1.06.2005

Kommentar

Bündnis von PDS und WASG
- eine historische Chance?

Ein mögliches Bündnis zwischen PDS und WASG wird dieser Tage in der deutschen Linken heiß diskutiert. Doch wofür stehen PDS und WASG überhaupt? Ist die Linke so weit heruntergekommen, daß sie bereit ist, allem hinterher zu laufen, sofern es sich nur als irgendwie links anbietet?

Der Dreh- und Angelpunkt jeder linken Politik ist immer noch das Problem, wie eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel realisiert werden kann. Die neo-sozialdemokratische WASG bietet hierfür überhaupt keine Lösung, da sie ein Zurück in die Zeit der 60er Jahre des westdeutschen Wirtschaftswunders auf der ökonomischen Grundlage einer Nachfrage-orientierten Haushaltspolitik auf ihre Fahnen geschrieben hat. Die PDS hat sich in großen Teilen immer noch nicht von dem in seiner Realitätsferne geradezu religiösen Dogma befreien können, mit der Verstaatlichung der Produktionsmittel in den ehemaligen Diktaturen des Ostblocks sei damals die Vergesellschaftung der Produktionsmittel verwirklicht worden. Alle wollen sie geradewegs zurück in die Ära von Erhard und Chruschtschow, Stalin, Trotzki oder Lenin.

PDS und WASG verfolgen eine rückwärtsgewandte Politik.

Doch eine Orientierung der Linken an PDS und WASG birgt nicht nur die Gefahr, die weit verbreitete Perspektivlosigkeit zu zementieren - auch die von ihnen propagierte Ausrichtung aufs Parlament bietet keinen Ausweg: Die neo-liberale Ausrichtung der gegenwärtigen Allparteien-Koalition aus "Rot-Schwarz-Gelb-Grün" kann mit 10 Prozent oder selbst mit 20 Prozent nicht durchbrochen werden.

In einem vor zwei Tagen in der Tageszeitung 'Junge Welt' verbreiteten Aufruf heißt es durchaus zu recht:
"Tatsächlich droht eine Verschärfung des neoliberalen Kurses und ein beschleunigter Prozeß der Umverteilung von unten nach oben."

Dieser Aufruf - "Bundestagswahl September 2005 - Drohende neue Rechtsentwicklung und Chancen für linke Politik" wird u.a. von Winfried Wolf unterstützt. Auffallend ist, daß sich die AutorInnen des Aufrufs um eine klare Aussage herumdrücken, ob sie diese Beschleunigung des neo-liberalen Kurses allein von "Schwarz-Gelb" oder im selben - oder gebremstem - Maße von "Rot-Grün" erwarten.

Hier deutet sich bereits an, daß "Rot-Grün" immer noch von Teilen der PDS und der WASG als links von "Schwarz-Gelb" angesehen und letztlich als "kleineres Übel" begriffen wird. Zugleich ist bereits jetzt klar, daß nach einem wie auch immer gearteten Zusammengehen auf die Medien-Stars Oskar Lafontaine und Gregor Gysi zurückgegriffen wird. Von deren Seite liegt ein Angebot vor, das nicht ausgeschlagen werden kann.

Lafontaine und Gysi - leidet die Linke unter General-Amnesie?

Oskar Lafontaine hat sich in den letzten Jahren in seiner Kolumne für Deutschlands meist verkauftes Toilettenpapier (das mit den vier Buchstaben) nicht nur für Folter in populistischen Fällen ausgesprochen, sondern bereits vor Beginn seiner lukrativen Phase als politischer Früh-Rentner beweisen können, daß er neben (manchmal) linken Sprüchen für so manches gut ist: Er galt einmal als SPD-Vordenker, war saarländischer Ministerpräsident und von 1995 bis 1999 SPD-Vorsitzender. Als saarländischer Ministerpräsident sorgte er persönlich für das restriktivste Landes-Pressegesetz in ganz Deutschland. Zu Zeiten als in der SPD ein Gerhard Schröder gerade erst wagte, an Sozial-Abbau zu denken, sprach sich Oskar Lafontaine bereits für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe inclusive Zwangsarbeit, die Schaffung eines Niedriglohn-Sektors, Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich und die Flexibilisierung von Tarifverträgen aus. Lafontaine fand nichts bei den deutschen Kriegseinsätzen im Kosovo und Afghanistan - erst später zelebrierte er die Wiederentdeckung seines "linke Herzens". Auch die "rot-grünen" Pläne, mit Sammellagern für Asylbewerber in Nordafrika die Festung Europa zu optimieren, fanden seine Zustimmung.

"Wir werden ähnlich wie in England dafür sorgen, daß die Zahlung von Sozialhilfe an strenge Regeln geknüpft wird! Eine angebotene Arbeit muß angenommen werden. Sonst wird die Sozialhilfe gekürzt!"
Original-Zitat Oskar Lafontaine, 9. Juli 1998

Über Gregor Gysi ist mit seiner Bonus-Meilen-Affäre bereits alles gesagt. Doch die Halbwertszeit des Vergessens scheint im Medienzeitalter allmählich unter die 24-Stunden-Schwelle zu sinken.

