Auch ökologische Arbeit ist nicht frei von internen Interessen-Konflikten. Wir wollen versuchen, einen solchen Konflikt und die ins Feld geführten Argumente hier möglichst objektiv darzustellen. Im Anschluß daran geben wir unsere Wertung der Positionen und skizzieren einen möglichen Lösungsweg, der vielleicht für beide Seiten tragbar ist.
Stadtwerke Schwäbisch Hall:
Wir bauen in Schwäbisch Hall ein Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk mit einer
elektrischen Leistung von 5 Megawatt, das jährlich etwa 30 Millionen Kilowattstunden (kWh) ökologischen
Strom produziert. Damit kann der Anteil der Erneuerbaren Energie in Schwäbisch
Hall von rund 7 Prozent auf 22 Prozent des gesamten Strombedarfs angehoben werden.
Insgesamt werden 7,5 Millionen Euro investiert.
Das Pflanzenölkraftwerk in Schwäbisch Hall soll als Kraft-Wärme-Kopplungsanlage
betrieben werden. Dies bedeutet, daß die bei der Stromerzeugung freiwerdende Wärme im
Fernwärmenetz der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH eingesetzt werden kann. Damit erreicht
das Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk einen Gesamtwirkungsgrad zwischen 80 und
85 Prozent. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftwerken der Bundesrepublik mit Wirkungsgraden unterhalb von 40 Prozent sind Blockheizkraftwerke sehr
effizient. Allein der Unterschied zwischen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und
Kondensationskraftwerken führt zu einem um 60 Prozent geringeren CO2-Ausstoß, wenn diese
Blockheizkraftwerke mit fossilen Primärenergieträgern betrieben werden. Beim
Einsatz eines Blockheizkraftwerkes mit Pflanzenöl liegt CO2-Neutralität vor, d.h. es
wird nur soviel CO2 ausgestoßen, wie beim Pflanzenwachstum aus der
Umgebungsluft aufgenommen wurde.
Das geplante Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk hat nicht nur
nur einen sehr hohen elektrischen Wirkungsgrad im Motorbereich -
durch einen zusätzlichen Dampfturbinenprozeß wird der elektrische
Wirkungsgrad auf insgesamt circa 44 Prozent gesteigert. Diese hoch effiziente
Anlagenkonfiguration wird in dieser Form zum ersten Mal in der Bundesrepublik
realisiert.
Die Umwelt-Organisation 'Rettet den Regenwald':
In den letzten Regenwälder Südostasiens ist die Heimat der Orang-Utans. Diese Wälder werden rasend schnell für Tropenholz und Palmölplantagen abgeholzt. Jetzt wird der Bedarf an Palmöl gigantisch ausgeweitet. Was bisher nur für Margarine, Eiskrem und Kerzenwachs verwendet wurde, soll nun in deutschen Kraftwerken verbrannt werden. In Schwäbisch Hall soll in wenigen Wochen ein Blockheizkraftwerk aus billigem Palmöl Strom und Wärme erzeugen. Damit macht sich Schwäbisch Hall zum Komplizen der Regenwaldvernichter.
Stadtwerke Schwäbisch Hall:
Der Einsatz von Palmöl ist nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zulässig. In § 8
des EEG ist die Vergütung für Strom aus Biomasse ausführlich geregelt und es sind keine Einschränkungen im Gesetz vorgesehen, die den Einsatz von
Biomasse verbietet, die außerhalb von Deutschland beschafft wird.
'Rettet den Regenwald':
Bei der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wurde noch nicht daran gedacht, daß Plantagen für Palmöl beispielsweise in Malaysia dort angelegt werden, wo zu diesem Zweck Regenwald vernichtet wird.
Stadtwerke Schwäbisch Hall:
Geschäftsleitung und Aufsichtsrat der Stadtwerke Schwäbisch Hall haben beschlossen,
vorrangig Pflanzenöl aus der Region um Schwäbisch Hall beziehungesweise aus Baden-
Württemberg einzusetzen.
Zu mindestens 10 Prozent soll Rapsöl verbrannt werden. Die restlichen rund 90 Prozent sollen durch ausländisches Pflanzenöl gedeckt werden. Bei der Beschaffung von ausländischen Pflanzenölen wollen wir natürlich darauf geachtet, daß wir nur aus ökologisch nachhaltigen Plantagen beziehen.
Sämtliches Pflanzenöl bzw. Palmöl, das zunächst aus Malaysia geliefert wird, stammt aus Altplantagen in
der Nähe von Kuala Lumpur. Diese Plantagen existieren bereits seit mehreren Jahrzehnten und dort findet
auch keine Kinderarbeit statt.
Wegen Zertifizierungsregeln wollen wir in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt (UBA) Kriterien ausarbeiten. Wir haben uns für einen Weg entschieden, weil wir uns nicht auf irgendwelche Institute,
sondern auf uns selbst verlassen wollen.
Außerdem planen wir im Januar 2007 mit einer Delegation einen Besuch bei den Plantagen in Malaysia, aus denen die Stadtwerke Pflanzenöl beziehen wollen. Dabei ist uns die Meinung der Umweltverbände in Malaysia zu diesen Plantagen wichtig. Wir wollen uns dabei auch über Ursachen und Umfang von Schäden an den bestehenden Regenwäldern in Malaysia kundig machen. Die Ergebnisse wollen wir im Internet veröffentlichen.
'Rettet den Regenwald':
Zertifizierungen aus Dritte-Welt-Ländern wie Malaysia sind in der Regel wenig glaubwürdig. Der Besuch von Plantagen in Malaysia ist grundsätzlich zu befürworten. Offen bleibt dabei jedoch die Frage, wie kontrolliert werden kann, aus welchen Plantagen letztlich das Palmöl geliefert wird.
Stellungnahme der Redaktion von 'burning beds'*:
Die Möglichkeit, mit Hilfe von Zertifizierungen auszuschließen, daß Palmöl aus Malaysia geliert wird, das mit der Vernichtung von Regenwald in Zusammenhang steht, erscheint uns wenig sicher. Laut einer Vielzahl von Erfahrungsberichten ist auf die Aussagen von Behörden in Malaysia wenig Verlaß. Besuche vor Ort sind zwar gut und schön, können eine permanente Überwachung aber nicht ersetzen, da von Europa aus kaum festgestellt werden kann, wo das betreffende Palmöl abgefüllt wurde. Eine permanente Kontrolle jedoch würde dazu führen, daß Palmöl aus Malaysia kaum noch billiger wäre als beispielsweise Rapsöl aus Deutschland.
Wir plädieren daher dafür, das Blockheizkraftwerk in Schwäbisch Hall mit Pflanzenöl aus Deutschland oder Nachbarländern zu betreiben. Dabei muß auch unbedingt gewährleistet sein, daß kein genmanipulierter Raps eingesetzt wird.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkung
* Dieser Text ist das Manuskript eines Rundfunk-Beitrags. Das copyright liegt bei der Redaktion der Umweltsendung 'burning beds' von Radio Dreyeckland.
Zu hören ist 'burning beds' jeden zweiten Montag im Monat um 20 Uhr.
Radio Dreyeckland sendet auf 102,3 Megahertz (MHz).
Siehe auch: www.rdl.de