Pulitzer-Preisträger Hersh enthüllt geheime US-Aktionen
US-Bomben auf iranische Atom-Anlagen?
In der Wochenend-Ausgabe des US-Magazins 'The New Yorker' enthüllt der Star-Journalist und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh, daß geheime US-Spähtrupps spätestens seit Sommer 2004 von Pakistan und Afghanistan aus auf iranisches Territorium eindrangen. Ziel der "Aufklärungs"-Missionen war die Ausspähung der iranischen Atom-Anlagen, Raketen- und Rüstungs-Fabriken und die Gewinnung präziser Zieldaten für Bomben-Abwürfe. Entgegen den Prophezeiungen europäischer Massenmedien von einer friedlichen zweiten Amtszeit von George W. Bushs, womit augenscheinlich eine "Wiederannäherung" Deutschlands an die USA inszeniert werden soll, deuten diese Informationen auf die Vorbereitung eines neuen Krieges hin.
Seymour Hersh, der zuletzt im April 2004 mit seinen Recherchen den Folter-Skandal von Abu Ghraib an die Öffentlichkeit gebracht hatte und bereits 1970 zur Aufdeckung des Massakers von My Lai beitrug, stützt sich auf anonyme Quellen. Diese vermutlich im US-Militär angesiedelten "Whistleblower" lieferten Material, aus dem zu schließen ist, daß die Pläne der US-Regierung gegen den Iran weiter fortgeschritten sind, als bisher vermutet wurde.
Laut Hersh operiert eine US-amerikanische Taskforce in enger Kooperation mit dem pakistanischen Regime des Militär-Diktators Musharraf. Von der iranisch-afghanischen Grenze aus dringen diese Spezialkräfte in den Osten des Iran ein - zum Teil mit lokal rekrutierten AgentInnen - und besorgen Informationen über die angeblich teilweise unterirdischen iranischen Atomanlagen oder Raketen-Silos. Hersh behauptet zudem eine enge Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung, die ebenfalls "Notfall-Pläne" für die Zerstörung iranischer Atomanlagen plane. Dies ist zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffen, da die israelische Regierung bereits einmal am 7. Juni 1981 das wenige Wochen vor der Fertigstellung befindliche irakische AKW Tammuz mit einem Überraschungsangriff durch F-15 und F-16 Kampfjets zerstören ließ. Dieses auch unter dem Namen Osirak bekannte AKW-Projekt hatte Saddam Hussein im zweiten Jahr seiner Herrschaft im Irak mit Hilfe Frankreichs aufgebaut.
US-Präsident George W. Bush hatte den Iran zusammen mit dem Irak und Nord-Korea bereits vor vier Jahren zu Beginn seiner Herrschaft als Teil einer "Achse des Bösen" bezeichnet. Immer wieder stieß die US-Regierung Drohungen gegen den Iran aus, die USA werde die Entwicklung einer iranischen Atombombe nicht dulden. Tatsächlich dienten die Versuche zur Uran-Anreicherung und der geplante Bau eines Atomkraftwerkes - wie in jedem anderen Land der Welt ebenso - nicht allein der "zivilen" Nutzung der Atomenergie.
Nach außen hin erweckte die US-Regierung den Anschein, den Iran allein mit diplomatischen Mitteln zum Verzicht auf ein Atomprogramm zu bewegen. Zur Überraschung der US-Regierung führte der diplomatische Weg jedoch zu Teilerfolgen, die so wohl nicht erwartet oder geplant waren. Immerhin mußte die US-Regierung auch gewisse Erfolge durch Bemühungen von Seiten der UNO um eine friedliche Beilegung des Konflikts hinnehmen. Auch die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) mit ihrem Chef-Unterhändler Mohammed al-Baradei scheint ausnahmsweise einmal Positives geleistet zu haben.
In diesem Teil des Hersh-Artikels ist die Argumentation allerdings ein wenig krude. Denn der auf militärischem Terrain versierte Autor unterstellt "Mißerfolge" der diplomatischen Bemühungen, die denn erst zu dem Kurs der US-Administration auf eine militärische "Lösung" geführt hätten. Über Erfolg oder Mißerfolg der zivilen Konflikt-Lösung oder des "Katz-und-Maus-Spiels" wie es in den kapitalistischen Medien dargestellt wurde, ließ sich jedoch selbst bei größtmöglicher Voreingenommenheit in den Sommer- und Herbst-Monaten des letzten Jahres noch keine Bilanz ziehen.
Die "Aufklärungs"-Aktionen fanden laut Hersh vor dem Hintergrund eines Kompetenzgerangels zwischen dem Auslandsgeheimdienst CIA und dem Pentagon statt, das Rüstungsminister Rumsfeld zu seinen Gunsten nutzte. Dabei handelt es sich allerdings um typische Auguren-Gerüchte. Unter Ausnutzung solcher interner Streitigkeiten habe Rumsfeld erreicht, daß Bush jr. mehrere präsidiale Anordnungen unterzeichnete, die das Pentagon ermächtigten, mit Spezialkräften nicht nur im Iran, sondern in bis zu zehn Ländern der islamischen Welt "Anti-Terror-Aktionen" durchzuführen.
Anders als der CIA, der solche Geheim-Aktionen als seine ureigenste Aufgabe reklamiert, könne das Verteidigungsministerium ohne jegliche Kontrolle durch den US-Kongreß vorgehen. Das Pentagon habe die neuen Kompetenzen bereits zur Liquidierung einer "Terror-Zelle" in Algerien genutzt, berichtet Hersh. Über Gerüchte, daß der Einsatz von "Todes-Schwadronen" zur Liquidierung irakischer Widerstandskämpfer in Regenerations-Zonen in Syrien geplant sei, hatte kürzlich bereits das renommierte US-amerikanische Nachrichten-Magazin 'Newsweek' berichtet. Und der iranische Geheimdienst-Chef hatte am 22. Dezember 2004 die Verhaftung von "zehn Atom-Spionen" in Teheran und im Südiran verkündet. Zu den anderen Ländern, wo militärische Spezialkräfte angeblich grünes Licht zu "Operationen" erhalten haben, zählen laut Hersh-Artikel der Jemen, Malaysia, der Sudan, Syrien und Tunesien.
Immerhin sah sich die US-Administration bereits am Sonntag genötigt, Stellung zu den im 'New Yorker' veröffentlichten Enthüllungen zu beziehen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Dan Bartlett, bezeichnete den Artikel als "gespickt mit Ungenauigkeiten", ohne sich auf ein klares Dementi festlegen lassen zu wollen. Gegenüber associated press antwortete er auf eine entsprechende Frage, die US-amerikanische Regierung habe nie eine "militärische Lösung" ausgeschlossen.
Klaus Schramm