Unterhaltungs-Konzerne mahnen 'heise-online' wegen Bericht über Kopierschutz-Knacker-Software ab
Gestern bekam der 'Heise Zeitschriften Verlag', der unter anderem auch c't herausbringt, eine "Abmahnung" von der Münchner Anwaltskanzlei Waldorf. Auftraggeber sind offenbar gemeinschaftlich mehrere Musik-Konzerne wie BMG, 'edel', EMI, 'Sony Music', 'Universal Music' und 'Warner Music'. In dem anwaltlichen Schriftsatz wird dem Heise-Verlag unter anderem vorgeworfen, durch einen Artikel im Newsticker von 'heise-online' (AnyDVD überwindet Kopierschutz von "Un-DVDs") gegen § 95a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) zu verstoßen und illegal "Vorrichtungen zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen" zu verbreiten.
Nach der Novelle des Urheberrechtes im letzten Jahr verlegten etliche kleine deutsche Softwareanbieter ihren Firmensitz ins Ausland. Was Meere-verpestende Groß-Reedereien können, nutzen nun auch solche Software-Piraten, die gigantische Unterhaltungs-Konzerne auf die Dauer in existentielle Schieflage zu bringen drohen. So firmiert beispielsweise 'SlySoft', Entwickler der weit verbreiteten Software 'AnyDVD', inzwischen auf Antigua. Von dort aus versendet das Unternehmen seine Software in alle Welt.
Kern des Vorwurfs der Unterhaltungs-Kozerne ist, daß 'heise-online' mit dem Setzen eines links (www.slysoff.com) auf den Anbieter solcher in Deutschland - aber nicht weltweit - verbotener Software zum Knacken des Kopierschutzes, den Urheberrechtsschutz gebrochen habe. Weiterhin wird dem Heise-Verlag vorgeworfen, im ominösen Artikel eine "Anleitung zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen" geliefert zu haben. Der Rest ist völliger Humbug, da es ansonsten ebenso strafbar wäre, Meldungen weiterzuverbreiten, laut denen Osama bin Laden weitere Attentate auf die USA vorbereite. Nach der Logik der Musik-Konzerne wäre dies "verbotene Werbung" für Osama bin Laden...
Der 'Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft' betätigt sich umgehend als "Stimme seines Herrn" und läßt verlauten: "Das Urheberrechtsgesetz verbietet nicht nur die Herstellung und jede Form des Vertriebs von Software zum Knacken eines Kopierschutzes, sondern auch Umgehungsanleitungen und die Bewerbung von entsprechender Software.(...) Nachdem der Verlag nicht freiwillig einlenkte, wurde er durch die beauftragte Münchener Kanzlei Waldorf heute formell abgemahnt. Sollte sich der Verlag nicht einsichtig zeigen, wird ein Gerichtsverfahren folgen." Dr. Thorsten Braun, Syndikus der deutschen Phonoverbände, erklärt: "Auch die Pressefreiheit ist kein Freibrief: Anleitungen und Hilfestellungen für illegale Handlungen sind unzulässig und haben erst recht nichts mit seriöser Berichterstattung zu tun."
Der Chefredakteur von heise-online, Christian Person, weist die Abmahnung zurück: "Der Artikel enthält weder eine Anleitung noch Werbung, es wird im Gegenteil ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Nutzung dieser Software in Deutschland verboten ist. Einen Link auf die Webpräsenz des Herstellers zu setzen, ist in der Online- Berichterstattung eine Selbstverständlichkeit und angesichts der Tatsache, daß unsere Leserinnen und Leser Internetsuchmaschinen kennen und bedienen können, ohnehin belanglos".
'SlySoft' hätte sich keine bessere Promotion für ihre Kopierschutz- Knacker-Software ausdenken können als sie die Armada der Unterhaltungs-Konzerne mit ihrer unfreiwilligen und öffentlichkeits- wirksamen Slapstick-Einlage liefert.
Frank Bayer