Jürgen Elsässer sprach mit Jürgen Roth.
Vorbemerkung:
Jürgen Roth recherchiert und publiziert seit über 30 Jahren
über Organisierte Kriminalität. Zuletzt erschien: 'Die Gangster
aus dem Osten. Neue Wege der Kriminalität' (Europa Verlag,
320 Seiten, 17.90 Euro)
J. E.:
Der gestürzte georgische Präsident Eduard Schewardnadse
hat sich eine Villa in Baden-Baden gekauft. Woher hat er
eigentlich das Geld?
J. R.:
Wer regt sich denn über den mickrigen Betrag von elf Millionen
Euro für die noble Villa auf? Das sind doch Peanuts im Vergleich
zu dem, was der Schewardnadse-Clan im Laufe der letzten
Jahre auf Konten in der Schweiz und Lichtenstein deponiert
haben dürfte. Die traditionellen kriminellen Strukturen in
Georgien haben sich mit Dollar dafür bedankt, daß
Schewardnadse und Co. ihre Geschäfte deckten. Zudem hat es
der Präsidentenclan im Lauf der Jahre geschickt verstanden,
durch die Vergabe von Lizenzen abzukassieren und dadurch,
daß man die profitablen Wirtschaftszweige Telekommunikation
und Ölhandel übernommen hat.
Welche Kontakte hat die georgische Mafia international?
Die georgische Mafia unterhält im wesentlichen Kontakte nach
Europa, nach Spanien, Frankreich, Österreich und Deutschland.
Ihre Kontakte in die USA spielen eine vergleichsweise
untergeordnete Rolle. Daß die kriminellen Geschäfte (ob
Georgien oder Rußland) ohne den ideologischen Segen der
liberalen russischen Parteiführer Anatoli Tschubais und Jegor
Gaidar nicht funktionieren würden, ist wieder eine andere
Frage: Ist die Globalisierung nicht eigentlich ein kriminogener
Prozeß? Denn "legale" Wirtschaft und organisierte Kriminalität
sind gleichermaßen auf weltumspannende Kooperation
angewiesen. Da gibt es viele Überschneidungen.
Letzte Woche tauchte der nach England geflüchtete
russische Oligarch Boris Beresowski mit einem - nach seinen
Angaben - von der britischen Regierung ausgestellten
Flüchtlingspaß in Tbilissi auf. Was wollte er denn dort?
Benutzt hat er einen Paß auf den Namen Platon Elenin,
ermöglicht hatten die Einreise korrupte Zollbeamte. Er traf sich
mit seinem engen Geschäftspartner Badri Patarkazischwili. Und
der sei, behauptet zum Beispiel das Schweizer Bundesamt für
Polizeiwesen, eine kriminelle Autorität. Er war so etwas wie die
Brücke zwischen kriminellen und legalen Strukturen. Nach der
Flucht Beresowskis nach London war Patarkazischwili nach
Tbilissi gegangen. Wahrscheinlich haben die beiden
besprochen, wie sie ihre Kapitalinvestitionen retten, nachdem
in Georgien endlich ein Machtwechsel stattgefunden hat.
Da müssen die zwei doch keine Angst haben. Der neue
starke Mann Michail Saakaschwili ist auch ein Gangster.
Unsinn! Für mich ist er einer der wenigen aufrechten Politiker,
der trotz der verfestigten Strukturen in Georgien eine
demokratische und zivile Gesellschaft aufbauen will. Im
Dezember 2000 sagte er mir in Palermo, daß vor seiner
Amtszeit die Justiz total korrupt war und er jetzt als
Justizminister versuche, etwas zu verändern. Doch er
scheiterte und verließ daraufhin die Regierung. Mir ist bis zum
heutigen Tag nicht bekannt, daß er in kriminelle
Machenschaften verwickelt ist.
Vielleicht bekommt er das Geld nicht von der Mafia, sondern
vom US-Multimilliardär George Soros?
Die USA hatten seit langem geostrategische Interessen in
Georgien und dabei auch kräftig Saakaschwili beraten, und
zwar schon als Justizminister. Seine Berater waren aber keine
Repräsentanten von Ölmultis, sondern angesehene Vertreter
von Antikorruptionsinstitutionen in Washington. Und: Man mag
ja George Soros vieles vorwerfen, zu Recht etwa seine
führende Rolle im Kasino-Kapitalismus. Andererseits ist er bis
heute einer der wenigen, der mit massiven Finanzspritzen
versucht, eine Zivilgesellschaft in den Ländern der Ex-UdSSR
mit aufzubauen. Ohne sein Geld wären viele kritische Medien,
sofern es die noch gibt, nicht überlebensfähig.
Laut der kanadischen Tageszeitung 'Globe and Mail' soll
Soros 50 Millionen Dollar an die georgische Oppositionsjugend
Kmara gegeben habe. In einem bettelarmen Land kann man
dafür viele Leute kaufen.
Ohne Zweifel. Doch Geldzuwendungen korrumpieren immer.
Das ist im übrigen bei uns nicht viel anders als in den Ländern
der ehemaligen Sowjetunion - nur daß es bei uns noch
ansatzweise eine Kontrolle durch unabhängige Medien gibt.
Danke für das Gespräch.
Interview: Jürgen Elsässer
Nachveröffentl. aus: 'junge welt', 8.12.2003