Förderverein Rasthaus
Adlerstr. 12, 79098 Freiburg
Offener Brief - 10.4.2003
An die Stadt Freiburg
Bürgermeisteramt
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Ulrich von Kirchbach
wir wollen uns nicht mit fremden Federn schmücken. Das vorneweg. In ihrem Brief vom
13.12.2002 erheben Sie tatsächlich ernste Vorwürfe gegen die Rasthaus-Initiative:
"In den vergangenen Tagen haben Sie über eine breite Öffentlichkeitskampagne Ihr
Vorhaben lanciert, in Freiburg eine Anlaufstelle für illegale Flüchtlinge zu schaffen. In diesem Zusammenhang
wurde offensichtlich ein breiter Verteiler mit einem Flyer bedient, der in Art und Aufmachung dem Programmflyer zum
Aktionstag zum 14. September (NPD-Aufmarsch, d.Verf.) entspricht...
Völlig inakzeptabel und nicht hinzunehmen ist die Tatsache, dass es dem unbefangenen
Leser nicht möglich ist, die Urheberschaft zu erkennen und die Initiatoren zu identifizieren.
In der gleichen Sache wurde ein gefälschtes Schreiben des Oberbürgermeisters in
Umlauf gebracht. Die Stadt hat deshalb bereits rechtliche Schritte eingeleitet und Anzeige erstattet.
Mit freundlichen Grüßen
U. von Kirchbach, Bürgermeister"
Erstens: Wir danken Ihnen für die freundlichen Grüße. Zweitens: Dieser Flyer ist
euch uns zugegangen (siehe Abbildung), ebenso ein Schreiben des OB. Drittens: Offenbar glauben Sie, dass es Ihnen
— im Gegensatz zum "unbefangenen Leser"
— gelungen ist, beim Flyer "die Urheberschaft zu erkennen und die
Initiatoren zu identifizieren": Nämlich die Rasthaus-lnitiative, an die Sie den Brief adressiert heben. Leider, leider
können wir ihnen ein weiteres Ungemach nicht ersparen: Sie haben sich gründlich in der Hausnummer geirrt.
Vielleicht ist Ihnen in Ihrer Verärgerung entgangen, was einem wirklich "unbefangenen Leser" des Flyers aufgefallen
wäre: Es gibt offenbar eine Initiative "Pro-Rasthaus" die sich deutlich als Urheberin des Flyers
positioniert hat.
Wir vom Förderverein Rasthaus haben uns bereit erklärt, Ihren etwas ruppigen Brief
zu beantworten — nachdem er drei Monate lang die Reise nach
Jerusalem durch die verschiedenen Postablagefächer im Mini-Rasthaus durchgemacht hat: Keine der Initiativen
hatte sich durch Ihre wärmenden Worte angesprochen gefühlt.
Was verbirgt sich hinter der bis dato nicht in Erscheinung getretenen Initiative "Pro-Rasthaus"?
Wir wissen es nicht. Handelt es sich um ein diffuses ad-hoc-Bündnis ohne festen Wohnsitz, wie es nach unseren
Erkenntnissen in der linken Szene nicht unüblich ist? Für diese Annehme sprechen die Kundgebung und
Demonstration am 14. Dezember zu Gunsten des Projekts Rasthaus
inklusive symbolischer Hausbesetzung. Oder ist "Pro-Rasthaus" etwa das anonyme Abschlussprojekt von Praktikantlnnen
einer Werbe- und Eventagentur mit sozialem Touch? Für diese These sprechen die professionelle Gestaltung der
Werbematerialien (Flyer, OB-Brief, Rasthaus/Rothaus-Aufkleber) und die außerordentlich gelungene Gesamtorganisation. Es bleiben Fragen über Fragen. Eine Briefkastenfirma, zum Beispiel aus dem nahen Fürstentum Lichtenstein, können wir als Urheberin allerdings ausschließen: die mögliche Börsenkapitalisierung der Geschäftsideen einer Pro-Rasthaus Aktiengesellschaft würde doch eher bescheiden ausfallen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass gesellschaftlich engagierte Organisationen in aktiver Weise
für das Projekt Rasthaus Stellung beziehen, wie zum Beispiel Friedensforum, Fabrik e.V., terre des hommes,
Mietshäuser Syndikat und Diakonisches Werk. Manchmal erfahren wir die öffentliche Unterstützung
euch ungefragt. So konnten wir im OB-Wahlkampf zu nicht nur unserem Erstaunen folgende Meldung in der Badischen
Zeitung vom 3.5.02 lesen:
"Messe, Rasthaus, Partnerschaften
Die BZ legt den OB-Kandidaten einige jener 70 Fragen vor, die bei der großen
Diskussion im Paulussaal unbeantwortet blieben.
Frage: Wie stehen Sie zum Projekt Rasthaus, des Flüchtlingen ohne Papiere
weiterhelfen will?
Salomon: Die Rasthaus-lnitiative nimmt sich eines Problems an, das in dieser Gesellschaft
weitgehend ignoriert wird: nämlich Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen in Deutschland ohne festen
Status leben, den Behörden offiziell nicht bekannt sind und mithin illegal hier leben. Diese Menschen haben keinerlei
Anspruch auf soziale Unterstützung oder Gesundheitsfürsorge und sind somit schutzlos. Ich werde mich als
Oberbürgermeister bemühen, natürlich im Rahmen der geltenden Gesetze, dieses Projekt voranzutreiben."
Auf weiche Art und Weise Dieter Salomon nach seiner Wahl zum OB das Projekt Rasthaus
vorangetrieben hat, ist bekannt und nicht Gegenstand unseres Schreibens, Allerdings sei in diesem Zusammenhang
eine Aussage aus OB Salomons ablehnendem Brief vom 22.8.02 an den Förderverein Rasthaus
zitiert:
"Schließllch ist festzuhalten, dass seitens der für die Flüchtlingsbetreuung
zuständigen Sozialverwaltung kein Bedarf für ein "Rasthaus" gesehen wird, weil praktisch alle sozialen und
sonstigen Einrichtungen für Flüchtlinge und Migranten/innen von anderen Einrichtungen oder von der Stadt
selbst vorgehalten werden."
Zwischen diesen beiden Aussagen liegen gerade mal 3 Monate und die gewonnene OB-Wahl.
Da erhebt sich doch die Frage: Hat der Mann noch alle Tassen im Schrank? Leidet er unter galoppierender Amtsamnesie?
Wir finden: Keines von beiden. Bei diesen Auslassungen handelt es sich offensichtlich um eine populäre Form der
Politik, die - ohne dem durchschnittlichen Intellekt größere Schmerzen zu zuzufügen
- nur als Realsatire gewertet werden kann.
Wir finden, dass die Produkte von "Pro-Rasthaus" den satirischen Gehalt von Dieter Salomons
Rasthaus-Politik kreativ aufgegriffen und in eine etwas andere Richtung fortgeführt haben, klar erkennbar für
den/die unbefangene/n Leser/in.
Wir hoffen, ihr Schreiben zufrieden stellend beantwortet zu haben und drücken Ihnen bei Ihren
Ermittlungen nach der Urheberschaft der Pro-Rasthaus-Kampagne ganz kräftig die Daumen!
Mit ebenfalls freundlichen Grüßen
Förderverein Rasthaus
Im Auftrag
Birgit Bächle
|