4.12.2002

Die NaturEnergie AG
Etikettenschwindel der Atom-Mafia

Die NaturEnergie AG gibt sich als Anbieterin von Ökostrom aus und wirbt massiv mit "Ausstieg aus der Atomenergie". Der Regionalverband des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) Baden-Württemberg kooperierte1 mit 'NaturEnergie', über 260 kirchliche Einrichtungen in der Erzdiözese Freiburg beziehen den Strom von 'NaturEnergie', der bekannte Journalist und konservative Öko-Publizist Franz Alt machte2 auf seiner Internet-Seite Werbung für 'NaturEnergie' und der SC Freiburg läßt sich von 'NaturEnergie' sponsern.

Was kann da also so falsch dran sein ?

In Insider-Kreisen sind sie längst bekannt, doch wer nicht die Wirtschaftsseiten der Tageszeitung liest (und wer liest die mit Vergnügen?), hat kaum die Chance, die Hintergründe zu erfahren3. Die NaturEnergie AG selbst ließ nur verlauten, daß sie sich zu je 50 Prozent im Besitz der beiden Aktionäre KWL, der Kraftwerke Laufenburg AG, und der KWR, der Kraftübertragungswerke Rheinfelden, befindet. Das hört sich doch nach Wasserkraft und sehr sauber an? Doch gleich vielfältig sind KWL und KWR mit der Atom-Mafia verflochten. So besaßen sie ihrerseits bis April 2002 Anteile am schweizerischen AKW Leibstadt und ihre Muttergesellschaft, die schweizerische Watt AG war wiederum zu je 24,5 Prozent im Besitz der deutschen Atom-Konzerne EnBW und Eon (hervorgegengen aus Bayernwerk und Preußen Elektra). Weitere 31 Prozent der Watt AG sind im Besitz der NOK (Nordostschweizerischen Kraftwerke) und 20 Prozent gehören der Großbank Crédit Suisse. Um nun den Atomkraft-Makel loszuwerden, verkauften KWL und KWR öffentlichkeits- wirksam ihre AKW-Anteile an ihre Muttergesellschaft.

Doch während diese vordergründige Schönheitsoperation das Öko-Image aufpolieren soll, ist durch andere Verschiebe- Spielchen die Verflechtung noch angewachsen: Als ein großer Teil der EnBW-Aktien im Frühjahr 2002 vom französischen Stromriesen EDF (Electricité de France - mehr als 50 AKWs) verschluckt wurde, hatte die EU-Kommission als wettbewerbshüterische Alibi-Veranstaltung zur Auflage gemacht, daß sich EnBW von ihren Anteilen an der Watt AG, und damit an KWL und KWR trennen müsse. EnBW verkaufte nun die Watt AG (genauer gesagt: ihre 24,5-Prozent- Beteiligung) an die NOK. Die Watt AG ihrerseits verkaufte ihre 76,6-Prozent-Beteiligung an der KWL an die EnAlpin AG. Und wem gehört die Holding EnAlpin im schweizerischen Zug? Sie ist eine Tochter der EnBW.

Zwischenzeitlich hatte die KWL im Mai 2002 69,28 Prozent ihrer Schwester KWR übernommen, diesen Anteil kurz danach auf über 97 Prozent erhöht und sie damit zur Tochter gemacht. 'NaturEnergie' ist damit nun also im Besitz der EnBW, der Betreiberin der AKWs Philippsburg, Neckarwestheim und dem gerade erst wieder durch die Medien geisternden Uralt-AKW Obrigheim, ganz zu schweigen von vielen weiteren Anteilen an deutschen und französischen Atomenergiefirmen.

Der Vorstand der KWL, Dr. Gerhard Haury, sieht darin eine "ideale Lösung". "Unter Nutzung der Vertriebsinfrastruktur und der Erfahrung von EnBW soll die Marke 'NaturEnergie' künftig verstärkt bundesweit vermarktet werden" (BZ, 2.08.02). Dies war EnBW bislang mit ihren eigenen "Solar-" und "Öko"-Tarifen trotz enormem Werbeaufwand nicht geglückt. Ein besonderer Vorteil gegenüber anderen Ökostrom- Anbietern liegt zudem darin, daß 'NaturEnergie' nun auf umfangreiche Kundendateien zugegreifen kann. Auch mit Hilfe großformatiger Zeitungsannocen konnte trotz der Atom-Connection ein professionelles Öko-Image aufgebaut und bislang rund 200.000 KundInnen gewonnen werden.

Von Beginn an wurde besonders eine Mitkonkurrentin, die EVS Schönau, die aus einer Bürgerinitiative hervorgegangen war, bis aufs Messer bekämpft. Bereits zu einem Zeitpunkt, als 'NaturEnergie' noch gar kein Geld mit Ökostrom verdient hatte, konnte sie millionenschwere Anzeigen in Tageszeitungen lancieren. Wer mit einer gesunden Portion Skepsis ausgestattet ist, fragt sich: Woher kam dieses Geld?

Verschiebe-Spielchen auch auf der Ebene der Public Relations: Die Solar-Zeitschrift 'Photon' und 'NaturEnergie' kooperierten bereits in der Vergangenheit werbewirksam. Dieses Jahr schrieb 'NaturEnergie' einen Journalisten-Preis aus - den dritten Platz erlangte ein renommierter Journalist von 'Photon'. Wer saß mit in der Jury? Dr. Brigitte Dahlbender, die Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg.

Nicht alle Anbieter von Ökostrom sind nur hohle Fassade. Wer sich neutral informieren möchte, darf sich allerdings nicht auf bunte Werbebroschüren und Zeitungsannocen verlassen, sondern muß sich bei unabhängigen Organisationen Informationen zu den diversen Anbietern einholen.
Anmerkung (31.03.03):
Da dies im internet sehr schwer zu finden ist, haben wir selbst einen Überblick über empfehlenswerte Ökostom-Anbieter zusammengestellt. Bitte hier klicken.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen (1.03.03):
1 Der BUND hat inzwischen eine Postkarten-Aktion "Stromwechsel" aufgelegt, in der explizit auf die Schönauer hingewiesen wird.
2 Franz Alt bzw. Biggi Alt hat die Werbung inzwischen von der web site www.sonnenseite.com entfernt.
3 Der aktuelle Stand der Verflechtung mit EnBW ist zu finden im Artikel
    'Schönau auf Platz Eins'
    Ökostrom-Anbieter im Vergleichstest des 'BdE' v. 7.03.04

 

neuronales Netzwerk