
Orten, insbesondere in Westdeutschland.
Im anhaltinischen Schönebeck demonstrierten mehr als 5.000
Menschen. In Berlin brachte der Unmut über den Sozialabbau
gut 20.000 Menschen auf die Straße, obwohl sich die
Veranstalter der vorletzten Montagsdemonstration in der
Hauptstadt zerstritten hatten. Das breite Bündnis "Weg mit
Hartz IV" hatte zur Kundgebung vor dem Roten Rathaus
aufgerufen, von wo die Demonstration durch Berlins Mitte zur
Parteizentrale von "Bündnis 90/Die Grünen" ging. An dieser
Demonstration beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter
gut 15.000 Menschen. Das Bündnis "Montags gegen 2010"
versammelte sich auf dem Alexanderplatz und zog von dort mit
etwa 5.000 Demonstranten zur SPD-Zentrale. Anders als bei
der letzten Montagsdemonstration waren diesmal vor dem
Roten Rathaus die Fahnen aller Einzelgewerkschaften zu
sehen. Große Medienaufmerksamkeit zog der Berliner
PDS-Landes- und Fraktionschef Stefan Liebich auf sich, der sich
ebenfalls eingefunden hatte. Gegenüber der linken Tageszeitung 'junge Welt' erklärte er, 'Hartz
IV' sei nicht von der PDS beschlossen worden, sondern werde
von ihr abgelehnt. "Wir sind nicht verantwortlich für diese
Politik, die von der Bundesregierung beschlossen wurde. Ich
stehe hier im Interesse der Betroffenen."
In Magdeburg, wo nach Polizeiangaben 8.000 Menschen gegen
"Hartz IV" demonstrierten, hatten sich erneut Neonazis unter
die Protestierenden gemischt. Antifaschisten werfen der Polizei
vor, den Rechten den Weg freigemacht und Gegner der
Rechten behindert und von der Demonstration ausgeschlossen
zu haben. Dem Anmelder der Magdeburger Montagsdemo,
Andreas Ehrholdt, machen sie zum Vorwurf, sich nicht von
rechten Demonstranten abzugrenzen. Auch in Chemnitz, wo
rund 4.000 Menschen auf der Straße waren, sollen die Rechten
massiv präsent gewesen sein.
In Rostock kamen rund 5.500 Menschen zur Demonstration
gegen Sozialkahlschlag, in der Hansestadt Stralsund waren es
fast 3.000, wobei hier eine starke Präsenz der NPD zu
beobachten war. In der mecklenburgischen Landeshauptstadt
Schwerin demonstrierten rund 2.000 Menschen gegen "Hartz
IV". Im thüringischen Nordhausen waren zum zweiten Mal
mehr als 2.000 Menschen auf der Straße. Bekanntester Redner
des Abends war hier der DGB-Landesvorsitzende Frank Spieth.
Erstaunlich große Resonanz erfuhren die
Demonstrationsaufrufe auch in Baden-Württemberg. Die
größte Montagsdemonstration kam hier in Offenburg zustande,
wo sich nach Polizeiangaben 900 bis 1000 Menschen in der Innenstadt
versammelt hatten. Nach einem vorläufigen Überblick gab es
außerdem Demonstrationen in Mannheim, Stuttgart, Freiburg,
Tübingen, Heilbronn, Ulm, Heidelberg und in
Villingen-Schwenningen. Auch in Aachen gingen rund 400
Menschen gegen Sozialabbau auf die Straße.
In Kassel demonstrierten etwa 1.000 Menschen. In Köln gab
es vor der Montagsdemonstration eine Aktion des
Wahlbündnisses "gemeinsam gegen Sozialraub". Rund 40
Aktivisten stürmten die Agentur für Arbeit, die sie feierlich in
"Agentur für Armut" umbenannten. In Saarbrücken hatten sich
nach Schätzung von ATTAC rund 1.200 Menschen an der
zweiten Montagsdemo beteiligt. In München verdoppelte sich
die Zahl der Demonstranten auf rund 750.
Andreas Arnold
Nick Brauns
Andrej Hunko
Till Meyer
Klaus Schramm
www.jungewelt.de