Sollten diese beiden Herren über ein PDS-WASG-Bündnis in den nächsten Bundestag gelangen, muß damit gerechnet werden, daß sie zur Wahl einer dritten "rot-grünen" Regierung ihre Stimme "leihen". Oskar Lafontaine wird sich seine Zustimmung vielleicht für den Kopf Gerhard Schröders auf dem Silbertablett abhandeln lassen, dafür jedoch ohne mit der Wimper zu zucken selbst einen Rudolf Scharping zum Kanzler küren.

Merkwürdig, daß so "weit im Voraus" nur wenige denken wollen. Wenn doch, versuchen sie zu argumentieren, Lafontaine und Gysi könnten sicherlich unter Druck gesetzt werden, so daß sie sich hüten würden, "Rot-Grün" zu einer dritten Regierungszeit zu verhelfen. Gegenfrage: Könnt ihr einem von diesen beiden einen Strick ans Bein binden, der auch noch hält, wenn sie in den Reichstag gewählt sind? Nein. Und Lafontaine und Gysi werden sich hüten, diesbezüglich konkrete Zusagen vor der Wahl abzugeben. Mit Hilfe der Mainstream-Medien würde ein solches Ansinnen, ihnen irgendwelche konkreten Zusagen abzuverlangen - so dieses überhaupt die Chance hätte öffentlich zu werden - , mit dem Kampfbegriff "imperatives Mandat" als Inbegriff des Teuflischen mit einem Bann belegt.

Im Aufruf "Bundestagswahl September 2005 ..." wird beispielsweise lediglich von der "großen Verantwortung" der Linken und von einer "ernsthaften Chance" fabuliert. Als selbstverständlich wird vorausgesetzt, daß eine "linke Kandidatur" zugleich "Möglichkeiten für eine Stärkung fortschrittlicher - demokratischer, ökologischer und sozialistischer - Positionen" bietet. Dies wird nicht in Frage gestellt, ein Pro und Contra dieser These wird nicht diskutiert. Unpräzise heißt es in jenem Aufruf:
"Gleichgültig wer ab September 2005 die neue neoliberale Regierung stellt, sie würde sich einer großen Fraktion von 50 und mehr Bundestagsabgeordneten gegenüber sehen,..."

Zwischenfrage: "gegenüber sehen" - schließt dies eine Tolerierung von "Rot-Grün" aus? Allein schon diese Frage zu stellen, würde sowohl in der WASG als auch in der PDS einen tiefen Graben sichtbar werden lassen.

Um den Satz vollständig zu zitieren:
"Gleichgültig wer ab September 2005 die neue neoliberale Regierung stellt, sie würde sich einer großen Fraktion von 50 und mehr Bundestagsabgeordneten gegenüber sehen, von denen erwartet werden kann, daß sie den antisozialen und militaristischen Kurs einer solchen Regierung angreifen und den demokratischen und sozialen Bewegungen im Land eine Stimme verleihen."

Erwartet werden kann dies, ja darf dies! Winfried Wolf jedoch müßte nach seinen Erfahrungen, die er bereits einmal in einer PDS-Bundestagsfraktion machen durfte, genau wissen, daß auf solche Erwartungen die kalte Dusche folgt. Manchen muß vielleicht zugute gehalten werden, daß sie einige der letzten Jahre verschlafen haben und die eine oder andere Erfahrung nachholen müssen. Anderen mangelt es vielleicht am Gedächtnis - ihnen sind die umfangreichen schriftlichen Erinnerungen des Winfried Wolf ans Herz zu legen. Wieder andere sind vielleicht MasochistInnen?

In einer Hinsicht jedoch ist dem zitierten Aufruf zuzustimmen:
"Die Bildung einer solchen Wahlpartei ist - noch - möglich. Sie würde dem Modell folgen, das 1969 mit der "Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF)" praktiziert wurde. Dies würde erfordern, daß unverzüglich autorisierte Vertreter beider Parteien eine Initiative zur Gründung einer linken Wahlalternative bilden. Da nach Paragraph 18 des Bundeswahlgesetzes "spätestens am neunzigsten Tag vor der Wahl" der Wahlvorschlag eingereicht werden muß, müßte bis Mitte Juni (spätestens bis 18. Juni) ein Gründungsparteitag durchgeführt werden."

Insbesondere aus der Führungsriege der PDS war in den letzten Tagen bereits mehrfach zu vernehmen, eine solche Möglichkeit gebe es nicht. Großzügig wurde auf das Angebot verwiesen, KandidatInnen der WASG könnten auf einer offenen Liste der PDS kandidieren. Dies wird sicherlich nicht zustande kommen. Angesichts solcher Reaktionen von PDS-Funktionären (Frauen waren nicht darunter) muß sehr bezweifelt werden, ob in den nächsten zwei Wochen ein (Wahl-)Bündnis von PDS und WASG aus der Taufe gehoben wird. Etwas Zukunftsträchtiges ist dabei leider nicht zu erwarten - es wäre der Abkömmling zweier politischer Greise.

Ich werde meine Energie lieber darauf richten, auch zur Bundestagswahl im Herbst wieder einen Wahlboykott mit klarer politischer Ausrichtung zu wachsender Resonanz zu verhelfen. Mehr dazu auf:
www.wahlboykott2005.de

 

Klaus Schramm

 

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