2.04.2004

Interview

AKW Fessenheim
Gefahren und aktueller Widerstand

Ralf Streck sprach mit Axel Mayer

Vorbemerkung:
Axel Mayer ist Mitglied im Vorbereitungsteam der diesjährigen 'Tour de Fessenheim'. Als langjähriger Regionalgeschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Freiburg kann er auf ein Vierteljahrhundert Widerstand zurückblicken. Zugleich ist er an dem immer gefährlicher werdenden AKW "hautnah" dran.
Störfälle im französischen AKW Fessenheim: Sogar Super-GAU im Bereich des Möglichen?

Ralf Streck:
In den vergangenen Wochen kam es zu Störfällen im französischen Atomkraftwerk Fessenheim im Alsace am Oberrhein. Was genau ist vorgefallen?

Axel Mayer:
Das AKW Fessenheim hat schon zum wiederholten Male mit Pannen auf sich aufmerksam gemacht, wobei der neueste Vorfall eine Art "Weltpremiere" darstellt. Dabei sind in den Primärkreislauf, der die Brennstäbe umgibt, fälschlicherweise 300 Liter Harz gepumpt worden. Aber selbst das war für den Betreiber kein Grund, die Anlage abzuschalten. Durch das Harz wurden Filter verstopft und bei der Reinigung sieben Arbeiter leicht verstrahlt. Die Pressesprecherin von Electricité de France (EdF), des AKW-Betreibers, bemerkte dazu, das sei so bedeutsam, als würde jemandem ein Hammer auf den Zeh fallen. Ähnliche Probleme gibt es sicher auch in anderen Meilern, allerdings ohne daß die Öffentlichkeit davon erfahren würde, weil eine kritische Bewegung an vielen AKW-Standorten fehlt.

Anders in Fessenheim, das mit einem weiteren Problem für Aufmerksamkeit sorgt ...

Gerade erst wurde bekannt, daß das Notkühlsystem, das bei Störfällen schlimmere Katastrophen verhindern soll, im Ernstfall nicht funktionieren könnte. Im schwedischen AKW Barsebäck waren bei einem Notfall 1992 die Siebe im Reaktor verstopft. Damals ist nur deshalb nichts passiert, weil der Reaktor lediglich mit zwei Prozent Leistung gelaufen war - andernfalls wäre ein GAU möglich gewesen. Das Problem betrifft auch andere AKW in Frankreich und Deutschland.

Sie meinen also, daß es zu einer Kernschmelze wie vor fast genau 25 Jahren im US-amerikanischen Harrisburg kommen könnte?

Ja. Die Bevölkerung auf beiden Seiten des Rheins ist aber auch deshalb besorgt, weil Fessenheim von fast jedem Flugzeug zerstört werden könnte. Und obwohl das AKW im erdbebengefährdeten Gebiet des Rheingrabens steht, ist es nicht erdbebensicher gebaut. Basel wurde im Mittelalter durch ein starkes Erdbeben zerstört.

Reagieren die Betreiber auf die Ängste der Bevölkerung?

Ja, indem sie sich ein grünes Mäntelchen umhängen. Das AKW hat sich ein Umweltzertifikat für die Benutzung von Energiesparlampen, Umweltpapier und für die werkseigene Orchideenpflege ausstellen lassen. Die französische EdF und die deutsche EnBW, die Atomstrom aus Frankreich aufkauft, haben sogar eine Umweltorganisation gegründet und hoffen so, den Betrieb der beiden Blöcke über die erlaubten 30 Jahre hinaus zu gewährleisten und langfristig durch den Euroreaktor (EPR) zu ersetzen.

Was unternimmt die Anti-AKW-Bewegung?

Französische Umweltgruppen planen mit Unterstützern aus ganz Europa eine "Tour de France", die an allen französischen Atomstandorten mit vielfältigen Aktionen Station machen wird. Die Tour startet am Samstag, 24. April in Fessenheim, zwei Tage vor dem 18. Jahrestag des Super-GAU in Tschernobyl.
Von deutscher Seite aus machen wir an diesem Tag die "Tour de Fessenheim". Um 14 Uhr findet dann eine gemeinsame französisch-deutsche Kundgebung in Fessenheim statt.
Infos sind im Internet zu finden unter: www.bund-freiburg.de

Danke für das Gespräch.

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