Liebe MitdiskutiererInnen!
Ich habe hier ein "Paradevorzeig"-Beispiel für Nachhaltigkeits-Geschwätz von einem Politiker gefunden: Ein
Interview mit dem österreichischen Landwirtschaftsminister Josef Pröll (unten einkopiert mit Kommentaren).
Ob das mit der energieproduzierenden Landwirtschaft auf der Grundlage von nachwachsenden Rohstoffen
tatsächlich so zukunftsweisend und nachhaltig ist, wäre eine eigene Diskussion. Tatsächlich sind die
ÖsterreicherInnen in der Biolandwirtschaft und in der alternativen Energiegewinnung schon doppelt und
dreifach so weit wie die Deutschen. Dennoch führen beide Bereiche auch dort noch ein Nischen-Dasein.
Der springende Punkt ist, daß die schwarz-gelbe östereichische Regierung genauso leeres Stroh drischt
wie die rot-grüne deutsche und die Fördermittel völlig unzureichend sind. Allein über Beiträge an die EU und
Euratom-Gelder gibt Österreich mehr für die Atom-Subventionierung aus als für alternative Energien oder
Biolandwirtschaft. Und ganz entscheidend: Herr Pröll verliert kein Wort darüber, wie er den österreichischen
Stromversorgungs-Konzernen die Macht entziehen will. Denn solange das nicht geschieht, bleiben alle diese
angesprochenen Pionierleistungen Alibiveranstaltungen auf Widerruf.
Nachhalltige Grüße
Solveig Brendel
Österreichs Landwirtschaftsminister Josef Pröll am 3. Januar 2004 in einem Interview des ORF:
ORF: Es gibt jetzt den ersten energieautarken Bauernhof in Österreich, Wolfgang Löser in Streitdorf im Weinviertel - ist
das für Sie ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Landwirtschaft, die sich mehr und mehr aus eigener Kraft mit
erneuerbarer Energie versorgt?
Pröll: Keine Frage, ein faszinierendes Projekt, weil wir1 ganz klar die
Strategie verfolgen, daß erstens die
Landwirtschaft in Österreich und in Europa neue Standbeine braucht, und das wird die Energieproduktion zu einem
großen Teil sein können, und zweitens, daß gerade dieser Bauernhof in Streitdorf in meiner näheren Heimat darauf
zurückgekommen ist, die Kreisläufe wieder zu schließen in der Energieversorgung, auch das faszinierend. Wir haben
auch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen mit dem Ökostromgesetz2,
damit auch finanziell
attraktiv3 hier investiert werden kann. Man soll sich das anschauen,
man kann davon lernen, ich
glaube, daß es zukunftsweisend ist, Energieproduzent Landwirt auf der einen Seite, geschlossener Kreislauf
auf der zweiten Seite: eigentlich das Urprinzip der Nachhaltigkeit4 - es ist
damit erfüllt.
ORF: Die Landwirtschaft war ja früher Rohstofflieferant, Energie- und Nahrungsmittelversorger - gehen wir solchen Zeiten
wieder entgegen?
Pröll: Wie Sie an konkreten Projekten sehen - unter anderem dieser energieautarke Bauernhof - gehen
wir5 diesen Zeiten entgegen, ja. Die Bauern werden wieder stärker investieren
in Energie, in
Energielieferung, werden einen Markt damit erschließen können und nicht nur den Bauernhof selbst damit
bedienen können, sondern auch Geld auf einem neuen Markt lukrieren können. Das ist meine Zielsetzung, meine
Aufgabe, das entsprechend zu unterstützen, und deshalb ist es besonders wichtig, daß es Beispiele gibt, die zeigen,
daß es funktioniert.
Da sind zwei Komponenten: 1. in der Frage der Stromversorgung aus alternativen Energieträgern, 2. aber auch unter
Nutzung aller Ressourcen, die auf den Feldern wachsen und was die Treibstoffversorgung betrifft. Ich glaube, wir
sollten auf diesem Weg mutiger weitergehen. Ich hab das auch im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik,
nämlich die Forcierung alternativer Energie eingebracht.
