Dimitris Belantis und Stathis Kouvelaki, Mitglieder des Zentralkomitees des griechischen Links-Bündnisses Syriza, haben einen Brief an die Bundestagsabgeordneten der Linkspartei geschrieben. Darin fordern sie, gegen den von Alexis Tsipras und seinem Finanzminister Yanis Varoufakis ausgehandelten "Kompromiß"-Vertrag zu stimmen. Mittlerweile haben im Bundestag zusammen mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble 41 Abgeordnete der Linkspartei für den euphemistisch als "Verlängerung der Stabilitätshilfe für Griechenland" bezeichneten Vetrag gestimmt, zehn enthielen sich und die drei Abgeordneten der Linkspartei Christine Buchholz, Inge Höger und Ulla Jelpke stimmten dagegen.
Hier der Text:
Wir wollen Euch und die Partei »Die Linke« über den Inhalt des provisorischen Vertrags zwischen der griechischen Regierung und der Führung der Euro-Zone vom 20. Februar 2015 informieren – zumindest darüber, wie wir ihn gelesen haben. Gleichzeitig wollen wir Euch eine kurze Einschätzung des Inhaltes der Reformliste geben, die unser Finanzminister Yanis Varoufakis an die Euro-Gruppe geschickt hat. Beide Texte entsprechen nicht den wichtigsten Punkten unseres Wahlprogramms. Schlimmer noch: Die wichtigsten Punkte unseres Programms werden dadurch praktisch außer Geltung gesetzt.
An dieser Stelle können wir Euch nur einige wenige Beispiele nennen. Der Anstieg des Mindestlohnes auf 750 Euro wird nicht kurzfristig von unserem Parlament »einseitig« durchgesetzt werden können. Er kann höchstens eine langfristige Perspektive werden, die unter dem Vorbehalt steht, daß er die Wettbewerbsfähigkeit des Landes in der internationalen Konkurrenz (»competitivness«) nicht schwächt. Die schon vollendeten Privatisierungen bleiben in Kraft. Dort, wo das Verfahren noch läuft, soll der Prozeß unter »Beachtung der Legalität« abgeschlossen werden. Eine prinzipiell ablehnende Haltung zu den Privatisierungen kann man in dem Text an keiner Stelle finden. (...)
Die wesentliche Kernforderung des Wahlprogramms von Syriza – nämlich Steuererleichterungen für Lohnabhängige und keine Steuer auf Einkommen unter 12.000 Euro wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Fast kein Gesetzesentwurf kann ohne Einverständnis der Troika, die jetzt zu »den Institutionen« umgetauft wurde, und ohne finanzielle Ausgleichsmaßnahmen eingebracht werden. Auch die Maßnahmen für die Lösung der humanitären Krise dürfen keine negativen finanzpolitischen Konsequenzen haben.
Wir möchten betonen, daß die Verlängerung des Finanzierungsvertrags von 2012 für vier Monate politisch und juristisch ohne die Einhaltung der Memoranden mit all ihren juristischen Konsequenzen unmöglich ist. Den Finanzierungsvertrag von den Memoranden zu trennen ist einfach unmöglich. Dies bedeutet, daß die Memoranden und ihre Anwendungsgesetze im wesentlichen ihre Geltung behalten.
Die Skepsis und Ablehnung gegen diesen neuen Vertrag wurden auch in der Sitzung der Syriza-Fraktion am Mittwoch, den 25. Februar deutlich zum Ausdruck gebracht. 70 Mitglieder der Fraktion votierten in einer Probeabstimmung für den Vertrag, 40 Abgeordnete stimmten gegen den Vertrag, und 30 Abgeordnete nahmen an der Abstimmung nicht teil. Auch die neue Präsidentin des Parlaments stimmte gegen den Vertrag. An diesem Wochenende findet eine Sitzung des Zentralkomitees von Syriza statt, in der über den Vertrag und die von der griechischen Regierung vorgelegte Reformliste entschieden wird.
Für uns steht fest, daß die Ratifizierung dieses Vertrages durch europäische Parlamente unter Zustimmung der Parteien der Linken den griechischen Lohnabhängigen und dem griechischem Volk nicht nützlich sein kann. (...) Unserer Meinung nach ermöglicht man der griechischen Linken und im besonderen Syriza die Chance, sein Programm zu verwirklichen, wenn man gegen diesen Vertrag stimmt. Ein »Ja« hingegen öffnet den Weg in eine Welt der falschen Illusionen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Griechenland und EU
Kompromiß oder Bluff? (24.02.15)
Griechenland: Durchbruch für Syriza
Ende des Elends? (25.01.15)
Schmiergelder für griechische Panzer-Deals?
Ermittlungen gegen KraussMaffeiWegmann (14.11.14)
Banken bekommen
zweites Griechenland-Hilfspaket (21.02.12)