Wird von Ungern-Sternberg nun selbst über sich zu Gericht sitzen?
Im idyllischen Freiburg, ganz besonders im großbürgerlichen Villenviertel Wiehre und gegenüber der Johanneskirche wirkt
das Hochhaus des Gerling-Konzerns bis heute wie ein Fremdkörper. Die geplante Erweiterung um einen Bürokomplex im
"Hinterhof", um die es bei Freiburgs jüngstem Skandal nun geht, kann dies kaum mehr verschlimmern. Mehr als merkwürdig
jedoch ist die Geschichte der Baugenehmigung, die nunmehr publik wurde.
Noch in seiner Zeit als Freiburger Baudezernent hatte der heutige Regierungspräsident von Ungern-Sternberg dafür gesorgt,
daß den Wünschen des Gerling-Konzerns Genüge getan wurde. Und dies, obwohl dabei die geltende Bauordnung gleich
dreifach verletzt werden mußte:
1. Im Plan werden Abstandsflächen zur Nachbarbebauung nicht eingehalten.
2. Die geplante Nutzung als Bürokomplex widerspricht dem Bebauungsplan bisher vorgesehenen Ausweisung als
Wohngebiet.
3. Der Bauantrag war zu allem Überfluß nicht einmal vollständig ausgefüllt.
Eine besondere Pointe besteht darin, daß es bereits aus dem Jahr 1963 einen Bebauungsplan für das betreffende Areal
gab. Dieser war eigens Gerling zuliebe aufgestellt worden, um den Bau des Hochhauses zu ermöglichen. Er wurde nie
aufgehoben und legt fest, daß der Innenhof frei zu bleiben hat.
1993 nun wurde eben dieser Bebauungsplan schlicht ignoriert und die Baugenehmigung für den Bürokomplex im Innenhof
trotz der offensichtlichen drei Mängel erteilt. Wegen einer nur knapp vermiedenen Pleite konnte der Gerling-Konzern die
Pläne damals nicht realisieren und ließ die Baugenehmigung zwei mal verlängern. Baudezernent von Ungern-Sternberg
(CDU - sein Chef: SPD-Oberbürgermeister Böhme) zeichnete in dieser Zeit dafür verantwortlich. Auch dies recht
ungewöhnlich. Nicht jedem beliebigen "Häuslebauer" wird solcherart Fürsorge zuteil.
Erst als der Gerling-Konzern 1999 einmal mehr fristgerecht eine Verlängerung beantragte, gab es im Bauordnungsamt
Bedenken. Um dem Konflikt zu entgehen, wurde der Antrag auf Halde gelegt. Da sich politisch niemand an den Fall traute
oder sämtliche Gemeinderats- fraktionen schliefen, blieb auch diese Nicht-Entscheidung nicht ohne Folgen. Nachdem das
Bauordnungsamt am 30. Oktober 2002 - zu spät - die Verlängerung ablehnte, wachte der Gemeinderat auf und zimmerte
dem Gerling-Konzern einen neuen Bebauungsplan. Angeblich blieb nun keine andere Wahl, da der Konzern auf Grund der
vom Bauordnungsamt nicht eingehaltenen Frist mit Schadensersatz drohen konnte.
Gegen den geplanten Bürokomplex mit 2000 Quadratmeter Fläche gehen nun aber die Bürger im Quartier auf die
Barrikaden. In kürzester Zeit wurden reichlich Unterschriften gesammelt. Und kurz vor der Kommunalwahl können
sich die GemeinderätInnen nicht länger schlafend stellen.
Der Clou an der Provinz-Posse: Ganz wie Dorfrichter Adam aus Kleists Komödie 'Der zerbrochene Krug' ist nunmehr
Herr von Ungern-Sternberg Richter in eigener Sache. Denn als Regierungs- präsident ist er zugleich Chef der
Widerspruchsbehörde.
Petra Willaredt