16.10.2006

Artikel

Sozialabbau und die Schließung
des Herbolzheimer Krankenhauses

In Herbolzheim wurde das städtische Krankenhaus bereits im Jahr 2002 privatisiert und die Folgen sind nun nicht mehr zu leugnen. Letzte Woche, am 10.10., wurde bekannt, daß das Herbolzheimer Krankenhaus von seinem jetzigen Besitzer, der Helios Klinik GmbH, geschlossen wird. Ganz frank und frei heißt es in der offiziellen Erklärung, daß das Krankenhaus "nicht wirtschaftlich geführt" werden könne - es wirft zu wenig Profit ab. 170 MitarbeiterInnen sind betroffen.

Was hat dies mit Sozialabbau zu tun?

Reiner Geis, der regionale Ver.di-Geschäftsführer sagt es deutlich: "Der Konzern hat hohe Gewinnerwartungen gestellt. Die Arbeitnehmer haben auf Lohn verzichtet; doch der Konzern hat sein Versprechen, damit die Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern, nicht gehalten."

Hinzu kommt, daß der Personalbestand in den fünf Jahren von 200 auf 170 MitarbeiterInnen - und dies auf 120 Vollstellen - reduziert wurde.

All das ist kein Sonderfall, sondern das war landauf landab seit Jahren die Regel, auf die sich die Gewerkschaften eingelassen haben.

Das seit über 100 Jahren bestehende Herbolzheimer Krankenhaus mit seinen 135 Betten hatte erst in der Woche zuvor eine Auszeichnung für seine Geburtshilfe-Abteilung erhalten. Mit der Urkunde als "babyfreundliches Krankenhaus", die am Donnerstag, den 5. Oktober, im Namen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) übergeben worden war, wurden von über 1000 Kliniken mit Geburtshilfe-Abteilungen in Deutschland erst 29 ausgezeichnet. "Vielleicht hat es eine existentielle Bedeutung", orakelte der Chef der Geburtshilfe-Abteilung, Dr. Hermstrüwer, an diesem Tag.

Die Helios Klinik GmbH - zunächst unter dem Namen Wittgensteiner AG - hatte in den fünf Jahren in denen sie Betreiberin war, rund vier Millionen Euro investiert - doch nur, soweit es von Zuschüssen gedeckt war. Diese Zuschüsse fielen im Zuge der Veränderung des deutschen Gesundheitssystems weg. Stattdessen gibt es nun das neue System der Krankenhausfinanzierung nach diagnosebezogenen Fallpauschalen. Dieses System zwingt die kleinen Krankenhäuser in die Knie.

Da nützt es nichts, daß die PatientInnen treu zum Herbolzheimer Krankenhaus stehen und die Einrichtung einen guten Ruf genießt. Es nützt nicht einmal die Auszeichnung, die es für die Geburtshilfe gab. Babyfreundlich mag das Haus sein, ökonomisch ist es nicht. Die Faktoren Nähe, Vertrauen und viel persönliches Engagement ziehen beim Kampf um Gewinne wieder einmal den Kürzeren. Auf der Strecke bleiben MitarbeitInner und PatientInnen.

In den 80er Jahre im Gemeinderat in Herbolzheim fingen die Diskussionen über die "nicht-ausreichende Wirtschaftlichkeit" des Krankenhauses bereits an. Dabei machte das Herbolzheimer Kankenhaus zusammen mit Partnern aus der Region zuletzt jährlich rund eine Million Euro Umsatz. Aber bereits vor einigen Jahren prophezeite der vom Herbolzheimer Gemeinderat beauftragte Wirtschaftsprüfer Arthur Anderson: "Bis 2010 werden 30 Prozent der kleinen Krankenhäuser zumachen."

Die "schwarz-rote" Regierung setzt schrittweise den nicht erst unter Schröder begonnenen Sozialabbau fort. Insbesondere bedeutet dies die Verschlechterung der Gesundheitsversorgung für die große Mehrheit der gesetzlich Versicherten.

"Was wir heute erleben, ist das Ergebnis der dramatischen Entwicklungen im Gesundheitswesen", sagte als Kommentar zur Schließung des Herbolzheimer Krankenhauses ganz offen der Emmendinger Landrat Hanno Hurth.

Nicht nur bei den im Herbolzheimer Krankenhaus Beschäftigten, sondern auch in der Öffentlichkeit hat die Nachricht von dessen Schließung scharfe Kritik ausgelöst. In einer Stellungnahme äußerten sich Haus- und FachärztInnen aus Herbolzheim, Kenzingen, Malterdingen und Rheinhausen "geschockt und empört" über die Entscheidung der Helios Klinik GmbH.

"Ganz im Sinne der zu befürchtenden Gesundheitsreform und im Stil der modernen Gesellschaft reichen betriebswirtschaftliche Gründe eines Großkonzerns und politisches Kalkül aus, für die Zerschlagung einer über Jahrzehnte gewachsenen und bewährten Versorgungseinheit zwischen ambulanter und stationärer Medizin, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse vieler Menschen", heißt es in der Stellungnahme der ÄrztInnen.

"Das Krankenhaus hat für die Patienten der niedergelassenen Ärzte eine schnelle Weiterversorgung garantiert. Die enge und gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Krankenhaus hat in Kombination mit der räumlichen Nähe eine sichere medizinische Versorgung und vor allem auch eine menschliche Atmosphäre geboten. Der Verlust des Krankenhauses wird zu einer spürbaren Veränderung in der medizinischen Versorgung, vor allem für ältere Patienten führen", so die niedergelassenen ÄrztInnen.

Nur wenige Kilometer nördlich von Herbolzheim - im Ortenaukreis - steht gerade die Privatisierung weiterer kommunaler und Kreis-Krankenhäuser an. Davon werden über 3.000 Beschäftigte betroffen sein...

 

Klaus Schramm

 

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