Ralf Streck sprach mit Axel Mayer
Vorbemerkung:
Axel Mayer ist Mitglied im Vorbereitungsteam der diesjährigen 'Tour de Fessenheim'.
Als langjähriger Regionalgeschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Freiburg kann er auf ein Vierteljahrhundert Widerstand zurückblicken. Zugleich ist er
an dem immer gefährlicher werdenden AKW "hautnah" dran.
Störfälle im französischen AKW Fessenheim: Sogar Super-GAU
im Bereich des Möglichen?
Ralf Streck:
In den vergangenen Wochen kam es zu Störfällen im französischen
Atomkraftwerk Fessenheim im Alsace am Oberrhein. Was genau
ist vorgefallen?
Axel Mayer:
Das AKW Fessenheim hat schon zum wiederholten Male mit
Pannen auf sich aufmerksam gemacht, wobei der neueste Vorfall
eine Art "Weltpremiere" darstellt. Dabei sind in den
Primärkreislauf, der die Brennstäbe umgibt, fälschlicherweise 300
Liter Harz gepumpt worden. Aber selbst das war für den
Betreiber kein Grund, die Anlage abzuschalten. Durch das Harz
wurden Filter verstopft und bei der Reinigung sieben Arbeiter
leicht verstrahlt. Die Pressesprecherin von Electricité de France
(EdF), des AKW-Betreibers, bemerkte dazu, das sei so
bedeutsam, als würde jemandem ein Hammer auf den Zeh fallen.
Ähnliche Probleme gibt es sicher auch in anderen Meilern,
allerdings ohne daß die Öffentlichkeit davon erfahren würde, weil
eine kritische Bewegung an vielen AKW-Standorten fehlt.
Anders in Fessenheim, das mit einem weiteren Problem für
Aufmerksamkeit sorgt ...
Gerade erst wurde bekannt, daß das Notkühlsystem, das bei
Störfällen schlimmere Katastrophen verhindern soll, im Ernstfall
nicht funktionieren könnte. Im schwedischen AKW Barsebäck
waren bei einem Notfall 1992 die Siebe im Reaktor verstopft.
Damals ist nur deshalb nichts passiert, weil der Reaktor lediglich
mit zwei Prozent Leistung gelaufen war - andernfalls wäre ein
GAU möglich gewesen. Das Problem betrifft auch andere AKW
in Frankreich und Deutschland.
Sie meinen also, daß es zu einer Kernschmelze wie vor fast
genau 25 Jahren im US-amerikanischen Harrisburg kommen
könnte?
Ja. Die Bevölkerung auf beiden Seiten des Rheins ist aber auch
deshalb besorgt, weil Fessenheim von fast jedem Flugzeug zerstört
werden könnte. Und obwohl das AKW im erdbebengefährdeten
Gebiet des Rheingrabens steht, ist es nicht erdbebensicher gebaut.
Basel wurde im Mittelalter durch ein starkes Erdbeben zerstört.
Reagieren die Betreiber auf die Ängste der Bevölkerung?
Ja, indem sie sich ein grünes Mäntelchen umhängen. Das AKW
hat sich ein Umweltzertifikat für die Benutzung von
Energiesparlampen, Umweltpapier und für die werkseigene
Orchideenpflege ausstellen lassen. Die französische EdF und die
deutsche EnBW, die Atomstrom aus Frankreich aufkauft, haben
sogar eine Umweltorganisation gegründet und hoffen so, den
Betrieb der beiden Blöcke über die erlaubten 30 Jahre hinaus zu
gewährleisten und langfristig durch den Euroreaktor (EPR) zu
ersetzen.
Was unternimmt die Anti-AKW-Bewegung?
Französische Umweltgruppen planen mit Unterstützern aus ganz
Europa eine "Tour de France", die an allen französischen
Atomstandorten mit vielfältigen Aktionen Station machen wird.
Die Tour startet am Samstag, 24. April in Fessenheim, zwei Tage vor dem 18.
Jahrestag des Super-GAU in Tschernobyl.
Von deutscher Seite aus machen wir an diesem Tag die
"Tour de Fessenheim". Um 14 Uhr findet dann eine gemeinsame
französisch-deutsche Kundgebung in Fessenheim statt.
Infos sind im Internet zu finden unter:
www.bund-freiburg.de
Danke für das Gespräch.