27.05.2005

Artikel

Schikanen gegen Türkischen
Kriegsdienstverweigerer

Mehmet Tarhan verweigert aus Gewissensgründen den Kriegsdienst. Deshalb steht er in der Türkei vor Gericht und wird mit einer haftstrafe bedroht. Am 26.05. fand eine Verhandlung gegen ihn statt, die bereits einmal verschoben worden war. Dies führte nun zu einer Verschlechterung seiner Lage. Das Verfahren wurde nun zum weiteren Mal vertagt, diesmal auf den 9. Juni. Verteidigerin Suna Coskun stellte den Antrag, Mehmet Tarhan bis zu diesem Zeitpunkt aus der Haft zu entlassen. Doch das Gericht lehnte den Antrag trotz Zustimmung des Militär-Staatsanwalts ab. Mehmet Tarhan trat daraufhin in den Hungerstreik.

Seit seiner Inhaftierung am 8. April 2005 ist Mehmet Tarhan Mißhandlungen und Tötungsdrohungen durch andere Gefangene ausgesetzt. Das Gefängnispersonal ignoriert seine Beschwerden oder unterstützt die Übergriffe. Nach der Verhandlung wurden vier weitere Kriegsdienstverweigerer, die als Teil einer Solidaritätsgruppe das Verfahren beobachtet hatten, verhaftet. Andere Mitglieder der Solidaritätsgruppe versuchten mit einer gewaltfreien Blockade die Verhaftung zu verhindern und wurden von der Polizei verletzt. Zehn Personen wurden unter dem Vorwurf der tätlichen Beleidigung der Polizei vorläufig festgenommen.

Rudi Friedrich von der Menschenrechts-Organisation Connection e.V. erklärt zu den Vorgängen: "Die Entscheidung des Gerichts, die Inhaftierung aufrechtzuerhalten, kommt einer Verurteilung zu massiven physischen Mißhandlungen gleich. Einzig in Frage kommt eine sofortige Freilassung." Und Joachim Thommes von der 'Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen' (DFG-VK) ergänzt: "Diese 'Behandlung' von Kriegsdienstverweigerern durch die türkische Militärverwaltung ist kein Einzelfall."

Mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments haben in einem Offenen Brief (http://tobiaspflueger.twoday.net/stories/718884/ ) an die türkischen Behörden das Vorgehen im Fall Mehmet Tarhan deutlich kritisiert. Sie protestieren gegen die Mißhandlungen im Militärgefängnis Sivas, pochten auf das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und forderten die Freilassung inhaftierter Kriegsdienstverweigerer.

Einer der Initiatoren des Offenen Briefs ist Tobias Pflüger, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments und Vorstand der Tübinger 'Informationsstelle Militarisierung' e.V. (IMI). Pflüger warnt: "Sollten diese Repressionen prägend für weite Teile der türkischen Sicherheitsbehörden und Justiz sein, macht sich die türkische Regierung selbst erhebliche und ernsthafte Schwierigkeiten beim (auch von mir) gewünschten EU-Beitritt." Zugleich verweist Pflüger auf "eine eindeutige Eskalation von türkischer staatlicher Seite. Öffentlichkeit und Diskussion sollen offensichtlich verhindert werden - auch mit Gewalt."

 

Ute Daniels

 

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