In dem kleinen Schwarzwaldstädtchen Schönau haben im Juli 1997 erstmals in der Bundesrepublik BürgerInnen die Stromversorgung ihrer Gemeinde übernommen. Die Geschichte der Stromnetzübernahme in Schönau reicht zurück bis zum Reaktorunfall von Tschernobyl 1986, als Schönauer Bürger begannen, sich energiepolitisch zu engagieren - ein Engagement, das sie schließlich selbst zum Störfall für die Atomwirtschaft werden ließ. Bei den durchgeführten Stromsparwettbewerben und der Finanzierung von Blockheizkraftwerken merken die Schönauer nämlich, daß es vor allem die Unternehmenspolitik der Energieversorger - mehr Profit durch mehr Verkauf - ist, die ökologische Ansätze verhindert. So entsteht der Plan, ein bürgereigenes Energieversorgungsunternehmen zu gründen, das in erster Linie ökologischen Zielsetzungen verpflichtet ist und das aufzeigt, daß Atomstrom ersetzt und genauso gut vor Ort umweltfreundlich erzeugt werden kann.
Viele harte Kämpfe und zwei Bürgerentscheide sind notwendig, um den Plan in die Tat umzusetzen. Im März 1996 entscheiden sich die Schönauer Bürger mehrheitlich endgültig dafür, die Stromkonzession an die inzwischen gegründeten Elektrizitätswerke Schönau (EWS) zu vergeben und das Stromnetz vom bisherigen Energieversorger zurückzukaufen. Doch hier taucht gleich die nächste große Hürde auf: statt der vom Gutachter der Bürgerinitiative errechneten 3,9 Mio DM für das Netz will der Energieversorger 8,7 Mio DM haben - unter Energieversorgern eine beliebte Methode, Netzrückkaufpläne von "abtrünnigen" Gemeinden zu verhindern.
3,9 Mio DM können die Elektrizitätswerke Schönau sofort bar auf den Tisch legen. Mit dieser Summe haben sich Schönauer und Bürger aus der ganzen Bundesrepublik am Netzkauf beteiligt, u. a. über den Schönauer Energiefonds der Gemeinschaftsbank in Bochum. Der überhöhte Teil der Forderung von über 4 Mio DM kann allerdings nicht über Beteiligungen aufgebracht werden, weil durch diesen hohen Preis das Projekt nicht mehr wirtschaftlich dargestellt werden kann. Es bleibt nur die Klage, die das Projekt um weitere Jahre verzögert. Doch die Schönauer reagieren anders, als es der Energieversorger erwartet: Sie setzen für den überhöhten Teil der Forderung auf Spenden. Damit soll der Preis in voller Höhe, allerdings unter Vorbehalt gezahlt und nach Abschluß des Kaufes wieder eingeklagt werden. Zudem ist das angestrebte Grundsatzurteil auch für andere Gemeinden von großer Bedeutung. Vorteil dieser Strategie: Das Projekt kann zügig durchgeführt werden - der finanziellen Übermacht der Energieversorger wird das Geld vieler Kleiner entgegengesetzt! Und die Strategie geht auf! Eine der größten deutschen Werbeagenturen entwickelt kostenlos die
Spendenkampage "Ich bin ein Störfall", die von dem Schriftsteller und Ökophilosophen Carl Amery und der Gemeinschaftsbank Bochum initiierte Stiftung Neue Energie übernimmt die Durchführung, und es kommen bis zur Netzübernahme ca. 2 Mio DM an Spenden zusammen. Dieses hohe Spendenaufkommen ist zahlreichen Einzelspendern ebenso zu verdanken wie politischen Gruppierungen, Bürgerinitiativen und gesellschaftlichen Gruppen aller Art. Auch setzt die Kampagne ungeheure Energien an Aktivität und Kreativität frei: Benefizkonzerte, Kabarettabende, Geburtstage und vieles mehr werden unter das Motto "Spenden für den Störfall" gestellt. Aber auch der Energieversorger zeigt sich nicht unbeeindruckt durch die Kampagne und reduziert den zunächst verlangten Preis zweimal, so daß der Initiative zum Netzübernahmetermin "nur noch" 100 000 DM fehlen, die durch Bürgschaften überbrückt werden. Zum Jahresende 1997 ist dann auch dieses Geld vorhanden. Die Umsetzung einer zukunftsfähigen Energieversorgung in Schönau
Seit der Stromnetzübernahme 1997 sind nun schon mehrere Jahre vergangen und die Elektrizitätswerke Schönau zeichnen sich, selbst in den Augen ehemaliger Gegner des Projektes, durch große Professionalität aus. Dabei stellen sich die Elektrizitätswerke Schönau den Herausforderungen des seit April 98 liberalisierten Marktes und setzen dennoch ihre ökologischen Zielsetzungen um: Stromeinsparung, rationelle Energieerzeugung durch Blockheizkraftwerke und regenerative Energiegewinnung. Für weitere Informationen: Die Internet-Seite der Schönauer Stromrebellen www.ews-schoenau.de |