15.07.2004

Artikel

Moschustiere
und chinesische Medizin

Moschustiere in Russland und der Mongolei sind durch Wilderei stark bedroht

Moschustier Die Umweltschutz-Organisation WWF schätzt, daß achtzig Prozent aller getöteten Moschustiere in Rußland Opfer von Wilderern sind. Der illegale Handel mit Moschus, dem heiß begehrten Sekret einer kleinen asiatischen Hirschart, sei fünfmal größer als der legale Handel. In einer heute veröffentlichten Studie wird die gigantische Dimensionen der Jagd auf die Moschustiere aufgedeckt. Das Sibirische Moschustier wird auf der Roten Liste der bedrohten Arten als gefährdet eingestuft. Moschustiere dürfen deshalb nur in Teilen Rußlands und unter strengen Auflagen gejagt werden, der legale Moschushandel unterliegt gesetzlichen Kontrollen.

Als Duftstoff in der Parfümindustrie wird echter Moschus zwar kaum noch genutzt und gilt inzwischen als krebserregend; in der sogenannten traditionellen chinesischen Medizin findet das Sekret jedoch weiterhin reißenden Absatz. Mit Moschus werden unter anderem in China und Südkorea Herz-, Kreislauf- und Nervenbeschwerden behandelt. Das Geschäft mit den Moschusdrüsen ist äußerst lukrativ: Für ein Kilogramm Moschus werden in Südkorea bis zu umgerechnet 36.000 Euro gezahlt. Die gleiche Menge Gold erzielt derzeit weniger als ein Drittel dieses Preises.

"Wir wissen nicht, wie lange das Moschustier der Wilderei noch standhalten kann", sagt WWF-Artenschützer Volker Homes, Herausgeber der aktuellen Studie. Niemand weiß, wie viele Moschustiere noch in Rußland und der Mongolei leben. Doch viele Anzeichen deuten darauf hin, daß ihr Bestand in beiden Ländern drastisch abgenommen hat - in einigen Gebieten auf ein Fünftel innerhalb von zwanzig bis dreißig Jahren. Moschustiere sind sehr scheue und nachtaktive Tiere, die sich in ihren riesigen Verbreitungsgebieten sehr gut verstecken können. "Leider bekommt man ein Moschustier meist erst tot zu Gesicht - nämlich dann, wenn es den Wilderern in die Falle gegangen ist", schildert Volker Homes die Situation in der Mongolei und im Russischen Fernen Osten. Der WWF fordert die Regierungen auf, den Wilderern das Handwerk zu legen und statt dessen die legale Jagd in Rußland, die den Bestand nicht gefährdet, zu fördern.

Daß diese Politik in die Irre führt, zeigt jedoch das Beispiel der afrikanischen Elefanten. Nur so lange der internationale Elfenbeinhandel geächtet war, konnten die Bestandszahlen aufrechterhalten werden und sich teilweise regenerieren. Dort, wo die Jagd auf Elefanten aus vorgeschobenen Gründen wieder zugelassen wurde, beginnt auch der illegale Elfenbeinhandel wieder zu florieren. Auch bei vielen anderen bedrohten Arten hat sich gezeigt, daß nur das Unterbinden der Nachfrage einen zuverlässigen und dauerhaften Schutz gewährleisten kann.

So wie auf die "Walfang-Nationen" Druck ausgeübt werden kann, muß es auch möglich sein, auf China Druck auszuüben, zumal die Anwendungen der "traditionellen chinesischen Medizin" in China selbst sowohl bei der einfachen Bevölkerung als auch in Regierungskreisen nicht Ernst genommen werden. Absatzmärkte für obskure "Medikamente" sind vielmehr Hongkong, Thailand, Japan und nicht zuletzt die westlichen Industrienationen. Offensichtlich ist, daß es dabei allein um wirtschaftliche Interessen geht und einflußreiche Kreise bestrebt sind, mögliche Konflikte mit der aufstrebenden Industrienation China zu vermeiden. China ist als Handelspartner heiß begehrt und die eigene, durch esoterischen Heilspluralismus geprägte Klientel steht einer konsequenten Artenschutz-Politik als weiterer Hemmschuh im Wege.

 

Solveig Brendel

 

neuronales Netzwerk