Am 7. Mai werde ich eine sechswöchige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg, Schloß 1, 72101 Rottenburg,
antreten. "Sollten Sie sich nicht rechtzeitig zum Strafantritt einfinden, muß gegen Sie Haftbefehl erlassen werden", heißt
es in der "Ladung zum Antritt der Freiheitsstrafe".
Na also. Es ist meine "Achte". Mit den sieben anderen summiert sie sich auf ein Jahr und sechs Wochen. Meine
Mitstreiterin Erika Drees, die dasselbe Schicksal ereilt (Dr. Erika Drees, JVA Halle, Am Kirchtor 20, 06108 Halle) und ich
haben zwar angeregt, den Strafvollzug auszusetzen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über unsere
Verfassungsbeschwerde, doch damit ist nicht zu rechnen.
Zur Erinnerung: Am 7. August 1999 haben Irene Breiter, Erika Drees, Martin Otto, Ilse Staude, Markus Walz und ich eine
Entzäunungs-Aktion am Fliegerhorst Büchel (Südeifel) durchgeführt. In Büchel proben deutsche Tornado-Piloten mit
amerikanischen Atombomben den Atomkrieg, was unserer Ansicht nach verfassungs- und
völkerrechtswidrig ist. Amtsrichter Johann verurteilte Erika und mich dafür zu je einem Monat Gefängnis, zur Bewährung
ausgesetzt auf zwei Jahre, und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Die übrigen erhielten Geldstrafen. Dieses Urteil wurde
von den Obergerichten bestätigt. Dagegen legten wir Verfassungsbeschwerde ein, die seit 2001 in Karlsruhe auf einer
ziemlich langen Bank liegt. Das Gericht hat auf Anfrage mitgeteilt, es wolle noch in diesem Jahr über die Annahme
entscheiden. (Bisher bin ich fälschlicherweise davon ausgegangen, es habe sie bereits angenommen. Das ist aber, wie
ich jetzt erfahren habe, nicht der Fall.)
Um unserer Forderung nach Abzug der Atomwaffen in Büchel (10) und Ramstein (55) Nachdruck zu verleihen, haben wir
mit Irene Breiter, Hanna Jaskolski, Ines Kleim,
Uwe Korth, und Sabine Teubert sowie den Unterstützern Daniel Korth,Thomas Reuter und Lutz Sternstein am 7. Juni 2002
eine weitere Entzäunungsaktion durchgeführt. Bei dem anschließenden Prozeß wurden Ines, Irene und Sabine zu 20
Tagessätzen Geldstrafe (Uwe hat den Strafbefehl von 30
Tagessätzen bezahlt), Hanna zu 4 Wochen und Erika und ich zu 6 Wochen Haft verurteilt.
Wir werden oft gefragt: "Warum macht Ihr das, Ihr wißt doch genau, daß Ihr keine Erfolgschance habt?" Ja, das wissen wir.
Wir wissen aber auch, die Atombombe wirft
einen düsteren Schatten über die Menschheit, die zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte die Macht hat, sich selbst
und alles höhere Leben auf der Erde
auszulöschen. Sie wird es auch tun, wenn es nicht gelingt, diese furchtbaren Waffen abzuschaffen und völkerrechtlich zu
ächten. Ich habe die Hoffnung, daß es gelingt,
dieses Ziel zu erreichen, schon fast aufgegeben. Doch versuchen muß man es wenigstens. und manchmal geschieht ja
auch ein Wunder, auch wenn das räume ich ein
angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs derzeit nichts dafür spricht.
Vielleicht müssen wir uns damit zufriedengeben, was Dorothee Sölle im Hinblick auf den
Kriegssteuerboykott sagte: "Die Wahrheitsfrage wird kaputtgemacht und die Erfolgsfrage ersetzt die Wahrheitsfrage... Es
gibt Dinge, die mußt du tun um deiner eigenen
Würde willen ... damit du überhaupt ein Mensch bleibst."
Und doch, die Hoffnung auf einen (bescheidenen) Erfolg will nicht sterben. Deshalb hoffe ich noch immer darauf, daß die
Verfassungsbeschwerde von Erika und mir vom
Bundesverfassungsgericht angenommen wird und zu einer Revision der unseligen Rechtsprechung des Gerichts zu
Atomwaffen in den achtziger Jahren führt.
Natürlich freut sich so ein Knacki immer über Post.
Dr. Wolfgang Sternstein
Justizvollzugsanstalt Rottenburg, Schloß 1, 72101 Rottenburg