3.12.2004

Artikel

Stiftung Warentest
wird 40 Jahre alt

Mauerblümchen-Dasein einer Alibi-Institution

Fast alle kennen sie, fast alle vertrauen ihrem Urteil - doch nur wenige richten sich danach. Gegen die Millionen-Etats der Werbebranche kann sie nicht mithalten und so spielen ihre Testergebnisse bei der Verkaufsentscheidung am Supermakt-Regal kaum eine Rolle.

Vor vier Jahren bestätigte eine 'forsa'-Umfrage, daß 95 Prozent die 'Stiftung Warentest' kennen und das Vertrauen in die VerbraucherInnenschutz-Institution erreichte mit einem Wert von 83 Prozent Platz Eins - noch vor Polizei und Rotem Kreuz. Doch merkwürdiger Weise können - außer in spektakulären Fällen - Produkte mit schlechter Test-Wertung nach geringfügigen Preisnachlässen ihren Marktanteil halten. Und umgekehrt: Produkte, die nicht über bekannte Markennamen verfügen und nicht mit Werbefeldzügen aus den gigantischen Reserven großer Konzerne "in den Markt gedrückt" werden, haben trotz bester Noten in der Zeitschrift 'test' kaum eine Chance.

Als Alibi des VerberaucherInnenschutzes gründete die Regierung Erhard 1964 mehr halbherzig denn mutig die 'Stiftung Warentest', die seitdem ein Mauerblümchen-Dasein fristet. Sie wurde als Stiftung bürgerlichen Rechts ins Leben gerufen - allerdings wie zum Hohn ohne jegliches Stiftungskapital. Als Stiefkind aller bisherigen Regierungen gleich welcher Couleur, muß sie jährlich um einen Bundeszuschuß betteln, der zuletzt 6,5 Millionen Euro betrug und lediglich 13 Prozent ihres Etats abdecken kann.

Zu 87 Prozent finanziert sich die 'Stiftung Warentest' selbst, was ihr immerhin eine gewisse Unabhängigkeit sichert. 40,8 Millionen Euro stammen aus dem Verkauf ihrer beiden Magazine 'test' und 'finanztest'. Auch wenn der heutige Vorstand damit hadert, daß ihr in ihren Publikationen keine Anzeigen erlaubt sind - eine kritische Bewertung von Produkten, die zugleich von der Werbung in Form von Anzeigen abhängig wäre, ist kaum denkbar. Vorstand Werner Brinkmann fordert seit Jahren, daß der Bund 120 Millionen Euro Stiftungskapital locker macht, um von den Erträgen den Etat auszugleichen und nicht mehr um Subventionen betteln zu müssen. Aber auch "Rot-Grün" lehnt ab: "Dieses Geld habe ich nicht", erklärt "Verbraucherschutz"-Ministerin Renate Künast.

Dabei geht die 'StiWa' mit ihren Test-Urteilen regelmäßig nicht geringe Risiken ein. Je höher der Streitwert bei den nicht seltenen Klagen gegen schlechte Noten bei Tests festgesetzt wird, desto eher kann die uneigennützige Anwältin der VerbraucherInnen einmal in den finanziellen Ruin geraten. Sollte die 'StiWa' zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt werden, können die Forderungen schnell in die Millionen gehen. Deshalb ist eine penible Test-Prozedur für die Stiftung wie eine Lebensversicherung. Ihre Haftpflichtversicherung dürfte bei etwa zehn Millionen Euro enden, heißt es in Versicherungs- kreisen.

Aktuell ist eine Klage der prominenten Schauspielerin Uschi Glas anhängig, die mit der Note "mangelhaft" für ihre selbstgemixte Gesichts-Creme nicht einverstanden ist. Der Streitwert wurde vorige Woche auf 200.000 Euro festgesetzt. Bisher ist die 'StiWa' in den 40 Jahren ihres Bestehens noch kein einziges Mal zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden. Aber die Konflikte häufen sich. Vor zwei Jahren mußte erstmals eine ganze Ausgabe von 'finanztest' aus dem Handel genommen werden. Die Bewertung von Riester-Renten- Versicherungen war voller Fehler. Das war ihr bisher größter Flop.

Dabei verursacht auch im Bereich der Tests die dünne Finanzdecke ein unnötiges Risiko, denn die 'StiWa' kann keine eigenen Labors unterhalten. Sie stellt zwar die Regeln für die Tests auf. Und das Prüfprogramm wird einem Fachbeirat mit Vertretern der betroffenen Branche vorgelegt. Dann muß das 18-köpfige 'StiWa'-Kuratorium den Test genehmigen. Es besteht je zu einem Drittel aus Vertretern der Verbraucherverbände, der Industrie und neutralen ExpertInnen, trifft sich dreimal jährlich und muß dabei über 200 Test-Anordnungen begutachten.

Im Falle des Tests der Gesichts-Cremes, bei dem Frau Glas ein "mangelhaft" attestiert wurde, hatte ein Institut den Prüf-Auftrag bekommen, das auch im Auftrag von Kosmetik-Herstellern arbeitet. Dies ließ den Verdacht keimen, daß dieses Institut nicht neutral prüfte und einzelne Produkte bevorzugte oder benachteiligte. Doch eine solche Interessenkollision ist bei den meisten Warentests nicht völlig auszuschließen. Die Testlabors müssen zwar gegenüber der 'StiWa' eine Neutralitäts-Erklärung abgeben. Doch auch an der Geheimhaltung der Tests vor den Produzenten sind schon des Öfteren Zweifel laut geworden. Allerdings konnten bisher noch nie "undichte" Stellen oder Mauscheleien bei Tests nachgewiesen werden.

