Rezension zum Buch von:

Martin Ludwig Hofmann

Indian War
Der Fall des indianischen Bürgerrechtlers
Leonard Peltier

Leonard Peltier Als ich das Buch in den Händen hielt, kamen mir zuerst zwei Gedanken: Schon wieder ein Buch über Peltier und warum heißt der Titel eigentlich "Indian War". Doch nach genauerer Betrachtung, musste ich feststellen, dass außer der kürzlich erschienen Autobiographie von Leonard Peltier z.Zt., gar kein Buch in deutscher Sprache über ihn erhältlich ist. Peter Matthiessens "In the Spirit of Crazy Horse" liegt ja nur in englischer Sprache vor. Zum zweiten Gedanken, stellte sich mir die Frage, ob es denn ein "Krieg der Indianer" sei, über den hier berichtet wird? Dies ist sicherlich nicht der Fall, denn es handelt sich doch eher um den Krieg der US-Regierung gegen den indianischen Widerstand. (Aber dies nur nebenbei – und als Werbetexter, wird Herr Hofmann sicherlich einen verkaufsfördernden Titel gesucht haben.)

Aber nun zum Inhalt des Buches. Martin Hofmann beschreibt in seinem Buch nicht nur den "Fall Leonard Peltiers" sondern informiert ebenso über die Vorgeschichte, die indianische Bürgerrechtsbewegung, vorwiegend der 70er Jahre und hier über das American Indian Movement (AIM), sowie die Situation auf Pine Ridge zu dieser Zeit. Er lässt dabei Zeitzeugen zu Wort kommen und zitiert aus den verschiedensten Quellen um seine Aussagen zu belegen. Natürlich auch aus Peter Matthissens Buch, das er übrigens zehn Jahre lang nicht veröffentlichen konnte, da ihm dies gerichtlich untersagt war. Im Anhang findet sich dann noch ein Interview mit Leonard Peltier, ein historischer Abriss über den indianischen Widerstand in den USA sowie ein Liste weiterführender Literatur und Links ins Internet.

Im ersten der Teil erfahren wir wie Leonard Peltier aufgewachsen ist und schließlich zum American Indian Movement kam, der Autor lässt dabei auch die Konflikte Peltiers mit dem Gesetz nicht aus, die letztendlich auch dazu führen, dass er untertauchen muss. Anders als Matthiessen, hat sich Hofmann auch eine kritische Distanz zu Peltier und dem AIM erhalten, was dem Buch zu gute kommt und ersterem auch von indianischer Seite häufig vorgeworfen wurde. Im weiteren Kapiteln beschreibt Hofmann die Ursachen für den wieder aufflammenden Widerstand der Indianer gegen die US-Regierungspolitik. Wir lesen auch über die frühen Aktionen von AIM wie z.B. die Besetzung Alcatraz‘ und den "Trail of Broken Treaties". Warum sich die meisten Auseinander- setzungen dann gerade auf die Lakota-Reservation Pine Ridge konzentrierten wird mit der besonderen historischen Situation (das Massaker von Wounded Knee gilt als das Ende der "Indianerkriege") und dem damaligen Stammesrats- vorsitzenden und AIM-Gegner, Dick Wilson, erklärt, der versuchte die traditionellen Lakota bei Entscheidungen zu ignorieren und mit Hilfe seiner Goons (Guards of the Oglala Nation – einer paramilitärischen Polizeitruppe) ein Terrorregime zu errichten. Die Tradionalisten waren es dann auch, die die Indianerbewegung um Hilfe riefen, da sie keine Möglichkeit mehr sahen sich sonst gegen Wilson zur Wehr zu setzten. Dies führte dann schließlich zur Besetzung von Wounded Knee, was dem Anliegen von AIM viel Publicity und Unterstützung einbrachte. In der Folge kam es aber zu vielen, bis heute unaufgeklärten Morden an AIM-Aktivisten sowie einer ständigen Präsens von FBI-Agenten. Grund für diese hohe Zahl an FBI-Agenten war die Einstufung von AIM als subversive Organisation, die mit allen Mittel bekämpft werden sollte. So kam es dann auch, dass am 26. Juni 1975 sich Beamte des FBI auf dem Jumping Bull-Gelände aufhielten und im Verlauf eines Feuergefechts erschossen wurden.

Im zweiten Teil schildert der Autor die Situation nach dem Feuergefecht, die Flucht nach Kanada, den Prozess, den Ausbruch aus dem Gefängnis sowie die Versuche auf gerichtlichem Weg die Freilassung Peltiers zu erreichen. Die höchst umstrittene Verurteilung und die Argumente der Ankläger werden eingehend behandelt und kritisch hinterfragt. Aber auch Ereignisse, wie die Flucht aus dem Gefängnis, bleiben nicht unerwähnt – und einige Details, die beschrieben sind, waren auch mir nicht mehr bewusst. So z.B. das Leonard Peltier mit einem Wohnmobil geflohen war, das auf den Schauspieler Marlon Brando zugelassen war.

Dem Autor gelingt es in seinem Buch einen komplexen Sachverhalt und eine bewegte Phase in der Geschichte der amerikanischen Indianerbewegung umfassend, spannend und dennoch auf nur 180 Seiten ausführlich zu schildern. Das Buch verdient meine uneingeschränkte Empfehlung nicht nur als Einstieg in diese Materie sondern auch zur Erinnerung an ein dunkles Kapital us-amerikanischer Politik, dessen Auswirkung noch heute am stärksten dadurch bestätigt wird, das Leonard Peltier nach wie vor im Gefängnis von Leavenworth sitzt – ohne dass man ihm nach heutigen Wissen den Mord an den zwei FBI-Agenten nachweisen kann.

Martin Ludwig Hofmann
Indian War
Der Fall des indianischen Bürgerrechtlers Leonard Peltier
Atlantik Verlag, Bremen
19,80 DM

Rezension von: Ludwig Seiller

 

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