5.01.2004

Diskussionsbeitrag

Sozialisierung
der Produktionsmittel
und Nachhaltigkeit

Lieber MitdiskutiererInnen!

Als weiteren Baustein für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem möchte ich hier die alte sozialistische Forderung nach Sozialisierung der Produktionsmittel zur Diskussion stellen. Allerdings habe ich hier bewußt die Formulierung "Verstaatlichung der Produktionsmittel" vermieden. Wie Albert Einstein in einem Text über seine Vorstellungen von Sozialismus1 schon 1949 in Abgrenzung gegen den Pseudo-Sozialismus Leninscher Prägung klar formulierte, ist mit einer Verstaatlichung nichts gewonnen: "Dennoch ist es notwendig festzuhalten, daß eine Planwirtschaft noch kein Sozialismus ist. Eine Planwirtschaft als solche kann mit der totalen Versklavung des Individuums einhergehen."

Das wesentliche ist nicht, ob dem Volk auf dem Papier die Eigentumsrechte überschrieben werden, sondern ob die Planung der Produktion beim Volk liegt - also demokratisch geregelt ist. Daß auch eine pseudo-demokratische Planung durch eine bürokratische Gewerkschaftsführung nicht zu einer Veränderung der Verhältnisse führt, bewies der zweite historische Irrweg: Die Verstaatlichungen durch britische Labour-Regierungen in den 50er und 60er Jahren.

Und einen weiteren Fehler möchte ich hier benennen: Es wäre naiv anzunehmen, daß sich die heutigen Produktionsmittel unverändert sozialisieren ließen. Einen Bruch im naiven Fortschrittsglauben der Linken gab es bereits in den 70er Jahren als Vielen klar wurde, daß Atomtechnologie - gleich in wessen Hand - nicht nur schlichtweg zu gefährlich, sondern zudem wegen der bis heute ungelösten Entsorgungsproblematik unverantwortbar ist. Hier gebührt der DKP das unfreiwillige Verdienst, mit ihren realitätsblinden, dogmatischen Parolen von den sicheren Atomkraftwerken im "realexistierenden Sozialismus" für Klärung gesorgt zu haben.

Und gerade im Energiebereich - dem Schlüsselbereich jedes Wirtschaftssystems - wird offensichtlich, wie eng und untrennbar die Kriterien >Nachhaltigkeit< und >demokratische Kontrollierbarkeit< zusammenhängen. Gigantische Rohstofflager wie beispielsweise Ölquellen und zentrale Großkraftwerke lassen sich von Wenigen kontrollieren, bedürfen einer hierarchischen Organisationsform und begünstigen eine Konzentration wirtschaftlicher und in Folge dessen politischer Macht. Sie werden daher kaum je demokratisch zu kontrollieren sein, so denn Demokratie unter solchen wirtschaftlichen Gegebenheiten je wird entstehen können. Da sich immer nur die skrupellosesten Verbrecher bis in die Spitze der Hierarchien emporarbeiten können, wird >Demokratie< ebenso wie >Nachhaltigkeit< nur einen Platz in den Sonntagspredigten finden. Daß diese Begriffe dort benötigt werden hat allein darin seinen Grund, daß auch das zerstörerischste System am Besten funktioniert, umso weniger die Führer direkte Gewalt einsetzen müssen und umso mehr die Geführten freiwillig kooperieren.

Auf der anderen Seite ist es gerade ein Charakteristikum der nachhaltigen, regenerativen Energien, daß sie - da die Sonne praktisch überall scheint - dezentral zur Verfügung stehen. Sie lassen sich ebenso wenig von einer Minderheit kontrollieren wie das britische Salzmonopol in Indien mit seinen kilometerlangen Meeresküsten selbst mit noch so großer militärischer Macht auf die Dauer aufrecht erhalten werden konnte. Im Unterschied zur technisch völlig unproblematischen Gewinnung des kostenlosen Meeressalzes kann die kostenlose Energie der Sonne in ihren verschiedenen Formen der regenerativen Energien jedoch nur mit - vorläufig - relativ teuren Einrichtungen (Sonnenkollektoren, Solarzellen, Wasserkraftwerke, Biogasanlagen, Windkraftwerke, etc.) gewonnen werden. Wie das Beispiel Schönau zeigt, kann diese Hürde jedoch bei einer gemeinsamen Anstrengung auf kommnaler Ebene durchaus bereits heute genommen werden.

Die Hoffnung, daß wir uns diesen Einsatz sparen können und auf Hilfe von Oben vertrauen dürfen, wird auch in Deutschland nach fünf Jahren "Rot-Grün" und einem kümmerlichen Anteil der regenerativen Energien an der Stromerzeugung von rund 6 Prozent, nur bei dogmatischen "Real"-PolitikerInnen zu finden sein.

Die Sozialisierung der Produktionsmittel wird also vermutlich nicht nur im Energiebereich, sondern auch in anderen Bereichen der Wirtschaft, so ablaufen, daß einerseits nachhaltige und sozial verträgliche Produktionsmittel in demokratischer Kontrolle aufgebaut werden, während andererseits umweltzerstörerische und auf hierarchischen Strukturen basierende Produktionsmittel absterben. Ein solcher dynamischer Prozeß setzt aber zugleich die Entwicklung von Demokratie voraus. Denn wie das Beispiel Schönau - und seine bisher geringe Zahl an NachahmerInnen - ebenfalls zeigt, bedarf es in der gegenwärtigen Gesellschaft eines permanenten Kampfes, um das bereits Aufgebaute zu erhalten. Auch wenn nach außen hin von allen Seiten nur Positives über Schönau zu hören ist und selbst die größten Energie- und Öl-Konzerne vorgeblich die Alternativen fördern.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkung:
1 Siehe unsere Dokumentation des Einstein-Textes.

 

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