Völkerrechtlich bindende Verträge?
Japan hat seine Verträge mit Sellafield gekündigt, ohne Probleme zu bekommen.
Anlaß für die Vertragskündigung waren massive Fälschungen der Atomfabrik Sellafield, die nur durch einen Zufall entdeckt wurden.
Statt vorgeschriebene Tests durchzuführen, wurden über lange Zeit Meßprotokolle früherer Messungen kopiert und Computer mit erfundenen Zahlen gefüttert.
Die kriminellen Machenschaften wurden nicht etwa durch das Aufsichtspersonal aufgedeckt. Auch das Management stellte angeblich keine Fragen
nach der Korrektheit der an Kunden versandten "Qualitäts-Garantien".
Als die Londoner Zeitung 'Independant' im September 1999 dem Skandal auf die Spur kam, wurde in Sellafield das Ganze noch als harmlos
abgetan. Und als der japanische Kunde bei Plutonium-Lieferungen im Dezember 1999 auf klaren Auskünften bestand, stritt der britische Atomkonzern
BNFL, der Sellafield betreibt, zuerst noch ab, daß die fraglichen Lieferungen von der "Panne" in der Atomfabrik betroffen seien. Erst als staatliche
Inspektoren der Sache auf den Grund gingen, mußte BNFL klein bei geben.
Kurze Zeit später bestätigte der staatliche Chef-Inspektor, daß seit 1996 "systematisch gefälscht" worden war. Die Blair-Regierung sah sich
genötigt, zumindest mit der Schließung der Atomfabrik Sellafield zu drohen. Doch bis heute blieb es bei der Drohung.
Sellafield war von Anfang an eine Skandal-Atomfabrik, die - einzige bisherige Konsequenz - deshalb auch einmal umgetauft wurde. Seit 1950,
zunächst unter dem Namen Windscale betrieben, geriet sie des öfteren in die Schlagzeilen. 1957 geriet ein Plutoniumreaktor auf dem Gelände
in Brand und außer Kontrolle. Die Löscharbeiten setzten erst nach drei Tagen ein und dauerten 24 Stunden. Es wurden erhebliche Mengen an
Radioaktivität frei. Ein Gebiet im Umkreis von drei Kilometern wurde zum Sperrbezirk erklärt, der bald darauf auf das gesamte Küstengebiet
ausgedehnt wurde. Eine radioaktive Wolke verteilte sich über ganz England bis zum europäischen Festland. Tausende Arbeiter und Angestellte
waren radioaktivem Staub ausgesetzt.
Im September 1973 ereignete sich ein Unfall, bei dem es zu einer Explosion kam und 35 Arbeiter verseucht wurden. Im Oktober 1976 wurde
bekannt, daß ein Atomtank mehr als elf Jahre geleckt hatte und Abertausende Liter flüssigen radioaktiven Mülls versickert waren - mit dem
Wissen der Verantwortlichen. Mal fand sich das Schwermetall Tritium am Strand, mal verschwanden 80 Kilogramm Plutonium spurlos.
Doch schon der "Normalbetrieb" der euphemistisch als Wiederaufarbeitungsanlagen bezeichneten Atomfabriken in La Hague und Sellafield ist
grauenerregend: Nach Angaben des 'World Information Service on Energy' (WISE) in Paris gibt La Hague 40mal mehr Radioaktivität in die Umwelt
ab als alle 439 weltweit betriebenen Atomreaktoren zusammen. So werden von La Hague jährlich 230 Millionen Liter radioaktiver Flüssigmüll in den
Ärmelkanal gepumpt und von Sellafield fließen jährlich 3.300 Millionen Liter radioaktiver Flüssigmüll in die Irische See. Nach Berichten der EU
wurden bislang rund 250 Kilogramm Plutonium in die Irische See abgeleitet. Noch bei Kanada und in antarktischen Gewässern, bis in 200 Meter
Tiefe, läßt sich Sellafields Radioaktivität nachweisen. Die Leukämie-Rate bei Kindern ist in der unmittelbaren Umgebung der Anlagen signifikant erhöht.
Am 23. April will die EnBW einen CASTOR-Transport vom AKW Neckarwestheim nach Sellafield auf den Weg schicken. Wenn die "rot-grüne"
Bundesregierung nicht einmal die Konsequenz zu ziehen bereit ist, die selbst Japan unter einer liberalen Regierung zog, "dann hat die
Anti-Atombewegung ein doppeltes Recht, sich nächste Woche vor Neckarwestheim und auf der Transportstrecke querzustellen", ist inzwischen
selbst von Abgeordneten der "Grünen" zu hören, die vor kurzem noch dem Konsens mit der Atommafia Beifall spendeten.
Adriana Ascoli