7.07.2004

Artikel

Warnstreik
an der Uniklinik Freiburg

Arbeitgeberverband erklärte Austritt aus Tarifvertrag

Freiburg. Über 1200 Krankenschwestern, Medizintechniker, Reinigungskräfte, Ärzte und medizinische Fachkräfte folgten heute dem Streikaufruf der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Südbaden. Der Arbeitgeberverband hatte einseitig den bis Februar 2005 geltenden Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) gekündigt. Mit der Kündigung des Vertrags für allen vier baden-württembergischen Unikliniken wollen die Arbeitgeber offensichtlich Druck ausüben. ver.di befürchtet den Verlust von 500 Arbeitsplätzen allein in Freiburg und die Ausweitung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 41 Stunden.

Bereits am frühen Mittwoch Morgen um 6.00 Uhr legten Reinigungskräfte in der Hals-, Nasen- Ohrenklinik die Arbeit nieder. Es folgten die Fernmeldetechniker und Handwerker des technischen Betriebes. Auch Krankenschwestern und Erzieher in der Psychiatrie folgten dem Streikaufruf der Gewerkschaft. In der Dialyse Ambulanz folgten die Beschäftigten zu 100 Prozent dem Streikaufruf. "Damit stellen wir in allen Bereichen der Uniklinik wohldosiert unsere Streikfähigkeit unter Beweis", betonte Personalratsvorsitzender Ingo Busch auf entsprechende Fragen. "Wir stellen uns auf langwierige Tarifauseinandersetzungen für den Zeitraum der nächsten sechs Monate ein. Weiter Warnstreiks sind bereits geplant. Dies ist unsere Antwort auf den heutigen Beschluß des Aufsichtsrats, aus dem Tarifvertrag auszutreten." Der Feiburger ver.di- Geschäftsführer Reiner Geis ergänzte: "Wir haben unsere Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt, indem wir exemplarisch in verschiedenen Bereichen gestreikt haben. Zugleich können wir garantieren, daß die Betreuung der Patienten nicht beeinträchtigt wurden. Auch von Seiten der Patienten bekamen wir Zustimmung und Zeichen der Solidarität."

Die eigentliche Dimension des Widerstandes demonstrierten um 11 Uhr über 1200 Teilnehmer auf der Streikkundgebung in Freiburg, bei der auch ver.di-Landesvorsitzende Sybille Stamm sprach. "Die mit der Tarifflucht der vier Unikliniken in Baden-Württemberg beabsichtigten einzelvertraglichen Verschlechterungen für die Klinikbeschäftigten um 10 bis 25 Prozent beim Einkommen sowie eine Arbeitszeitverlängerung auf 41 Stunden ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten, die mit ihrem Einsatz den Klinikbetrieb trotz jährlich zunehmenden Belastungen am Laufen gehalten haben", betonte Sybille Stamm. Die zahlreiche Teilnahme bestätigte die außerordentlich gute Verwurzelung der Gewerkschaft bei den Arbeitnehmern in Freiburg.

ver.di-Geschäftsführer Reiner Geis kritisierte, daß tarifliche Standards, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Altersversorgung, Kündigungsschutz, Urlaubsgeld oder Zulagen für erschwertes Arbeit einfach gestrichen oder zum Teil ungenügend berücksichtigt werden sollen. Die Beschäftigten müßten dann mit jahrelangen Nullrunden beim Einkommen rechnen und dafür noch 41 Stunden statt wie bisher 38,5 Stunden arbeiten.

"Mit den so brüskierten Beschäftigten wird es den Klinikleitungen nicht gelingen die bevorstehenden strukturellen Veränderungen in der Krankenhausversorgung erfolgreich zu bestehen. Die Tarifaustritts- keule führt nur zur Selbstlähmung der Universitätskliniken," erklärte Sybille Stamm auf einige Fragen nach ihrer Rede. Eine Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 41 Stunden sichere zudem keine Arbeitsplätze, sondern würde gemessen an den rund 29.000 Beschäftigen der vier Uniklinika 1.800 Arbeitsplätze zusätzlich zu den ohnehin vorgesehenen Stellenstreichungen kosten - alleine in Freiburg 500 Stellen.

Daß Veränderungen im öffentlichen Dienst und im Gesundheitswesen den alten BAT erneuerungsbedürftig gemacht haben, werde von ver.di nicht bestritten. "Deshalb wird auf Bundesebene derzeit auch über eine Reform des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst mit speziellen Regelungen, die auf die Krankenhäuser zugeschnitten sind, verhandelt.", so Stamm. Der neue Tarifvertrag soll bis Endes des Jahres stehen. Solange diese Tarifverhandlungen laufen, werde es deshalb mit ver.di keine Verhandlungen über einen Haustarifvertrag mit den einzelnen Unikliniken geben.

Weitere Warnstreiks stehen bereits für Heidelberg, 15. Juli, und bei den Beschäftigten des Uniklinikums in Ulm, 21. Juli, fest.

 

Klaus Schramm

 

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