Am 15. Januar 1919 - vor 85 Jahren - wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin ermordet. Beide waren
langjährige Mitglieder der SPD und hatten vor Beginn des Ersten Weltkriegs entschieden gegen die Wendung dieser
Partei zur Kriegsbefürwortung gekämpft. Entscheidend war die heute noch von Sozialdemokraten gerne totgeschwiegende
Zustimmung der SPD-Reichtagsfraktion zu den Kriegkrediten, die den Ersten Weltkrieg ermöglichten. Für Rosa und Karl
wurde damit die SPD - lange Zeit gemeinsame Partei aller ArbeiterInnen, Sozialdemokraten, Sozialisten und
Kommunisten - zum "stinkenden Leichnam". Aber für viele ist heute vergessen, daß die Kriegsfrage zur Spaltung der
Arbeiterbewegung und Gründung der KPD führte.
Rosa Luxemburg war entschiedene Humanistin, Kriegsgegnerin und Antimilitaristin. Sie war jedoch keine Pazifistin,
befürwortete eine allgemeine Volksbewaffnung und die notfalls gewaltsame Revolution der Arbeiterschaft gegen die
Herrschaft einer winzigen Gruppe von Ausbeutern. So begrüßte sie die russische Oktoberrevolution, ließ sich aber zugleich
nicht davon abbringen, vehement gegen alle diktatorischen Tendenzen und für die Durchsetzung der demokratischen
Rechte einzutreten.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Scheitern einer proletarischen Revolution in Deutschland wurden Rosa
Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 festgenommen, mißhandelt und ermordet. Die Leiche Rosa
Luxemburgs wurde in den Landwehrkanal geworfen. Die Aufklärung des Verbrechens wurde wegen der Verwicklung der
deutschen Heeresführung lange Zeit behindert.
Heute wird oft versucht, KriegsgegnerInnen in Militante und Pazifisten zu spalten. So nötig eine Klärung dieser Positionen
innerhalb der Friedensbewegung ist, muß doch zunächst einmal betrachtet werden, wer denn meint, diese Frage an die
Friedensbewegung richten zu dürfen. Von Leuten, die den Irak-Krieg befürwortet haben, von Mitgliedern der SPD oder den
"Grünen", die ein völlig ungeklärtes Verhältnis zum Krieg haben, muß sich die Friedensbewegung diese Frage nicht
gefallen lassen. Wer sich allerdings undifferenziert für einen "bewaffneten Widerstand" im Irak engagiert, dafür Geld
sammelt und einen ahistorischen Vergleich zur Resistance gegen Nazi-Deutschland zieht, muß sich nicht wundern,
von reaktionären Kräften gegen die Friedensbewegung instrumentalisiert zu werden. Schwer erträglich, aber aus Gründen
der Solidarität unumgänglich, ist es zudem, Idioten innerhalb der Friedensbewegung auch heute noch davon faseln zu
hören, Pazifismus sei bürgerlich. Doch es gelten auch heute immer noch Rosas Worte: "Freiheit ist immer die Freiheit
des Andersdenkenden"
Ebenso schwer erträglich ist es, auch heute noch zusammen - aber nicht gemeinsam - mit AnhängerInnen des
"realexistierenden Sozialismus" an der Rosa-Luxemburg (-und-Karl-Liebknecht-)Demo am Sonntag in Berlin teilzunehmen.
Ebenso selbstverständlich wie sie bis 1989 Rosa und Karl für sich zu vereinnahmen suchten, nahmen auch am Sonntag
in Berlin solche Gruppen, die entsprechenden Teile der PDS und - gewissermaßen an deren Spitze - der eben aus der
Haft entlassene Egon Krenz teil.
Immerhin 100.000 kamen dieses Jahr zur Gedenk-Demo, für die sich mal wieder die PDS als "Träger" ausgegeben
hatte und mit einer beachtlichen Zahl an SammlerInnen die Spendenbüchse klappern ließ. Auch wenn aus den
verschiedenen Lager der Linken immer wieder zu hören ist, daß dieser Gedenktag traditionell die Unterschiede verblassen
lasse: Der Riß durch die Linke und deren Zersplitterung ist so tief, wenn nicht noch schlimmer, wie zu Beginn des
20. Jahrhunderts. Sich Illusionen darüber hinzugeben - und dies befördern solche Gedenktage nun mal - hieße
jedoch gerade, Rosa Luxemburg nicht gerecht zu werden. Denn diese trat immer dafür ein, den Dissens offen zu legen,
nicht zu übertünchen, um damit die Grundlage für einen fruchtbaren Diskurs zu schaffen.
Petra Willaredt