Diskussion zum Thema: |
Sowohl in seinem Beitrag als auch in seinem Buch 'DIE GRÜNEN - Verstaatlichung einer Partei' analysiert Paul Tiefenbach zwar die Veränderungen recht genau, blendet aber die Kraft, die diese Veränderung hin zur Anpassung an die bestehende Gesellschftsordung bewirkt hat, aus. Ich würde nicht so weit gehen wie Michels und von einem "ehernen Gesetz der Oligarchie" sprechen, aber doch die These wagen, dass unter den Bedingungen des westeuropäischen Kapitalismus systemoppositionelle Parteien stets im Parlament ihren weltanschaulichen Charakter aufgeben und opportunistische Züge annehmen. "Sozialisten, Anarchisten, Christdemokraten, Bauernparteien, Kommunisten, Faschisten, Neopopulisten, ethnische und regionale Gruppen und Linkssozialisten sind im Laufe der letzten hundert Jahre in den meisten westlichen Systemen in die politische Arena getreten. Sie haben nicht selten als Bewegung begonnen, sich schließlich zur 'Partei neuen Typs' deklariert und haben am Schluss als Parteien unter anderen geendet." und gibt ihm recht. Wie dieses Beispiel zeigt, ist es durchaus möglich, den Wirkmechanismus zu erkennen, wenn mensch sich lange genug eingehend mit der Parteiengeschichte befaßt, ohne jedoch notwendig die Ursache, die hinter der Wirkung steht, wahrnehmen zu müssen. Wenn allerdings heutzutage ein Jürgen Trittin daherkommt und uns als seine neue Errungenschaft erzählt: "Die Konzerne akzeptieren nun den Primat der Politik" würde sicherlich sogar von Beyme den Kopf schütteln und lächeln. Dem Revisionismus der Sozialdemokratie folgte der Versuch, mit den neuen kommunistischen Parteien den alten revolutionären Impuls wieder aufzunehmen. Sobald aber diese sich aus ihrer Abhängigkeit von der UdSSR lösten, die Phase des s.g. "Eurokommunismus" in den 70ern, wurden auch sie zu sozialdemokratischen Parteien. In einem Beitrag schrieb jemand, dass man ja in der Partei Kontakte zu Abgeordneten hätte und diese dann besser auf bestimmte Probleme hinweisen könnte. Wenn es kein heikles Thema ist und für den Abgeordneten nicht viel Arbeit bedeutet, wird er sich u.U. auch dafür einsetzen. Vernünftige, engagierte Leute können in allen Parteien etwas bewirken. Erstens sind vernünftige, engagierte Leute in allen Parteien die Ausnahme und zweitens sind ihre Möglichkeiten äußerst beschränkt. Wenn es also auch bei heiklen Themen gelegentlich vorkommt, daß der Kontakt zu einem/einer Abgeordneten zu einem Erfolg führt, so handelt es sich dabei um die "Ausnahme, die die Regel bestätigt" und solche Ausnahmen rechtfertigen nicht, die eigene politische Energie in solch weitgehend aussichtslosen Bemühungezu vergeuden. Eben die Beschränktheit und das oft gar völlige Fehlen von Handlungsmöglichkeiten unterstreicht das darauf im Text von Paul folgende Beispiel von Lafontaines Mitarbeiter Wolfgang Filc. Frau Ludwig kritisierte z.B.: "Aber eine Vorlage der Verwaltung für den Gemeinderat muß ehrlicherweise auch enthalten, was vorher an Abwägungen [in den Ausschüssen, K.S.] stattgefunden hat." Frau Degenhardt: "Die Naivität, daß ich die Verkehrspolitik in Lörrach bestimmen könnte, hatte ich keinesfalls. Aber ich möchte mehr machen, als daß ich im Gemeinderat ein bißchen widerspiegle, was irgendwer in der Bürgerschaft sagt, während die Verwaltung handelt." Auf die Frage der BZ, ob die (...) Hierarchie im Gemeinderat die Gefahr berge, daß kleine Gruppierungen gar keine Chance zur Mitwirkung haben - Frau Degenhardt: "Das ist so." Auf einen Einwurf von Salomon, der damit endet: "...Und dann kommt die Frustration." antwortet Frau Degenhardt: "Diese grenzenlose Naivität gab es bei uns nicht. Wir haben immer versucht, Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen im Vorfeld von Entscheidungen. Aber das ist nicht immer möglich, und gern wird man von den anderen um- gangen. Ich bin zudem die krasse Ausnahme unter den Kommunalpolitikern: Nach