ORF: Wenn Sie sagen, Sie wollen das entsprechend unterstützen: wann werden Sie die Deckelung von 15 Megawatt
pro Jahr bei Strom aus Photovoltaik aufheben?6
Pröll: Im Regierunsgübereinkommen steht das Ziel, daß wir die 15-Megawatt-Deckelung aufheben. Klar muß aber auch
sein, daß im gesamten alternativen Energiemix - also Biomasse, Biogas, Windenergie die Photovoltaik mit Abstand die
teuerste Energieform ist, von den Investitionskosten her, aber wenn wir das Ökostromgesetz neu zu verhandeln
haben - und das wird nächstes Jahr oder 2005 der Fall sein - werden wir natürlich genau evaluieren, wo müssen wir
nachschärfen, wo müssen wir in die Offensive gehen und im Bereich der Deckelung der 15 Megawatt sollten wir auch
offensivere Wege gehen, das ist mein Ziel, Allerdings, noch einmal: im Verhältnis zu den anderen Energieträgern ist die
Photovoltaik sehr teuer. Dennoch ist sie durchaus ein absolutes Zukunftsprojekt.7
ORF: Es gibt genügend Beispiele, daß im Umweltbereich anfangs sehr teure Investitionen durch eine entsprechende
Förderung und Verbreitung wesentlich billiger geworden sind. Könnte die Photovoltaik nicht längst viel kostengünstiger
sein als sie es heute ist?
Pröll: Keine Frage, daß die Pioniere, die jetzt investieren, und zeigen, wie es geht, unglaublichen Input liefern - das ist
ganz, ganz wichtig., denn damit kommt die Technologie in Gang, es wird breitflächiger angeboten, die Kosten können
reduziert werden und die Energieform wird billiger. Auf diesem Weg sind wir. Das Ökostromgesetz hat die richtigen
Impulse gegeben, und ich glaube, daß wir auf dem richtigen Weg unterwegs sind. Auch die Photovoltaik wird ohne
Zweifel ihren wichtigen Platz8 im Energiemix der Zukunft haben.
ORF: Sie gelten als ein Minister, der die erneuerbare Energie stark fördert; Österreich wird heute auch im Ausland
schon als Weltmeister am Sektor Biomasse bezeichnet - etwa vom Pressedienst des deutschen Journalisten
Franz Alt - haben Sie eine Vision von der Energieentwicklung in Zukunft?
Pröll: Meine Vision von der Energiebewirtschaftung des Landes in Zukunft ist sicher, daß wir ohne die Nutzung von
gefährlicher Kernkraft auskommen9 - auch langfristig auskommen; daß wir
viel stärker unsere regionalen
Energieangebote nutzen - in manchen Teilen Österreichs wächst uns der Wald über die Ohren, und Biomasse ist ein
hervorragender Energieträger in der Frage Ersatz von Erdöl und Erdgas in der Raumwärme, aber auch zunehmend mit
moderner Technologie zur Stromgewinnung. Biogas ist auf dem Vormarsch, das war früher ja gang und gäbe, und wir
werden jetzt wieder aus der Landwirtschaft, aus den Grünschnitten der Gemeinden stärker Biogas produzieren und
damit Strom erzeugen. Windenergie und Photovoltaik werden ihr übriges dazu tun, daß wir gemeinsam mit Wasserkraft
einen guten zukunfsträchtigen Energiemix für Österreich zusammenbringen. Dazu brauchts aber auch gesetzliche
Rahmenbedingungen und entsprechende Einspeistarife, um Sicherheit für die Investoren zu
geben.10
ORF: Könnte die Biomasse nicht viel stärker mit Hilfe von Kraft-Wärme-Kupplungen zur Stromerzeugung genutzt werden?
Pröll: Klar ist, daß die Kraft-Wärme-Kupplung der Weg der Zukunft ist. Man kann dann Biomasse nicht nur im Bereich
der Raumwärme nutzen, sondern auch wertvollen Strom gewinnen. Da ist die Technologie rasant vorangeschritten und
Kraft-Wärmekupplungen sind ja bereits in Industriebetrieben aktiv und in
Verwendung.11 Ich glaube, daß
mit diesem Energiemix, nämlich Wärme und Strom aus einer Energiequelle, die Biomasse absolut konkurrenzfähig sein
wird im Vergleich zu anderen Energieträgern.
ORF: Wie groß sind Ihre Möglichkeiten, erneuerbare Energie zu forcieren angesichts der konträren Interessen großer
Konzerne und multinationaler Energieversorger?12
Pröll: Klar ist, Atomkraft ist keine nachhaltige Energieform, sie ist brandgefährlich, wir haben das leider erleben müssen
rund um Tschernobyl. Die Folgen sind in den betroffenen Ländern, in der Ukraine, bis heute nicht wegzubringen. Zweitens
ist klar, daß fossile Energieträger ein Ablaufdatum haben. Wir können nicht unbegrenzt auf Öl und Gas zurückgreifen.