Und immerhin hat die 'StiWa' seit 1964 über 4.000 Waren-Tests mit rund 7.200 Produkten und über 1.200 Dienstleistungs-Tests durchgeführt. Die Auflage des Monatsmagazins 'test' liegt bei 590.000 und die von 'finanztest' bei 300.000. Doch die Verkaufszahlen - und damit eine wichtige Einnahme-Quelle der 'StiWa' - sind rückläufig. Seit 1994 hat 'test' mehr als ein Viertel der Auflage verloren: von 805.000 auf 590.000. Um dies auszugleichen, setzt die 'StiWa' verstärkt auf Sonder- Publikationen und auf einen kostenpflichtigen Online-Dienst. Boshafte Zungen reden bereits von einer "Midlife Crisis". Vorgeworfen werden der 'StiWa' "überholte Strukturen", "latente Überheblichkeit" und "aggressives Vorgehen" - das gute Image wird angekratzt.

Mit manchen hat es sich die 'StiWa' sicherlich auch dauerhaft verscherzt. So 2003, als Deutsche-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sein neues Preissystem nach einem vernichtenden Urteil der TesterInnen komplett zurückziehen mußte. Auch als fünf entrüstete Bahnvorstände bei Werner Brinkmann im 'StiWa'-Konferenzsaal so laut brüllten, daß der Pförtner kam, um nach dem Rechten zu sehen, blieben die TesterInnen hart: "Wir sind der Schild des Verbrauchers", sagt 'StiWa'-Vorstand Brinkmann.

Neben einer Diversifizierung der Einnahmen hat sich die 'StiWa' zum Ziel gesetzt, schneller zu werden. Denn eine berechtigte Kritik wurde in den letzen Jahren immer lauter: Bis zur Veröffentlichung eines Test-Ergebnisses haben die Firmen häufig bereits ein Nachfolge-Produkt auf den Markt geworfen - mit angeblich ganz neuen Eigenschaften. Dabei werden von der 'StiWa' nicht selten Baugleichheiten aufgedeckt, die lediglich mit geringfügigen Abweichungen, aber verschiedenen Gehäusen und Markennamen auf dem Markt befinden. Doch der Markt ist tatsächlich oft zu schnellebig für einen Apparat mit nur 278 MitarbeiterInnen. Doch in Zukunft sollen beispielsweise Handys nunmehr sofort getestet werden, sobald sie angeboten werden. Auch dies hat einen Haken: Bisher konnten die Produzenten nicht wissen, wann ihr Produkt getestet wird. Doch bei dieser Vorgehensweise der 'StiWa' wäre es ihnen möglich, eine qualitativ hochwertige erste Produktwelle auszustoßen und nach Veröffentlichung der Tests minderwertiges, billigeres Material einzusetzen.

Seit einigen Jahren ist der 'StiWa' auch kommerzielle Konkurrenz beispielsweise in Gestalt der Magazine 'Ökotest' und 'HiFi Test' erwachsen. Im einen Fall hatte sie das erwachende ökologische Bewußtsein der VerbraucherInnen zu Beginn der 80er Jahre verschlafen, im anderen das gläubige Festhalten finanzkräftiger HiFi-FanatikerInnen an physikalisch unhörbaren, technisch-esoterischen Finessen. Unglücklicher Weise pocht die 'StiWa' nun auf einem Alleinvertretungs-Anspruch und hat gegen den Verleger von 'HiFi Test' Klage eingereicht. Und dies, obwohl 'HiFi Test' nunmehr seit 15 Jahren existiert. 'StiWa'-Vorstand Brinkmann argumentiert, der Konkurrent habe "unzulässig in unsere Titelrechte eingegriffen". Tatsächlich aber hat auch hier die 'StiWa' geschlafen, denn erst vor drei Jahren hat sie markenrechtlichen Schutz für ihre Publikationen beantragt.

Im Hinblick auf ökologische Kriterien hat die 'StiWa' inzwischen nachgezogen und räumt Umwelt-Aspekten - so beispielsweise der Öko-Bilanz verschiedener Verpackungen - ein gewisses Gewicht bei der Benotung von Produkten ein. Umgekehrt hat 'Ökotest' viel an Glaubwürdigkeit verspielt, nachdem es 2004 beispielsweise dem überwiegend aus Zucker bestehenden Brotaufstrich 'nutella' die Note "sehr gut" zuerkannte. Aber auch die 'StiWa' hat seit Jahren ihre blinden Flecken, auf die AbonnentInnen erfolglos immer wieder hinwiesen. So wird Deutschlands größter Freizeitparkt, der Europapark Rust, trotz katastrophaler Umwelt-Auswirkungen regelmäßig mit Spitzennoten bedient. Der Flächenverbrauch relativ zum erwirtschafteten Umsatz ist im Vergleich zu Industriebetrieben gigantisch und das durch ständig steigende BesucherInnen-Zahlen provozierte Verkehrs-Aufkommen würde eine Einbeziehung des Unternehmens in den Emissions-(Ablaß)-Handel rechtfertigen.

Vorbildlich - im uneigentlichen Wortsinn - ist leider auch nicht eine wie folgt zitierte Ministerin: "Bei Produkten wie Haarshampoo oder Sonnencreme studiere ich immer wieder die Test-Ergebnisse. Da erfährt man dann oft, daß Produkte für zehn Euro nicht unbedingt besser sind als welche für zwei Euro - im Gegenteil. Das merke ich mir dann. Und wenn ich samstags an einer Drogerie vorbeikomme, kaufe ich zwei Flaschen." Denn das Vorbild wirkt nicht. Bei VerbraucherInnen bleibt selten ein Testergebnis im Gedächtnis hängen, während die um ein vielfaches häufiger (unbewußt) wahrgenommenen Werbung das Kaufverhalten bestimmt.

 

Adriana Ascoli

 

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