Es geht in diesem Artikel zwar auch um Agrarpolitik, jedoch nicht um die Kuh. Die Frage nach dem
"Schlachten oder Melken" bezieht sich auf die Tabak-Industrie, ist aber bereits seit langem entschieden:
Auch die "rot-grüne" Bundesregierung richtet sich entgegen allem Mediengedröhn nach dem altbekannten
bäuerlichen Motto, daß du die Kuh nicht schlachten darfst, die du noch melken willst.
Bei allem Beifall von verschiedensten Seiten für die angekündigte Erhöhung der Tabak-Steuer, ist längst
vergessen, was erst zwei Monate zurückliegt: Als Anfang März 2003 die WHO ihre Anti-Tabak-Konvention
verabschiedete, war es außer der USA ausgerechnet die "rot-grüne" deutsche Bundesregierung, die für
weniger drastische Maßnahmen plädierte und dafür sorgte, daß das internationale Vertragswerk verwässert wurde.
Um das zu verstehen genügt der Blick auf zwei - kaum je im Zusammenhang veröffentlichte - Zahlen: Die
EU-Subvention für den Tabak-Anbau beträgt jährlich rund 1 Milliarde Euro. Beim Umweg über die EU-Kasse
geht zwar einiges vom deutschen Anteil an dieser Milliarde verloren (französische Bauern profitieren von den
Subventionen mehr als deutsche), aber diese "Investition" spült ein Vielfaches in die Kassen des deutschen
Fiskus zurück: Rund 12 Milliarden Euro pro Jahr durch die Tabaksteuer. Die angekündigte Erhöhung um
einen Euro* pro Päckchen wird schätzungsweise zusätzliche sieben
Milliarden in Eichels Säckchen befördern (BZ, 9.05.2003).
Daß nach kräftigen Erhöhungen der Tabaksteuer immer erst mal eine Pause eingelegt wurde, um nach einen
Einbruch beim Tabakkonsum das Sucht-Verhalten wieder zu stabilisieren, zeigt folgende Grafik:
Der Steuersatz (grüne Kurve) wurde immer hübsch so geregelt, daß die Steuereinnahmen (blaue Kurve) weiter
ansteigen konnten.
Gegenüber den Milliardenbeträgen, um die es hier jedes Jahr geht, sind ein paar Millionen fast nicht erwähnenswert:
Rund 350 Millionen Euro fließen in Deutschland jährlich in die Tabakwerbung - 2 Millionen werden dagegen von der
Zigarettenindustrie unter strengen Auflagen für die Vorsorge bereitgestellt.
Nach einer Pressemitteilung der 'Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen' (DHS), zum gestrigen "Weltnichtrauchertag"
(26.05.), in der mal wieder das mangelnde Geld für den Kampf gegen das Rauchen beklagt wird, rauchen nirgendwo in
Europa so viele Kinder und Jugendliche wie in Deutschland.
Darüber hinaus steige auch weiterhin die Gesamtzahl der Raucher, doch die Zahlungen für Tabakprävention seien nicht
einmal symbolisch, sagte DHS-Geschäftsführer Rolf Hüllinghorst. Allein im vergangenen Jahr starben 140.000
Bundesbürger an den Folgen des Rauchens. Jährlich werden 10.000 Raucher zu Frühinvaliden. Die volkswirtschaftlichen
Kosten, die durch das Rauchen verursacht werden, liegen bei rund 40 Milliarden Euro jährlich. Die Folgen von Tabak und
Alkohol sind um ein Vielfaches höher als die der illegalen Drogen.
Rund 130 Mrd. Zigaretten wurden 2002 in Deutschland verkauft. Nach einer "vorsichtigen" Schätzung der
'Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen' (DHS) sind 6,8 Millionen Menschen von Tabak abhängig. Bei 5 Euro für ein
Päckchen Zigaretten sind heute 1 Euro 21 Cent Tabaksteuer. Ein Konsum von 10 Zigaretten pro Tag ergibt pro
Jahr 331,66 Euro Tabaksteuer plus 87,60 Mehrwertsteuer - also summa summarum 419,26 Euro für die Staatskasse.
Und angeblich hat es dort immerfort Milliardenlöcher, die es zu stopfen gilt.
Daß auch in der Linken das Rauchen kaum thematisiert wird, mag am alten Trauma der Sozialdemokraten liegen, die um
alles in der Welt keine "vaterlandslosen Gesellen" sein wollen. Selbst um den Preis von Lungenkrebs und
Raucherbein - Rauchen ist schließlich staatstragend.
Klaus Schramm
Anmerkung v. 28.05.03:
* Heute wurde bekannt, daß die Erhöhung um einen Euro pro Zigaretten-Päckchen
auf drei Stufen verteilt werden soll. In dummdreister Chuzpe erklärte SPD-Fraktionsvorsitzender
Müntefering: Ein einzelner großer Schritt könne zu einem Einbruch beim Zigarettenkonsum
führen. Werde die Erhöhung aber auf drei Einzelschritte verteilt, ändere das nicht sehr viel am Verbrauchsverhalten.