Wir müssen frühzeitig auf alternative Treibstoffe setzen, die vor allem vor der Haustüre wachsen und damit die regionale
Wertschöpfung in Österreich halten - Holz nutzen, Biogas produzieren, die Sonne als Energieträger forcieren, die Windkraft
dort, wo es möglich ist, intensivieren, und natürlich die Wasserkraft als eine wichtige Basis der Energieversorgung gerade in
Österreich. Ich glaube, daß dieser Energiemix Zukunft hat. Atomkraft ist keine Option für mich. Ihr Gefährdungspotential ist
derart hoch, daß man unter Einbeziehung der Folgekosten sicher nicht wirtschaftlich oder wettbewerbsfähig damit
ist.13
ORF: Was ist noch einmal Ihre persönliche Meinung zu Wolfgang Löser, dem ersten energieautarken Bauern
Österreichs, der anfangs belächelt wurde, heute schon ausgezeichnet wird?14
Pröll: Der Bauernhof Löser im Weinviertel ist sicher ein Pionier auf dem Weg Richtung alternativer
Energiebewirtschaftung in unserem Land. Er hat es geschafft, mit seinen alternativen Ansätzen energeiautark
zu werden, und aus meiner Sicht muß man sich gerade bei solchen Pionieren bedanken. Sie sind Vorreiter, bringen
eine Technologie voran, die dann viele andere auch nutzen können. Es ist ein faszinierendes Projekt, überhaupt keine
Frage, und wir haben glaube ich mit den gesetzlichen Grundlagen auch solche Projekte induziert. Aber ohne den
Idealismus und das Engagement von Einzelpersonen geht das im Prinzip nicht.
Der Betrieb Löser versorgt sich autark mit Strom und versorgt sich auch mit Treibstoffen für seine Traktoren und die
PrivatPkws aus eigener Produktion - ein faszinierendes Projekt: auf der einen Seite Landwirt als Energiewirt, auf der
anderen Seite auch der Ersatz von fossilen Energieträgern und damit ein maximaler Beitrag zur ökologischen
Bewegung in Österreich. Das ist absolut herzeigbar und für mich ein Paradevorzeigbetrieb.
meine Kommentare:
1 das "wir" ist eine Frechheit
2 Was war wohl zuerst?
3 aber ja nicht zu attraktiv
4 Hier offenbart sich Pröll als Schwätzer: Bei nachhaltiger Waldbewirtschaftung beispielsweise muß weder die Asche
verbrannter Möbel (das wäre stofflicher Kreislauf) noch beispielsweise die bei der Verbrennung von Holzpellets
gewonnene Energie (das wäre energetischer Kreislauf) dem Wald wieder zugeführt werden. Die Beachtung
ökologischer Kreisläufe ist allerdings in der Biolandwirtschaft
sehr wichtig.
5 Dieses penetrante "wir" ist nicht anderes als eine billige Vereinnahmung zu Werbezwecken. "Image-Transfer" wie es
in der PR-Branche heißt.
6 Da könnte der Journalist auch direkt fragen: Wann werden Sie zulassen, daß es eine ernsthafte Konkurrenz für die
Energieversorgungsunternehmen wird?
7 Alles unverbindliches Bla-Bla. 2005 oder 2050 oder...
8 Einen wichtigen Platz im Bereich von ein bis zwei Prozent.
9 Das haben die ÖsterreicherInnen ganz ohne Herrn Pröll mit der Verhinderung des AKW Zwentendorf
und in all den Jahren seitdem bereits bewiesen.
10 Hört, hört !
11 Seit einem Vierteljahrhundert bekannt und beispielsweise in Rottweil lange erprobt.
12 Hier kommt die Frage dem Kern des Pudels schon bedenklich nahe - wird sich Pröll auch diesmal
herauswinden können??? Die Spannung steigt.
13 Tja, ein "Paradevorzeig"-Beispiel eben. Gelernt ist gelernt. Kein Wort zu Konzernen oder multinationalen
Energieversorgern - statt dessen liebreizende Worte über Atomenergie für das Ohr der potentiellen ZuhörerInnen.
Dabei steht Atomenergie in Österreich schon lange nicht mehr zur Disposition.
14 Und was ein höflicher Journalist sein will, der wechselt aufmerksam und prompt das Thema. Anderes könnte
als Impertinenz gewertet werden und die Karriere gefährden.
Solveig Brendel
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