7.04.2004

Artikel

Schalkham wagte Demokratie

Die Gemeinde Schalkham im niederbayerischen Landkreis Landshut ist deutsche Spitzenreiterin bei der Realisierung von Sonnenkollektoren - wie kam es dazu?

Begonnen hat alles bereits 1989 mit Wasser. Damals lernten die SchalkhamerInnen ihren eigenen Willen durchzusetzen. Gegen massiven Protest der EinwohnerInnen sollte die Gemeinde an den überörtlichen Wasserzweckverband angeschlossen werden. Wie in Schönau, wo BürgerInnen dem vermeintlich übermächtigen Stromversorgungsunternehmen das Stromnetz abkauften und ein Ökostromunternehmen1 gründeten, nahm auch in Schalkham alles seinen Anfang in einer Bürgerinitiative. Kurz vor der Kommunalwahl 1990 stellte sie eine Liste auf, die als "Freie Wähler" firmierte und mit einem Paukenschlag die absolute Mehrheit im Gemeinderat gewann. Nun standen die jungen und politischen völlig unerfahrenen Frauen und Männer vor der schwierigen Aufgabe, eine Gemeinde mit rund 1000 EinwohnerInnen zu führen, Entscheidungen zu fällen, kurz: Politik zu machen. Sie hatten zwei Möglichkeiten: entweder vor jeder Entscheidung die übergeordneten Behörden zu fragen oder selbst zu entscheiden. Sie wählten die zweite und begingen damit ein Sakrileg. Sie wagten Demokratie.

Mit einem Bürgerentscheid wurde der Weg frei gemacht, um aus dem Wasserzweckverband wieder auszutreten und für ihre Wasserversorgung eine gemeinde-eigene Lösung zu finden. Nun besagte aber ein staatliches Gutachten, daß der Anschluß an den Zweckverband 4,8 Millionen Mark, die gemeinde-eigene Lösung aber 6,4 Millionen Mark kosten würde und somit eine Förderung durch den Freistaat Bayern nur dem Anschluß an den Zweckverband zustehe. Also begannen die BürgerInnen selbst nach Verbilligungsmöglichkeiten zu suchen.

Beispiel: der Wasserspeicher mit einer Größe von 600 Kubikmetern war mit 1,1 Millionen veranschlagt. Nun machte ein Bauer den Vorschlag, statt einem Behälter doch einfach zwei "Güllegruben" mit je 300 Kubikmeter zu einem Preis von je 20.000 DM zu bauen. Oder die Rohrleitungen: veranschlagt waren sie mit einem Kilometerpreis von 200.000 DM. Nach dem "Schalkhamer-Modell" kosteten sie nur 15.000 DM pro Kilometer.

Nach diesen Vorgängen wurde sogar das Imperium mit Zentrum im fernen München hellhörig und genehmigten ein Pilotprojekt - nicht für Schalkham, sondern für zwei Nachbargemeinden; die waren nämlich CSU-regiert. Derart vor den Kopf gestoßen, beschlossen die SchalkhamerInnen, ihre Wasserversorgung selbst zu bauen. Alleine und ohne staatlichen Zwänge - aber auch ohne staatliche Förderung.

Und so entstand in gemeinsamer Arbeit aller Einwohner ein Wasserversorgungsnetz, welches bis heute ohne Probleme läuft und dem Freistaat Bayern alles in allem runde 3 Millionen Mark an Fördergeldern einsparen half - es kostete in seiner Fertigstellung nur etwa 1,2 Millionen.

Ähnlich demokratisch ging es weiter. Auch die Abwasserentsorgung der Gemeinde wurde in Eigenregie gebaut, für rund 200.000 Mark, anstatt 2,7 Millionen, wie veranschlagt. Der damalige Bürgermeister, Hans Noppenberger faßt die damit gewonnenen Erkenntnisse so zusammen:

"Ohne staatliche Förderung, das heißt gleichzeitig ohne staatliche Bandagen lassen sich gemeindliche Projekte effektiver, schneller und wesentlich billiger durchführen. Wenn die Bürger bei solchen Projekten mitreden, mitplanen und mitbestimmen dürfen, dann sind sie auch bereit mitzuhelfen. Den größten Gewinn sehe ich aber darin, daß sich bei unseren Bürgern der - in der Bundesrepublik schon verloren geglaubte - Bürgersinn, sprich Gemeinschaftsgeist, wieder einstellt. Die Bürger identifizieren sich wieder mit ihrer Gemeinde. Das geschaffene Werk ist ihr Werk, nicht ein von der Gemeinde hingestelltes. Und schließlich werden Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein wieder auf gesunde Beine gestellt. Die Gemeinde wird wieder zur Gemeinschaft."

1994 dann kaufte die Gemeinde in großem Stil Sonnenkollektoren samt Zubehör und gab diese zum Einkaufspreis an die BürgerInnen weiter. Zusätzlich stellte sie Fördermittel zur Verfügung. So gelang es, auf Anhieb mehr als zehn Prozent der Haushalte mit Solaranlagen auszustatten. Auch für jeden Neubau sollten Sonnenkollektoren verpflichtend vorgeschrieben werden. Aber das Landratsamt verbot diese vernünftige Auflage. Also fand der Gemeinderat einen Ausweg: Wer 50 Prozent seines Energiebedarfs mit der Sonne abdeckt, bekommt pro Haus eine Ermäßigung auf seinen Grundstückspreis von 5000 Euro. Wer heute auf Gas, Öl und Kohle verzichtet, bekommt in Schalkham ebenso einen Zuschuß wie für Wärmedämmung. Ergebnis: Im Neubaugebiet von Schalkham haben fast alle Häuser Solaranlagen. Es geht, wenn der politische Wille vorhanden ist. Was in Schalkham möglich ist, ist auch andernorts möglich.

Obwohl eine der ärmsten Gemeinden Bayerns schuf Schalkham die größte Dichte an Sonnenkollektoren in ganz Deutschland und wurde offizielle deutsche Solarmeisterin 2003. Pro Kopf gibt es in Schalkham 1,2 Quadratmeter solarthermisch genutzte Fläche. "Wir sind eine arme Gemeinde, aber schuldenfrei", betont Altbürgermeister Hans Noppenberger. Er selbst produziert auf seinem Dach beinahe doppelt so viel Strom wie seine große Familie verbraucht - er besitzt dreizehn Hektar Land, war zwölf Jahre Bürgermeister und hat acht Kinder . Und mit seiner Hilfe kann Schalkham inzwischen auch einen "Nullenergie-Kindergarten" vorweisen: den ersten Waldkindergarten Bayerns in freier Natur.

Dieses Jahr wurde die bayerische Gemeinde Rettenbach deutsche Meisterin in der "Solarbundesliga". Dort sind pro Einwohner Solarstromanlagen mit einer Leistungskapazität von rund 518 Watt und fast ein halber Quadratmeter solarthermische Kollektorfläche pro Kopf installiert. Doch Vorjahres-Siegerin Schalkham führt weiterhin konkurrenzlos im Bereich solarthermischer Kollektorfläche.

Schalkham produziert heute auch zwei Drittel ihres Stroms selbst über erneuerbare Energien. Eine Biogasanlage liefert 31 Prozent, eine Wasserkraftanlage 22 Prozent und mehrere Photovoltaik-Anlagen bereits neun Prozent.

 

Petra Willaredt

 

Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel
    'Schönau auf Platz Eins' v. 7.03.04

 

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