einer Untersuchung sind das im allgemeinen etwa 60-jährige Männer, die einen heraus- ragenden Beruf haben, in einem Sportverein oder der Feuerwehr tätig sind und die schon lange in der Gemeinde leben. Ich komme aus einer ganz anderen Lebenswelt. Nach meiner Mitarbeit in einer Bürgerinitiative kann ich sagen, daß der Nutzeffekt meines Engagements dort ungleich größer ist als im Gemeinderat." Und Frau Ludwig ergänzt an anderer Stelle: "Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Bei uns gab es immer knappe Mehrheitsentscheidungen, nie einstimmige Beschlüsse. Und um diese knappen Mehrheits- entscheidungen wurde manchmal wüst gerungen. Wenn sie anders ausgefallen waren, als es die Verwaltung erwartet hatte, dann wurde eben solange gewartet, bis man den Punkt wieder auf die Tagesoednung setzen konnte in der Hoffnung, daß an diesem Tag ein Gemeinderatsmitglied fehlt, damit die knappen Mehrheitsentscheidungen anders ausfallen. Das ist wahnsinnig anstrengend, und deswegen war es nicht möglich einfach nur einmal Politik um der Politik willen zu machen." Und nochmal Frau Degenhardt: "Ich wehre mich gegen den Eindruck, daß ich ein typisches Weibchen wäre, das nicht die Macht möchte und das diesen sechsten Sinn für Politik nicht hätte. Aber das ist mir alles arg fremd. Ich hatte als Stadträtin einfach die Erwartung an bestimmte Voraussetzungen für meine Arbeit, kleine Dinge nur, etwa daß mir rechtzeitig die Vorlagen zugeschickt werden, daß Sitzungen zu Zeiten stattfinden, an denen ein arbeitender Mensch teilnehmen kann. Außerdem ist diese repräsentative Demokratie ja gar nicht repräsentativ, denn die Welt besteht ja nicht bloß aus 60-jährigen Männern. Mit meinen 38 Jahren bin ich die Zweitjüngste im Lörracher Gemeinderat." Der Gefahr, dass man, wenn man sich in die Strukturen begibt, wo man mitentscheidet, die ursprünglichen Motive nach und nach aus dem Auge verliert, sollte durch die Basisdemokratie begegnet werden. So entwickelte sich z.B. nie eine wirkliche Diskussionskultur innerhalb der "Grünen", auch, weil die Anträge zu Landes- oder Bundesparteitagen nie so zeitig vorgelegen hatten als daß darüber je niveauvolle Diskussion vor Ort möglich gewesen wären. Und Diskussion und - noch einen Schritt davor: Information über das, worüber abzustimmen ist - ist eine grundlegende Voraussetzung von Demokratie ! Verbände wie Greenpeace, Robin Wood oder Amnesty International können unbefangen kritisieren, während Partein, die selbst in die staatliche Verwaltung integriert sind, dazu neigen, diese in Schutz zu nehmen. Auf der anderen Seite haben diese außerparlamentarischen Verbände und Bewegungen das Problem, dass sie nur appellieren können, aber selbst nichts entscheiden. Aus genau diesem Grund wurden ja seinerzeit die Grünen... Die Reduktion ihrer Funktion (so wichtig diese auch ist !) auf "politische Pädagogik", ist allerdings falsch. Wie die Beispiele 'Schönau' und die Tauschringe und die (wenn auch wenigen erfolgreichen) Initiativen für freie Schulen zeigen, ist es BIs durchaus möglich, konkret politisch zu gestalten. Dies fällt bei den genannten Beispielen positiv ins Auge, während es jedoch bei BIs, die "nur" etwas verhindern konnten - wie Müllverbrennungsanlagen, Umgehungsstraßen, Flugplätze, Teststrecken u.s.w. - nicht so offensichtlich ist, daß sie damit auch politisch gestaltend wirksam waren. Das Handicap der BIs lag ganz wo anders: Nämlich in ihrer Fixierung auf ein Ziel, die sogenannte single-issue-Orientierung. Deshalb waren einige der frühen Bunten und Alternativen Listen, die großenteils in den "Grünen" aufgingen auch in ent- sprechenden Arbeitskreisen organisiert: AK Wasser, AK Frauen, AK Verkehr, AK Wohnen, AK Umwelt, AK Berufsverbote,... in denen sich Leute zusammenfanden, die das notwenig kurzlebige BI-Engagement vernetzen wollten. Klaus Plattform PBP (Parlamentarismus, Basisdemokratie, Perspektiven) |