Zur Affaire um Filbingers neunzigsten Geburtstag
Wenn die DDR ihre Finger im Spiel hatte, konnte so manche Initiative und so manche Enthüllung im Nachhinein
als "gesteuert" denunziert werden. Unabhängig davon, woher die Informationen auch immer kamen, die der
Schriftsteller Rolf Hochhuth 1978 eigener Recherche zugeschrieben hatte, eines steht auch heute fest: Hans Filbinger
hatte noch 1945 als Anklagevertreter in Norwegen das Todesurteil gegen einen desertierten Matrosen, Walter
Gröger, der erwischt worden war, unterzeichnet. Auch bei der Exekution war er anwesend. Noch in den letzten
Kriegstagen fällte er als Marine-Richter zwei weitere Todesurteile - allerdings gegen flüchtige Angeklagte. Am
9. April 1945 gegen einen Matrosen wegen Desertion und am 17. April gegen einen weiteren wegen Desertion und
"Wehrkraftzersetzung". Wie das Beispiel anderer Richter in der letzten Phase des Zweiten
Weltkriegs zeigt, hätte er - entgegen seinen Behauptungen - eine andere Wahl gehabt. 1978 mußte Filbinger
sein Amt als baden-württembergischer Ministerpräsident niederlegen. Allerdings weniger auf Grund der Enthüllung
seiner Vergangenheit. Seine Partei, die CDU hatte ihm eine goldene Brücke bauen wollen, über die er aber
nicht erhobenen Hauptes hätte gehen können. Letztlich brachte ihn erst seine Uneinsichtigkeit zu Fall, die er zum
Entsetzen der eigenen Partei, mit dem viel zitierten Satz dokumentierte: "Was damals Recht war, kann heute
nicht Unrecht sein".
Stets "ungebrochen" hatte Filbinger nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gemeint, sich reinwaschen zu
können, indem er darauf verwies, daß Hochhuths Quelle der DDR-Geheimdienst gewesen sei. Als "Rufmord- kampagne"
hatte er die Enthüllungen beiseite schieben wollen und von einer steigenden Zahl bekannter Persönlichkeiten in der
CDU, die ihn noch 1978 wie eine heiße Kartoffel hatten fallen lassen, Unterstützung erhalten. Frech tönte es nicht
nur von Filbinger selbst, die Vorwürfe gegen ihn seien "längst widerlegt". Doch für Helmut Kohl war der politische
Nährwert des alten Filbinger denn wohl doch zu gering und dessen Kontakte zum reaktionär-faschistoiden
"Studienzentrum Weikersheim" denn doch zu risikobehaftet und so blieb Filbinger auch in der CDU persona non grata.
Noch heute stellt sich Filbinger (siehe beispielsweise seine Internet-Seite) als Opfer dar.
Bereits im Frühjahr hatte der Freiburger OB, Dieter Salomon, "überraschend schnell" sein Okay zu einem
Empfang zum 90. Geburtstag Filbingers am 15. September gegeben - so jedenfalls der Freiburger CDU-Vorsitzende
Schüle. Salomon hatte wohl gehofft mit einer Veranstaltung im Saal der Münsterbauhütte ("ein Glas Sekt im Stehen")
die Sache möglichst geräuschlos über die Bühne bringen zu können. Ist Freiburgs "grüner" OB Dieter Salomon so
unerfahren? Salomon war lange Zeit selbst Mitglied der Freiburger Stadtrats und danach Fraktionsführer der "Grünen"
im Landtag. Er hat gelernt, sich in alle Richtungen abzusichern. Mit Sicherheit waren auch die Fraktionen des
Freiburger Stadtrats längst über den Termin im September informiert und so erscheint es zunächst überraschend,
warum und durch wessen
Indiskretion die Entscheidung Salomons gerade jetzt publik wurde. Ebenso sicher dürfte sein, daß der im politischen
Ränkespiel keinesfalls unerfahrene Salomon sich mit den "Meinungsführern" im linken Lager längst abgesprochen
hatte und sich sicher wähnte, ohne großes Aufhebens den Filbinger-Fans in der CDU-Stadtratsfraktion die Aufwertung
Filbinger gewähren zu können. Auch dies nicht ohne Absprache von Gegenleistungen.
Wie nun aus den Reihen der Freiburger Linken zu erfahren ist, habe sich Salomon diese Affaire selbst zuzuschreiben.
Da er sich seinerseits nicht an Abmachungen hielt, ist die zeitlich gut plazierte und gezielte Indiskretion über die
geplante Filbinger-Ehrung durchaus als Revanche zu verstehen. Ob sich Salomon nun allerdings gegenüber der
Freiburger Linken eher an Absprachen halten wird oder im Gegenteil aus seiner unangreifbaren Position heraus als
rachelüstern erweist, wird die Zukunft zeigen.
Klaus Schramm