3.06.2003

Stoßseufzer

Ich bin gegen
die Ökumene

Ich bin gegen die Ökumene. Wirklich. Daß die Katholiken und die Protestanten ihre getrennten Kirchentage abhalten, ist für die betroffenenen Städte schon schlimm genug. Aber jetzt? Ökumene. Und das heißt nun mal, daß offiziell 400.000 vor Glückseligkeit trunkene Menschen durch Berlin hecheln, vorzugsweise in den öffentlichen Verkehrmitteln S- und U-Bahn. Da sieht man sie dann, mit ihren braun-weißen Teilnehmerkarten um den Hals gebunden und den obligatorischen orangefarbenen Halstüchern. Und sie reden immerzu in einer Lautstärke, als ginge es, den Rest der Bahn zu missionieren. Allerdings haben sie dabei nur zwei Themen: den Fahrplan der Berliner Verkehrbetriebe und - na? - Jesus Christus.

Außerdem erfährt man noch einiges über die örtliche Geographie. Zum Beispiel so:
„ Ah, da ist er ja, der Lange Lulatsch.“ „Was meinst Du?“ „Na, den Fernsehturm. Den hab ich völlig verinnerlicht. Er ist 268 m hoch, früher nur 265, aber dann haben sie drei Meter draufgesetzt, wegen des Fernsehens. Außerdem hat ihn Walter Ulbricht 1968 erbauen lassen , ja, und dann 1968 ist meine Tochter geboren. Alles 68er“.
(Scheiß Fernsehen, Scheiß Ulbricht, Scheiß Tochter).

„Was bedeutet Dir eigentlich der Kirchentag?“ „Na, alles, das ist immer ein Höhepunkt in meinem Leben. Jetzt ist es ja was ganz Besonderes, alle Christen sind da, alle vereint in Jesus Christus.“

„Was bedeutet Dir eigentlich Jesus?“ „Er ist - hört sich komisch an - aber er ist mein Leben. Schon von Kindheit an hat er mich begleitet. Ich könnte mir ein Leben ohne Jesus gar nicht vorstellen. Es hätte keinen Inhalt mehr. Man kann doch nicht nur für die Welt leben.

(Geht mir auch so: schon von Kindheit an hat er mich begleitet: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast“.
Zum Glück fahre ich nur selten länger als 7-8 Stationen und so fand ich immer noch rechtzeitig Gelegenheit, dieser aggressiven Glückseligkeit auszuweichen, bevor mich der Koller packte.

Doch auch andere Leute als diese permanent-pubertären Frömmler bekommen in solchen Tagen ihren Knall. Die Tageszeitung ("TAZ“, die irgendwie einmal ganz links (aber hallo!) angefangen hat, brachte jetzt für die Dauer des Kirchentages eine „KirchenTaz“. Und ein großes Interview mit Gregor Gysi, der sich selbst als „Heide“ (gemeint ist, als einer, zu dem das Christentum (noch) nicht gekommen ist) definiert. Gysi bedauert den zu geringen Einfluß der Kirchen auf die Gesellschaft, denn nur durch sie ließen sich „Werte“ vermitteln. Die anderen seien zwar nicht „wertlos“, aber eben doch „ohne Werte“. Man möchte ihn gleich zur Taufe schleppen, aber am Besten mit einem ganzen Eimer Wasser. Vielleicht hilft´s ja.

Ganz wichtig muß für unsere Ökumenisten das Gemeinsame Abendmahl sein. Das hat der Papst aus theologischen Gründen verboten. Genauer: Es ist nur in Ausnahmefällen erlaubt; nämlich für den Papst selbst oder hohe Bischöfe aus seiner Umgebung. Es soll um die Eucharistie gehen. Wichtig ist wohl auch, daß für den offiziellen Katholizismus die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi nicht etwa nur symbolisch gemeint ist, sondern tatsächlich vollzogen wird. Dazu braucht man auch Priester und Protestanten können das natürlich nicht. Dennoch vollzog der katholische Priester Dr. Gotthold Hasenhüttl in der Gethsemane-Kirche diesen Akt, auch mit Protestanten. Jetzt wartet er auf die Konsequenzen, die, da er mit 69 Jahren bereits pernsioniert ist, nicht gar so arg sein können. Jüngere haben allen Ernstes Angst, mit Namen und Gesicht in der Öffentlichkeit aufzutreten. Aber klar, sind ja auch keine Protestanten.

Was sind eigentlich Protestanten? Donoso Cortes sagte einmal: „Ein Protestant ist ein Mensch, der protestiert.“ Klingt einleuchtend und so versteht es auch die breite Öffentlichkeit. Nur: Es ist nicht richtig. Protestant kommt von „Pro Testare“, also „dafür sein, ein Zeugnis abzulegen“. Nämlich durch sein Bekenntnis und durch sein Leben. Wahrscheinlich deshalb dieser widerliche moralisierende Drang, der die größten Gemeinheiten mit dem unschuldigsten Gesicht vollziehen kann. Doch das Mißversändinis ist nicht so zufällig. Manches erspürt der Volksmund eben doch besser als der Theologe dogmatisiert. Zum Beispiel jenen schönen Satz aus der Bergpredigt, der da lautet (jetzt fang ich auch schon so an zu reden): „Selig sind die Armen im Geiste“. Strenggenommen bedeutet dies, daß die Armen (materiell) „im Geiste“ (also wenn sie im Jenseits sind) „selig“ sind. Also leichter in den Himmel kommen als die Verehrer des Mammons. Glaubt aber kein Mensch. Und so wurde der Satz unausrottbar in „Selig sind die Blöden“ uminterpretiert, was ja irgendwie auch viel praktischer ist.

Star des Events war aber kein Christ, sondern der Dalai Lama, genau genommen die wasweißichwievielte Inkarnation desselben, der, der Legende nach, sich entschlossen hat, immer wiedergeboren zu werden, obwohl er es aufgrund seiner Erleuchtung nicht nötig hätte, nur um anderen, weniger Erleuchteten, zu zeigen, wie man auf Buddhas Wegen ins Nirwana gelangt. Zwar ist seine „Heiligkeit“, wenn man bedenkt, daß Buddhas Erleuchtung seinerzeit darin bestand, ihm alle irdischen Begierden, die ihn an das Rad des Daseins fesselten, abzutöten, erstaunlich eitel, wie man bei seinem Auftritt erleben konnte, doch irgendwie gefällt mir dieser Weg und ich kann ihm nur baldigen und vollen Erfolg wünschen, wobei es mir vergleichsweise egal ist, ob all diese Hochmoraliker ins Nirwana eingehen oder in ein plastischeres Paradies, wo entweder 72 Jungfrauen auf sie warten wie in der 56. Sure des Korans oder zu „Schulz“, dem Assistenzteufel aus der 'Taz'. Nur geht mit Gott, aber geht.

Doch vorerst kommen sie erstmal. Es hat ihnen in Berlin so gut gefallen, daß sie jetzt öfter Ökumenische Kirchentage feiern wollen - und zwar immer in Berlin. Das walte Jesus Christus.

Deshalb eine dringende Bitte: Papst Johannes Paul II, machen Sie dem Spuk ein Ende - Sprechen Sie ein Machtwort.

 

Charly Kneffel

 

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