StudentInnen-Protest weitet sich aus
Nicht nur von der Anzahl der Orte her, sondern auch der Inhalte weitet sich der StudentInnen-Protest immer mehr aus. Für
Samstag, 13. Dezember, sind Großdemonstrationen gegen Bildungs- und Sozialabbau in Berlin, Frankfurt a. Main und
Leipzig angekündigt und bereits gestern gab es bei den Protestveranstaltungen - auch in den kleineren Städten - immer
mehr Beteiligung. Überall wird der Zusammenhang zwischen Bildungsabbau und Sozialabbau hervorgehoben. Nirgendwo,
wo protestiert wird, ist auch nur ein Hauch davon zu spüren, daß es den StudentInnen um die Wahrung von Privilegien
ginge. Baden-Württemberg ist allerdings noch ein recht schwarzer Fleck auf der Landkarte: Außer bei einer Demo in
Konstanz, bei der überraschend mehr als 3.000 StudentInnen zusammenkamen, läßt die Beteiligung noch sehr
zu wünschen übrig...
Bereits am Mittwoch beschlossen Vollversammlungen an mehreren Unis und Fachhochschulen die Proteste zumindest
bis Januar fortzusetzen. Immer häufiger kommt es nun auch zu gemeinsamen Demonstrationen von StudentInnen mit
GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen oder auch Organisationen wie attac und anderen GlobalisierungsgegnerInnen.
Ein gerade erst gegründetes Sozialforum Berlin bemüht sich, alle Kräfte die sich gegen Bildungs- und Sozialabbau
wehren, zu bündeln.
Die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) forderte alle im Bildungsbereich Tätigen dazu auf, sich am
Protest gegen Bildungs- und Sozialabbau zu beteiligen. Vor der Humbold-Uni in Berlin sprach gestern der
Globalisierungsgegner Michel Chossudovsky, der die Zusammenhänge zwischen der gegenwärtigen Krise und Krieg
herausarbeitete. Der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Chossudowsky war am Mittwoch mit dem
Menschenrechtspreis der GBM (Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde) ausgezeichnet worden.
Bei der Demo rief er
dazu auf, überall auf der Erde Mittel und Wege zu suchen, den Kriegsverbrechern das Wasser abzugraben. Der Student
Pedram Sheyhan forderte von den Protestierenden Durchhaltevermögen, da ein Abbröckeln der Proteste und deren
Nichtbeachtung bereits für Ende des Jahres vorhergesagt worden sei. Professor Peter Grottian von der FU Berlin
bezeichnete die "Agenda 2010" als "das größte asoziale Programm, das je in Deutschland auf den Weg gebracht"
worden sei. Und der Vorsitzende der GBM, Professor Wolfgang Richter, beschwor die Unruhe - wichtig sei, weiterhin
für Unruhe in den Städten zu sorgen.
Die Proteste sind denn auch ausgesprochen vielfältig, witzig und kreativ.
Vorlesungen werden unter beteiligung des Profs im Freien organisiert, um so Aufmerksamkeit zu erlangen und Gespräche
und Diskussionen anzetteln zu können. Einmal wurde Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit bei der Eröffnung
eines Weihnachtsmarkts mit Posaunen und Trompeten begrüßt, mal rannten StudentInnen nackt und mit Parolen
bemalt durch Deutschlands Hauptstadt, mal inszenierten Slawistik-StudentInnen ihre Asyl-Reise nach Polen.
In Hamburg streiken die StudentInnen der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) bereits über einen längeren
Zeitraum. Auch an der Bauhaus-Uni in Weimar wird gestreikt. Für die nächsten Tage wurden Aktionen und
"Einmischungen in der Öffentlichkeit" angekündigt. In Hannover war abends das Präsidialbüro der Uni besetzt. In
Leipzig beschlossen die StudentInnen im völlig überfüllten Audi Max der Hochschule für Technik, Wirtschaft und
Kultur (HTWK) am Donnerstag "aktiven Protest ab sofort". "Wir fordern nicht nur das generelle Verbot von
Studiengebühren für das Erststudium - wir fordern dessen Festschreibung im sächsischen Hochschulgesetz",
so Mike Nagler, Sprecher des Studentenrates. Nach der Versammlung besetzten etwa 400 StudentInnen eine zentrale
Kreuzung in Leipzig und forderten freie Bildung für alle. In Thüringen gab es Demos in mindestens vier Städten. Auch in
Bremen und Lüneburg gerieten immer mehr StudentInnen in Bewegung. Und in München demonstrierten 2.000 StudentInnen
und SchülerInnen gegen Bildungs- und Sozialabbau.
Petra Willaredt